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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.

Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






uban-:

1. Häufig "breite Straße" als Normalübersetzung von gr. πλατεῖα in NT und AT überall dort, wo nicht einfach ein Adjektiv "breit" gemeint ist; dieses wird zumeist durch parto- wiedergegeben wie in Mt. 7,13 {73.} in der Adiši-Hs. (C), seltener durch vrc-el- wie an derselben Stelle in der "Protovulgata" (DE). Einmal erscheint für πλατεῖα das zu letzterem gebildete Abstraktum si-vrc-e- "Breite" (šoris sivrcesa mis kalakisasa "inmitten der `Breite' der Stadt", gr. ἐν μέσῳ τῆς πλατείας αὐτῆς in Ap.Jo. 22,2 {69.}), wobei im selben Text kurz vorher uban-i steht (21,21 {3.}). Dabei könnte es sich um eine absichtliche Variation handeln, mit der der Übersetzer des Texts, der Athonit Eptwme, das ihm vielleicht obsolet erscheinende uban- erläutern wollte; dafür spräche auch, daß in dem von ihm mitübersetzten Apokalypse-Kommentar des Andreas von Caesarea uban-i in 21,21 {3a} durch sivrce- paraphrasiert wird (cf. in diesem Sinne bereits I. Imnaišvili im Glossar zur Ausgabe, 192). Allerdings ist zu beachten, daß auch der armen. Text hier nicht einheitlich ist, wobei er sich allerdings umgekehrt verhält wie der georgische: Er hat in Ap.Jo. 21,21 {3.} die dem Abstraktum si-vrc-e- entsprechende Bildung əndarjakowtՙiwn (zu əndarjak "breit"), während in 22,2 {69.} das Wort hraparak erscheint, das als Normalwiedergabe von gr. πλατεῖα "breite Straße" dient und damit normalerweise georg. uban- entspricht (nur ausnahmsweise erscheint statt dessen kՙałakՙamēǰ "Stadtmitte" in Gen. 19,2 {25.} gegenüber georg. uban-ta und gr̄ehacՙ "(den Lehm) der Plätze" in Ps. 17,43 {12.} gegenüber georg. ubn-is-a-y; s. dazu weiter unter 3.). Zu erwägen wäre deshalb auch, ob hier nicht eher πλατεῖα mit πλάτος "Breite" verwechselt worden ist, das häufig durch si-vrc-e- bzw. əndarjakowtՙiwn übersetzt wird; vgl. z.B. im gleichen Kontext Ap.Jo. 21,16 {70.}, wo der armen. Text allerdings das gleichbedeutende laynowtՙiwn hat. — In wenigen Fällen enthält der georg. Text für πλατεῖα anstelle von uban- das Wort uraḳṗaraḳ- (s.d.), das sich mit arm. hraparak deckt. Ein solcher Fall ist Mt. 6,5 {20.}, wo die Adiši-Hs. und der Xanmeṭi-Text (X) uraḳṗaraḳ-ta bieten gegenüber der "Protovulgata" mit uban-ta. Daß hierbei uban-ta bzw. uraḳṗaraḳ-ta nicht gr. ἐν ταῖς γωνίαις wiedergeben, wie Molitor, Gloss.Iber. 2, 289 meint, sondern dessen Attribut τῶν πλατειῶν, erweist sich an der Xanmeṭi-Variante, die als einzige übergeordnetes q̇ure-ta "in den Winkeln" hat. Ein besonderer Fall in der Bibelübersetzung ist Hohel. 3,2 {17.}, wo das gr. ἐν ταῖς ἀγοραῖς καὶ ἐν ταῖς πλατείαις in der Ošḳi-Bibel durch savač̣rota zeda da ubanta zeda wiedergegeben ist, in der Mcxeta-Hs. jedoch durch uban-ni da uraḳṗaraḳ-ni (diese Stelle ist bei Saba angeführt, allerdings mit der Bedeutungsangabe erdo, gina kalakt erti ḳerʒo "Dach, oder Stadtviertel"; s. dazu weiter unten); hier tritt uban- in einer anderen häufigen Verwendung auf, nämlich
2. als Übersetzung von gr. ἀγορά im Sinne von "(Markt-)Platz". Auch für dieses Wort ist uban- die normale Vertretung in NT und AT. Die divergierende Wiedergabe der georg. AT-Redaktionen in Hohel. 3,2 {17.} erklärt sich also aus einer Art "Synonymenkonflikt"; der gleiche Konflikt hat auch die armen. Bibelübersetzer betroffen, die für ἀγορά ebenso wie für πλατεῖα regelmäßig hraparak einsetzten, in Hohel. 3,2 jedoch auf pՙołocՙ "Straße" ausweichen mußten. Nur einmal erscheint in der georg. Bibel auch für ἀγορά wieder das dem arm. hraparak entsprechende uraḳṗaraḳ- (-ad: Apg. 16,19; s.d. {13.}), und einmal hat die älteste Redaktion der AT-Übersetzung dab-n-eb-sa "Dörfer" (Dat.Koll.; 3.Esr. 2,14 OI {39.}) gegenüber der Mcxeta-Bibel mit ubn-eb-sa (2,18 {39.}); hier dürfte eine Textverderbnis vorliegen, die möglicherweise durch das vorhergehende da "und" bedingt ist (*da owbnebsa > *d~bnebsa > *dabnebsa > da dabnebsa). In wenigen Fällen wird gr. ἀγορά durch sa-vač̣r-o- "Handels-, Marktplatz" übersetzt; außer der bereits genannten Stelle aus der Ošḳi-Bibel (Hohel. 3,2, s.o.) handelt es sich um zwei Belege aus dem Tetraevangelium der Adiši-Hs. (Mt. 20,3 C {22.} mit šavač̣ro-sa gegenüber uban-ta zeda in DE und Mk. 7,4 C {35.} mit savač̣ro-yt gegenüber uban-ta-gan in DE) sowie vier eng benachbarte Stellen in Ez. (27,14; 16 -sa; 18 -ta; 22 -sa IM). Dabei deckt sich der Befund weitgehend mit dem der armen. Bibel, die an den genannten Ez.-Stellen das Wort vačar̄ gebraucht; dies gilt allerdings auch bereits für Ez. 27,12 {31.}, wo die ältere Redaktion der georg. AT-Übersetzung wieder uban-ta hat, während die Mcxeta-Bibel mit savač̣ro-sa Einheitlichkeit wahrt. Zu berücksichtigen ist dabei, daß im gegebenen Kontext des Ez.-Kapitels mehrfach gr. ἐμπορία "Handel(sware)" erscheint, für das sa-vač̣r-o- die übliche Entsprechung ist.
3. Mit der Bedeutung "Straße, Gasse" ist uban- auch die Normalvertretung von gr. ϱύμη in der Bibelübersetzung wie z.B. in Apg. 9,11 ({1.}: -i). Die einzige Ausnahme bildet dabei Lk. 14,21 {24.}, wo die beiden Redaktionen einhellig das Wort q̇ure- (-ta) bieten, das ansonsten nur noch in der Xanmeṭi-Variante von Mt. 6,5 {20.} erscheint und dort gr. γωνία "Ecke, Winkel" wiedergibt (s. dazu oben unter 1.). Der Grund liegt offensichtlich darin, daß gleich daneben εἰς τὰς πλατείας steht, das wie üblich durch uban-ta wiedergegeben ist. Demgegenüber wird in Jes. 15,3 {29.}, wo ebenfalls πλατεῖα und ϱύμη aufeinanderfolgen, der Abstand zwischen beiden jedoch größer ist, ein zweimaliges uban-ta geduldet. Die armen. Bibelübersetzung kennt diesen Konflikt nicht, weil hier für die Wiedergabe von ϱύμη mit pՙołocՙ ein eigenes Wort verfügbar war; so stehen hier in Jes. 15,3 hraparak und pՙołocՙ nebeneinander. Allerdings erweisen sich auch im Armenischen beide Wörter als bedeutungsnah, insofern hraparak in Mt. 6,2 {38.} auch zur Wiedergabe von ϱύμη dient. Bemerkenswerterweise ist das arm. pՙołocՙ an einer anderen Stelle auch in den georg. Text übernommen worden (Lk. 14,23 {74.}: poloc-ta), aber nicht in der Bedeutung "Straße", sondern eher im Sinne von "Umfriedung" als Übersetzung von gr. ϕραγμός, das im armen. Text hier allerdings gerade nicht durch pՙołocՙ, sondern wie auch sonst durch cՙank "Hecke" vertreten ist, dem im Georgischen zġude- entspricht (z.B. Mt. 21,33 {75.}). poloc- tritt außerdem auch in beiden Redaktionen der "Bekehrung Georgiens" (Mokc. A 334,21 bzw. B 118,32) sowie in der Legende von der "Zerstörung Jerusalems" auf (Exp.Jerus. 22,17: VIII,21), ferner in einigen eindeutig aus dem Armenischen übersetzten hagiographischen Texten.
4. Einmal etwa "Weg hinaus" als Übersetzung von gr. ἔξοδος in 2.Kön. 22,43 M {12a}. Dieses Wort wird an allen übrigen Stellen in AT und NT durch Ableitungen des Verbs für "gehen", -slv-, übersetzt, und zwar v.a. durch gamo-slv-a- "Hinausgehen", das den "Auszug (aus Ägypten)" bezeichnet (z.B. Ex. 19,1 {76.}), und gamo-sa-val- "Ausgang", das ἔξοδος als Nomen loci wiedergibt (z.B. Spr.Sal. 1,20 {28.}, s.u.). An der hier zu behandelnden Stelle dürfte der Wortlaut von Ps. 17,43 {12.} eingewirkt haben, wo statt πηλὸν ἐξόδων πηλὸν πλατειῶν steht; dieser Vers scheint auch den Hintergrund für eine Stelle aus den "Gesängen der Reue" des georg. Königs David des Erbauers zu bilden (Dav.Aġm. Gal.Sin. 375,13 {12b} mit tiqay ubn-is-a-y), die allerdings auch an Ap.Jo. 21,21 {3.} anklingt (s.o.). — Eine gegenseitige Beeinflussung des Psalms und des Verses in 2.Kön. erweist auch die armen. Bibel, wo in beiden Fällen — und nur hier — das Wort gr̄eh erscheint, das im Venediger Wb. durch πλατεῖα, ἀγορά glossiert wird. Die semantische Nähe zwischen ἔξοδος und πλατεῖα zeigt sich z.B. in Spr.Sal. 1,20 {28.}, wo beide nebeneinander stehen; dabei wird letzteres im Georgischen wieder durch uban-ta übersetzt.
5. Einmal etwa "Landstraße" als Übersetzung von gr. ἄμϕοδος an dessen einziger Belegstelle im NT (Mk. 11,4 {7.}: -sa zeda), allerdings nur in der Adiši-Hs.; die "Protovulgata", die hier mit dem Xanmeṭi-Fragment (X) übereinstimmt, hat statt dessen gare(še) šesaval-sa "draußen auf dem Weg herein". Die Adiši-Hs. steht damit sichtlich dem armen. Text näher, der neutrales artakՙoy ï pՙołocՙi "draußen auf der Straße" hat, obwohl sie das arm. artakՙoy, gr. ἔξω "außerhalb" unübersetzt läßt. Uneinheitlich verhält sich die georg. Bibelübersetzung auch an den beiden Belegstellen von gr. ἄμϕοδος im AT, wo einmal zġude- "Festungsmauer" (Jer. 17,27 I) bzw. mrčoblgzeb-ni (!), wtl. "Zwillingswege" (ib. M), einmal jedoch wieder uraḳṗaraḳ- erscheint, das hier etwa im Sinne von "Stadtviertel" zu verstehen ist (Jer. 49,27 IM = 30,33 LXX); s. dazu weiter unter uraḳṗaraḳ-, 3. {18.; 38.}.
6. Im Gegensatz zu dem soeben behandelten Beleg aus dem Markus-Evangelium scheint uban-ta zeda einmal gerade gr. ἔξω, arm. artakՙoy wiederzugeben, und zwar in der älteren Redaktion der AT-Übersetzung in Jes. 42,2 {30.}; die Mcxeta-Hs. hat demgegenüber das zu erwartende einfache gare "außen". Die Stelle erklärt sich jedoch ohne weiteres durch einen Anklang an Mt. 12,19 {6.}, wo anstelle von ἔξω die Fügung ἐν ταῖς πλατείαις erscheint, die wie üblich durch uban-ta zeda (v.ll. uban-sa, ubn-eb-sa) wiedergegeben ist.
7. Auffällig selten begegnet uban- in der autochthonen hagiographischen Literatur. Der früheste Beleg findet sich wohl im Martyrium des hl. Habo (64,15 {32.}), wo es etwa mit "Straße, Platz" zu übersetzen ist. An einer Stelle in der Chronik des Leonṭi Mroveli ist offenbar "Vorstadt" oder "Stadtviertel" gemeint (uban-sa uriata-sa "in das Viertel der Juden": K.Cx. 1, 17,21 {4.}), wie sich an der armen. Vs. zeigt, die das gleichbedeutende tՙał verwendet1; vgl. dazu ebenfalls uraḳṗaraḳ- (3.). Den gleichen Wortlaut bietet auch eine zweite Stelle im selben Text innerhalb der Ninolegende (95,1 {9.}), wobei die Chronik aber im Widerspruch zu ihren Paralleltexten (Mokc. AB und Nino AB) steht, die statt dessen bagin- "Altar, Tempel" und damit wahrscheinlich das ursprüngliche haben. — Keinen Bestand hat der Beleg für uban- in der Passio des hl. Theodor, wo das Wort nach dem von I. Imnaišvili herausgegebenen Text in der Hs. Sin. 62 neben savač̣ro- steht (44,16 {33.}: -ta); die ältere Ausgabe von Xaxanov, die auf der Athos-Hs. 57 (8) beruht, bietet statt dessen abano-ta "Bäder". Da sich diese Lesart mit dem Wortlaut der griech. und der armen. Version deckt, die mit βαλανείων bzw. bałaneacՙ ebenfalls von "Bädern" sprechen, ist davon auszugehen, daß sie den ursprünglichen Text repräsentiert. Wenn in der Sin.-Hs. tatsächlich uban-ta stehen sollte (die Stelle findet sich nicht unter den bei Marr, Op.Sin. 115 f. exzerpierten Stücken), dürfte dies auf die semantische Nähe von uban- und savač̣ro- zurückzuführen sein, die sich in dem alternativen Gebrauch der beiden Wörter in der Bibelübersetzung manifestiert; s. dazu weiter oben unter 2.
8. In den Texten der klassischen Literatur lebt uban- weiter, wobei als Bedeutung am ehesten wieder "Stadtviertel, Vorstadt" in Frage kommt; deutlich wird dies z.B. im Vepxisṭq̇aosani (480c {5.}: -i), wo das Wort als drittes neben saxl- "Haus" und šuḳa- "Straße" erscheint. Im gleichen Kontext begegnet auch das Āmreḍita-Kompositum uban-uban- (-i: 480b), das hier etwa mit "Abschnitt für Abschnitt" zu übersetzen ist; ähnlich ist in Rusud. 146,27-30 {14.} die endungslose Fügung uban da uban verwendet, die das Wörterbuch von Čubinašvili in der Form uban-ubnad zitiert. — Erst gegen Ende der ageorg. Periode tritt eine Gruppe von Verbalbildungen auf, die sich als Ableitungen von uban- auffassen lassen. Ausgangspunkt ist das Medialverb

ubn-ob-a:
1. Dieses Verb kommt in der Bedeutung "sich unterhalten, ein Gespräch führen" als Präsensstammbildung und Verbalnomen zuerst mehrfach in der Vita des Grigol von Xanʒta vor (z.B. ubn-ob-d-e-s 297,13 {43.}; ubn-ob-a-y 265,39 {50.}) und ist weiter in der Sprache der georg. Athoniten bezeugt (z.B. in der Übersetzung der Apophthegmata patrum durch Eptwme, Syst.Pater. XI,4. {54.}: -sa und -d; die im 11. Jh. entstandene zweite Übersetzung der Apophthegmata durch Theophile verwendet statt dessen sa-ubn-ar-i, s.u.). In der klassischen Literatur wird ubn-ob-a- dann das geläufige Verb in der Bedeutung "(mit jdm.) sprechen" (z.B. ubn-ob Vepx. 1564b {42.}), wobei es mit den durch das System vorgegebenen Mitteln weiter in das Verbalsystem integriert wird und einen passiven Präsensstamm auf -eb- (z.B. g-e-ubn-eb-i Vepx. 1279c {45.}; dazu dann auch das Verbalnomen ubn-eb-a- ib. 1631c {56.}) sowie einen starken Aorist bildet (passiv. z.B. Vepx. 436a v-e-uben {46.}). Unklar bleibt, ob auch der Aktiv-Aorist stark oder eher schwach gebildet wurde; die einzige aussagekräftige Form ist v-i-ubn-e-t ib. 424a {44.}, für das nach dem Vorschlag Šaniʒes (in der Simponia, 310) v-i-uben-t zu lesen ist. Hinzu treten die folgenden drei Partizipialbildungen:
a) mo-ubn-ar-i: "sprechend(er), Sprecher" als PPA z.B. im Vepx. (59d {58.}: -ita);
b) na-ubn-ar-i: PPP "Gesagtes, zum Gespräch Gewordenes" bei Saba, der das Lemma (ohne Beleg) mit nalaṗaraḳevi, gina ubanq̇opili glossiert;
c) sa-ubn-ar-i: Gdv. "zum Gespräch gehörendes, Gespräch, -sthema"; diese Bildung ist zunächst in der zweiten Übersetzung der Apophthegmata patrum durch Theophile bezeugt (Syst.Pater. Th. XI,4. {61.}: -i), wo die Version des Athoniten Eptwme ubn-ob-a- hat (s.o.), weiter dann ebenfalls in der klassischen Literatur, z.B. im Vepx. (34d {63.}: -i). Von sa-ubn-ar- weitergebildet ist das Verbum sa-ubn-ar-eb-a- "sprechen, sich unterhalten", das z.B. als Übersetzung von gr. λαλέω in der Gelati-Bibel (Jos. 22,15 {66.}: sa-ubn-ar-e-s) gegenüber üblichem eṭq̇odes in M erscheint, sowie das Adjektiv sa-sa-ubn-ar-o- im Vepx. (35a {65.}: -sa).
2. Zu allen drei Partizipien gesellen sich gleichzeitig parallele und gleichbedeutende Bildungen ohne inneres -n-, die einen Wurzelansatz -ub- zu erfordern scheinen:
a) mo-ub-ar-i bzw. mo-ub-ar-e- "sprechend", z.B. Vepx. 901d ({59.});
b) na-ub-ar-i "gesagtes", z.B. Vepx. 24d {57.}; bei Saba wird dieses Wort ebenfalls durch nalaṗaraḳevi erläutert, außerdem aber auch durch ubeši nadebi, wtl. "in den Schoß Gestecktes", s.u.;
c) sa-ub-ar-i "Gespräch", z.B. Vepx. 87a ({67.}: -i); dazu auch die adjektivische Weiterbildung
d) sa-sa-ub-r-o- "zum Gespräch gehörig", z.B. ib. 931b ({68.}).
Vom synchronen, strukturellen Standpunkt aus wäre es gerechtfertigt, diese Bildungen an das Wort ube- anzuschließen, wie es Saba s.v. naubari tat. Dagegen spricht jedoch, daß die Partizipien mit ube- semantisch kaum zu vermitteln sind: Als älteste Bedeutung dieses Substantivs ist "Bauch, Schoß" anzusetzen wie z.B. in Jon. 1,5 {78.}, wo es als Übersetzung von gr. κοίλη, arm. xorš auftritt; in anderen Textzeugnissen kommt auch eine Übersetzung als "Hafen" in Betracht wie z.B. in der Schrift Hippolyts über den Segen Mose (Hipp. Mos. 216,20 {79.}), wo das Wort zur Erläuterung von gansasuenebel- "Ankerplatz" entsprechend gr. ὅρμος, arm. nawahangist in Gen. 49,13 {79a} dient (das Zitat der Stelle bei Hippolyt steht sowohl dem armen. als auch dem griech. Text wesentlich näher als der Text der Bibelübersetzung in OM). Sabas Glossierung dürfte also eher volksetymologischen Charakter haben. Fraglich bleibt aber, auf welche Weise die -n-losen Formen zustande gekommen sind. Hierfür kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder handelt es sich um eine lautliche Vereinfachung der Gruppe -bn-, oder eine "Wurzel" -ub- wurde aus den gegebenen Formen von ubn-ob-a- durch Metanalyse abstrahiert. Letztere Lösung erscheint angesichts der Verbreitung -n-haltiger Suffixe in der georg. Verbalstammbildung a priori wahrscheinlicher. — Daß das zugrundeliegende ubn-ob-a- selbst tatsächlich von uban- abgeleitet ist, ergibt sich durch die Parallele des synonymen Verbs laṗaraḳ-ob-a-, das mit Sicherheit zu dem mit uban- konkurrierenden uraḳṗaraḳ- zu stellen ist (s. dort).

Trotz ihrer relativ großen Verbreitung ist die Sippe um georg. uban- bisher kaum je etymologisch untersucht worden. Eine ausführliche Behandlung findet sich lediglich bei Marr, Opredelenie [ZVO 22], 66 ff., der für das Wort eine Grundbedeutung "Stadt" ansetzte, die sich in zahlreichen Ortsnamen wie z.B. Alis-uban- oder Vardis-uban- manifestiere; Marrs Ausgangspunkt war ein elam. ḫu-man- "Stadt", das er auf diese Weise in sein "japhetitisches" Theoriegebäude einzubringen versuchte. Als weitere Kognate desselben "japhetitischen" Wortes sah Marr das georg. ban-i "Dach" an, das er weiter mit den "kaum zufällig anklingenden" ("едва-ли случайно созвучныя") iran. Bezeichnungen für das "Dach", avest. (gemeint ist mpers.) bān und npers. bām in Beziehung setzte.
Während die Verbindung zwischen georg. ban- "Dach" und dem durch mpers. bān und npers. bām vertretenen Wort unter Annahme einer iran. Herkunft aufrechterhalten bleiben kann (s. dazu weiter unter ban-), entbehrt seine Verknüpfung mit uban- jeglicher Grundlage: Obwohl beide Wörter im Vepxisṭq̇aosani sowie im Visramiani aufgrund ihres Gleichklangs gern zu Wortspielen im Reim benutzt wurden (vgl. Vepx. 478a und 480c unter ban-i {1., 1a} sowie Visr. 289,16-18 unter ban-sa {2.}), läßt sich für uban- aufgrund der hier vorgestellten Beleglage doch keinerlei spezifischer semantischer Bezug zu dem Wort für das "Dach" herstellen; Marr hat sich hier eventuell durch die Glossierung von uban- durch erdo "Dach" im Sabaschen Lexikon leiten lassen (s.o.). Für die morphologische Seite einer Zusammenstellung mit der Sippe um ban- bliebe unter dem Aspekt einer iran. Etymologie nur die eine Erklärungsmöglichkeit, in dem georg. u- den Reflex eines iran. Präfixes, etwa *au̯a-, zu sehen; für eine solche Vertretung gibt es jedoch keinerlei Parallelen.
Aufgrund seiner Bedeutungssphäre, die uban- v.a. mit dem sicheren iran. Lehnwort uraḳṗaraḳ- teilt, und wegen des Fehlens einer innergeorg. Erklärungsmöglichkeit2 bleibt für georg. uban- dennoch eine iran. Herkunft zu erwägen. Ausgehend von der Normalbedeutung "Straße, Platz", die sich aus den hier behandelten Belegen ergibt, und die ohne weiteres auch die Grundlage für eine Verwendung im Sinne von "Stadtviertel, Vorstadt" abgeben kann, läßt sich ein Zusammenhang mit dem in altavest. aduuan-, jungavest. aδuuan- vorliegenden Wort für den "Weg" vermuten. Dieses Wort, dessen nächste Verwandte in aind. ádhvan- zu sehen ist, konnte zwar innerhalb des Iranischen ansonsten bisher nicht nachgewiesen werden; das spricht jedoch nicht gegen die Möglichkeit, daß georg. uban- in miran. Zeit aus dem Iranischen entlehnt worden sein könnte.
Dieser Vorschlag birgt allerdings ebenfalls lautliche Probleme. Zunächst würde er voraussetzen, daß die inlautende Konsonantengruppe -du̯- durch ein -b- repräsentiert wäre, was als nordwestiran. Lautentwicklung durch Beispiele wie kurd. bar "Tür" ≈ avest. duuar-, npers. dar bisher nur für den Wortanlaut nachweisbar ist. Darüber hinaus würde vorausgesetzt, daß das georg. u- als Vertreter eines anlautenden iran. a- gelten kann; für eine solche Entsprechung, die im gegebenen Fall auf eine assimilatorische Rundung vor dem folgenden -u̯- zurückgeführt werden könnte, gibt es bisher überhaupt keine Parallelen. Die vorgeschlagene Verknüpfung mit avest. aduuan- stellt also lediglich eine Arbeitshypothese dar.
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