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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.
Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition,
published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.
Jost Gippert
Iranica
Armeno-Iberica
Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen
senaḳ-:
1. Mehrfach in der AT-Übersetzung Wiedergabe von gr. ταμίειον in der
Bedeutung "Vorrats-" oder "Schlafkammer" (Ri. 16,8-9 {4.}; 12 {5.};
4.Kön. 11,2 {7.}: -sa; 3.Kön. 20,30 {20.}; 22,25 {21.}: -it(i) -ad; 4.Kön.
9,6 {23.}: -ad; 4.Kön. 6,12 {26.}: -ta), als dessen normale Entsprechung
jedoch sa-unǯ-e-, wörtlich "für den Ernteertrag bestimmt(er Ort)", gelten
kann (z.B. Mt. 6,6 DEC; Gen. 43,30; Ps. 104,30; Jes. 26,20 u.v.a.). Daß die
Verwendung von senaḳ- in diesem Sinne auf drei Bücher des AT beschränkt ist, während saunǯe- auch im NT und dort in allen Redaktionen
bezeugt ist, deutet auf eine textgeschichtliche Sonderstellung der betreffenden Bücher. Dabei ist zu erwägen, ob die Wahl von senaḳ- einer armen.
Vorlage anzulasten ist, die das anklingende arm. seneak hatte. Ohne weiteres kann dies für 3.4.Kön. gelten, wo im armen. Vulgatatext tatsächlich
seneak gebraucht ist; die Parallele würde sich hier in einen schon früher
aufgelisteten umfangreichen Katalog von Übereinstimmungen einreihen1
und hätte nicht erst die Mcxeta-Hs., sondern schon die durch die Ošḳi-Bibel repräsentierte frühe Rezension des georg. Textes betroffen, aus der
jedoch nur 4.Kön. 9,2 {22.} belegt werden kann (nach Ab.Wb.). Allerdings
ist in der armen. Bibel seneak nicht der alleinige Vertreter von gr.
ταμίειον; ihm steht vielmehr, sogar etwas häufiger, das Wort štemaran
gegenüber, das auch an den genannten Stellen in Ri. {4., 5.} erscheint. Da
seneak und štemaran aber im armen. Bibeltext sogar innerhalb einzelner
Bücher miteinander wechseln (z.B. Mt. 6,6 gegenüber 24,26; 2.Chr. 22,11
gegenüber 18,24; die georg. Bibel hat hier überall saunǯe-), ist nicht
undenkbar, daß dem georg. Ri.-Text eine andere armen. Redaktion als die
Vulgata zugrundeliegt, die nicht štemaran, sondern seneak verwendete. Die
in der Mcxeta-Bibel enthaltene Version des Buches Ri. zeigt auch sonst
deutliche armen. Einflüsse, unter denen die Vertretung von arm. miamōr (≈
gr. μονογενής) durch das vermutlich direkt aus diesem Wort stammende
georg. iamavr- herausragt (11,34 {55.}); μονογενής wird ansonsten meist
durch mxolod-šobil-, wtl. "(all)ein-geboren", wiedergegeben2. Nun erscheint arm. seneak innerhalb von Ri. selbst an zwei anderen Stellen,
nämlich 3,24 {57.} und 15,1 {58.}; hier hat nur die im Codex Vaticanus
enthaltene Septuaginta-Rezension (B) ταμίειον, der durch den Codex
Alexandrinus vertretene Zweig (A) verwendet hingegen κοιτών "Schlafgemach". Der georg. Text gebraucht sa-suen-eb-el-, wtl. "zum Ruhen dienend(er Ort)", das sonst die Normalwiedergabe von gr. κοιτών ist (z.B.
Joel 2,16), so daß sich der georg. Ri.-Text eher in die Nähe des Codex
Alexandrinus stellt; dies gilt aber auch für die armen. Vulgata, da arm.
seneak auch für gr. κοιτών die regelmäßige Entsprechung bildet: Man vgl.
z.B. Ex. 8,3 = 7,28 LXX {59.}, wo ebenfalls georg. sasuenebel- und
arm. seneak gr. κοιτών wiedergeben, während danebenstehendes gr.
ταμίειον wieder durch saunǯe- bzw. štemaran übersetzt ist. Der Einfluß des
griech. Texts in einer durch den Codex Alexandrinus repräsentierten Form
kann jedoch durchaus sekundär sein, da die hebr. Bibel an allen vier
Stellen in Ri. dasselbe Wort, nämlich חֶדֶר ḥeḏer "Kammer" hat; der
Einklang könnte über eine syr. Vermittlung in den anzunehmenden armen.
Grundtext eingedrungen sein (die syr. Vulgata hat an drei der vier Stellen
ܒܬܘܘܢܐ bə-taw(w)ānā "in der Kammer", in 15,1 jedoch ܠܩܝܛܘܢܐ lə-qayṭōnā
= gr. εἰς τὸν κοιτῶνα). In diese Richtung weist auch ein weiterer Beleg aus
dem 3. Buch der Könige:
2. Nur in 3.Kön. 20,30 (21,30 LXX {20.} ) steht senaḳ- für gr. κοιτών
"Schlafgemach", wobei es wiederum arm. seneak entspricht. Der Beleg ist
insofern bemerkenswert, als hier gr. ταμίειον gleich danebensteht und
ebenfalls durch senaḳ- / seneak wiedergegeben ist. Anders als im griech.
Text, in dem εἰς τὸ ταμίειον wie eine Glosse zu dem vorausgehenden εἰς
τὸν οἶκον τοῦ κοιτῶνος aussieht, hat das Georgische jedoch die Fügung
senaḳit senaḳad, die soviel wie "von Kammer zu Kammer" bedeutet; die
Fügung beruht offensichtlich auf dem seneak i senekē der armen. Übersetzung, das selbst genau syr. ܬܘܘܢ ܒܓܘ ܬܘܘܢ tawwān bəḡō tawwān (zu
ܬܱ)ܘ(ܘܳܢܳܐ taw(w)ānā "Inneres") und damit weiter hebr. חֶדֶר בְּחָדֶר
ḥeḏer bəḥāḏer reflektiert. Dieselbe Wendung kehrt noch zweimal, in 3.Kön.
22,25 {21.} und 4.Kön. 9,2 {22.}, wieder, wo jedoch auch die Septuaginta
doppeltes ταμίειον hat. Bemerkenswert ist im gegebenen Zusammenhang
noch die Stelle 2.Kön. 13,10 {60.}, wo die Septuaginta den in der hebr.
Bibel verwendeten alternierenden Formen הַחֶדֶר haḥeḏer und הֶחָדְרָה
heḥāḏrāh für "in die Kammer" wieder getrenntes εἰς τὸ ταμίειον und εἰς
τὸν κοιτῶνα gegenüberstellt. Hier steht der Text der Mcxeta-Hs. völlig
abseits, der nach dem ersten Satz abbricht und so nur die erste Fügung
übersetzt. Daß dabei nicht senaḳ- oder saunǯe-, sondern sasuenebel- verwendet ist, dürfte damit zusammenhängen, daß die Stelle innerhalb eines
Bereichs liegt, wo die Mcxeta-Hs. mit dem Text der Jerusalemer Bibel
übereinstimmt, die in den Büchern 1.2.Kön. durchweg einen "verkürzten"
Text bietet3, und für die ein armen. Einfluß deshalb von vornherein nicht in
Frage kommt. sasuenebel- für arm. seneak, gr. ταμίειον bietet die Mcxeta-Bibel außerdem noch, allerdings im Wechsel mit saunǯe-, in Tob. 7,15-8,4
{61.}; in 3.Kön. 1,15 {62.} fehlt ihr eine eigene Entsprechung für gr. ταμίειον bzw. arm. seneak, denen hier in der älteren Redaktion (IO) wieder
sasuenebel- gegenübersteht4, und in 3.Esr. 3,4 OM {49.} stehen georg.
sasuen-ebel- und arm. seneak ohne griech. Äquivalent da. Griech. κοιτών
wird bisweilen noch durch sa-c̣ol-, wtl. "zum Liegen dienend(er Ort)"
übersetzt wie z.B. Ez. 8,12 I {64.}, ohne daß ein Zusammenhang mit der
armen. Überlieferung erkennbar wäre.
3. Ebenfalls in 3.Kön. (16,18 {6.}: -sa) übersetzt senaḳ- in der Mcxeta-Hs. gr. ἄντρον "Höhle, Kellergewölbe (?)" an dessen einziger Belegstelle
in der Bibel. Auch hier deckt sich der Text wieder mit dem der armen.
Vulgata, die seneak hat. Für eine Begriffsbestimmung des in Frage stehenden Wortes gibt die singuläre Stelle nichts her.
4. Zu den bisherigen Belegen gesellt sich letztlich 4.Kön. 9,6 M {23.}:
-ad), wo georg. senaḳ- wie auch arm. seneak ausnahmsweise für gr. οἶκος
stehen, das sonst wie z.B. im gleich folgenden Vers regelmäßig durch
georg. saxl-, arm. town wiedergegeben ist. Die außergewöhnliche Vertretung dürfte darauf beruhen, daß hier εἰς τὸν οἶκον die kurz zuvor in 9,2
{22.} durch ταμίειον (s.o. 2.) eingeführte Örtlichkeit wiederaufnimmt.
Armen. seneak übersetzt gr. οἶκος noch zweimal in 1.Chr. (28,11 und 20
{65.}), wo der georg. Text wieder das übliche saxl- hat; diese beiden Fälle
dürften sich im Zusammenhang mit dem folgenden erklären:
5. Lediglich an zwei Stellen in den beiden Büchern der Chronik repräsentiert georg. senaḳ- in der Mcxeta-Bibel gr. παστοϕόριον im Sinne von
"Gemach, Kammer". Auch hier dürften wieder textspezifische Gründe
vorliegen, wobei auch hier eine armen. Grundlage in Frage kommt:
Παστοϕόριον ist in 1.2.Chr. mit 5 von 13 AT-Belegen zunächst überdurchschnittlich häufig vertreten; die übrigen Belege verteilen sich auf
1.Esr., 1.Makk. sowie die Propheten Jes., Jer. und Ez. Dabei ist die
Wiedergabe sowohl in der georg. wie in der armen. Bibel sehr uneinheitlich: Die letztere verwendet zweimal seneak, dann aber auch štemaran,
srskapan, spas, tačar und town; der georg. Text hat einmal senaḳ-, ansonsten ṭaʒar-, saxl-, dalič̣- und ḳert-sabmel-. Äquivalent ist die Wiedergabe
im Falle von arm. tačar / georg. ṭaʒar- in 3.Esr. (= 1.Esr. LXX, armen.)
8,58 {69.} sowie im Falle von town / saxl- im selben Buch (9,1 {70.});
ferner die von dahlič und dalič̣- in Jer. 35,4 = 42,4 LXX {71.}, der die
regelmäßige Entsprechung dahlič / ḳert-sabmel- in Ez. gegenübersteht
(s. dazu weiter s.v. dalič̣-). V.a. in 1.2.Chr. divergiert die Wiedergabe
auch innerhalb der beiden Sprachen erheblich, wobei auf der armen. Seite
noch Abweichungen zwischen den beiden vorliegenden Rezensionen zu
notieren sind. Dennoch gibt es gewisse Indizien für einen Zusammenhang:
In 1.Chr. 28,12 {36.} stimmt der georg. Text zunächst weitgehend mit dem
der armen. zweiten Redaktion (Ed. Xalatՙeancՙ) überein, die auch
tatsächlich seneak bietet; daß dabei von den im Kontext folgenden "Schatzkammern des Gotteshauses und der Heiligen" nur jeweils eine Kategorie
genannt ist (štemarankՙ T(ear̄)n A(stowco)y = ἀποϑῆκαι οἴκου κυρίου;
saunǯeta mat c̣midata = ἀποϑῆκαι τῶν ἁγίων), dürfte auf divergierenden
Textsprüngen oder Haplographien beruhen. Von der gegebenen Textstelle
ausgehend dürfte arm. seneak dann auch für gr. οἶκος in 1.Chr. 28,11 (und
das dieses kopierende 28,20 {65.}) eingedrungen sein. seneak für παστοϕόριον hat die armen. Bibel noch einmal im selben Buch (23,28 {66.}),
hier allerdings in der Vulgata-Redaktion (gegenüber srskapan in X); die
georg. Bibel bietet hier wie auch in 1.Chr. 9,26 {67.} ṭaʒar-5. Weniger
aussagekräftig ist der zweite Beleg von georg. senaḳ- in 2.Chr. (31,11
{28.}): Hier haben beide armen. Redaktionen štemaran, und hier ist es der
Vulgatatext, dem der georg. nähersteht. Für 2.Chr. könnten aber ähnliche
Bedingungen gelten, wie sie oben für das Buch Richter angenommen wurden6.
6. Mit dem unter 2. und 5. dargestellten Gebrauch stimmen die Belege
aus dem Martyrium der hll. Ripsime und Gaiane überein, wo mit senaḳ- das
"Schlafgemach des Königs" benannt ist; der Wortlaut deckt sich dabei
weitgehend mit dem des armen. Agathangelos-Textes, der im gleichen
Sinne seneak verwendet, während die griech. Version regelmäßig κοιτών
bietet7. Daß senaḳ- hierbei eventuell als fremd empfunden wurde, zeigt sich
an dem ersten Beleg (171,5 {11.}), wo das Wort durch hinzugefügtes sasuenebelisa- (-sa) "des zum Ruhen dienenden (sc. Lagers)" erläutert wird
(gegenüber arm. i seneakn arkՙowni = gr. εἰς τὸν βασιλικὸν κοιτῶνα).
Sollte dieses explikatorische Element vom Übersetzer beabsichtigt gewesen
sein, würde das für georg. senaḳ- auf eine nicht näher spezifizierte Grundbedeutung "Kammer, Zimmer" deuten; zu bedenken ist allerdings, daß
sasuenebelisa- hier anstelle eines zu erwartenden Äquivalents von arm.
arkՙowni "königlich" steht (dies wäre mepisa- "des Königs"), so daß auch
eine Textentstellung vorliegen kann.
7. Auf eine nicht näher spezifizierte innergeorg. Grundbedeutung "Kammer, Zimmer" weisen auch die Belege in dem Martyrium der hl. Šušaniḳ,
das bekanntlich als der älteste erhaltene georg. Originaltext überhaupt gilt
(5. Jh.). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Stelle 16,15 {8.}, wo
offenbar eine "kleine Kammer" (senaḳ-sa mcire-sa) dem "Frauengemach"
(galiaḳ-) im "Palast" (ṭaʒar-sa) gegenübergestellt ist. Der Wortlaut steht
damit in deutlichem Widerspruch zu dem der (jüngeren) armen. Version,
die gerade das Frauengemach mit seneak bezeichnet (vgl. z.B. Esth.
2,13 f. {75., 77.}, wo seneak gr. γυναικών entspricht; die Mcxeta-Bibel
hat hier sa-ded-o-, wtl. "der zur Mutter, Frau gehörige (sc. Ort)"), während
der "kleinen Kammer" ein tnik, wtl. "Häuschen", entspricht; in einem
weiteren Beleg ist sogar das diesem zugrundeliegende town "Haus" selbst
verwendet (gegenüber georg. senaḳ-sa; 17,20 {9.}). Dem arm. tnik als
Diminutiv zu town dürfte andererseits das ebenfalls im Šušaniḳ-Martyrium
(21,9 {88.}) erscheinende saxl-aḳ- "Häuschen" als Diminutiv zu saxl-
"Haus" entsprechen (der armen. Text hat an der betreffenden Stelle allerdings bant "Gefängnis"), das den vermutlich ältesten Beleg für ein mit
dem Suffix -aḳ- erweitertes echt-georg. Wort bildet8. An der dritten Belegstelle von senaḳ- im Mart.Šuš., der ein armen. Äquivalent fehlt (19,11 f.
{1.}), wird von einem "kleinen senaḳ-" in der Nähe einer Kirche gesprochen, womit der Text bereits in die Richtung der späteren Normalverwendung des Wortes weist:
8. Die überwiegende Mehrzahl der Belege in der hagiographischen und
homiletischen Literatur gebraucht senaḳ- als Bezeichnung der "Mönchszelle". Dies gilt zunächst für bodenständige Texte wie z.B. die Vita des
Grigol von Xanʒta (257,14 {30.} u.ö.), die Vita des Seraṗion von Zarzma
(335,19 {32.}), das Typikon des Grigol Baḳurianisʒe (0,10; 3,1 {31.}) oder
die Vita der Athonitenmönche (Io.Ep. 82,20 {13.}); es gilt, offenbar
unabhängig von der Sprache des jeweiligen Originals, aber auch für Übersetzungen wie z.B. die Schrift "De paenitentia" des Martyrius-Sahdona
(Mart.Mon. Poen. [M.Sc̣.] 167,36 {2.}; das syr. Original dieses Textes
wurde bei Garitte/Halleux, Mart.Mon. identifiziert), die Apophthegmen-Sammlung in der theophilischen Version ([A 1105], 25r {14.}; die unmittelbare Vorlage hierzu ist nicht bekannt), das "alphabetische Paterikon"
(Alph.Pater. 19,8 {16.}; auch hierzu fehlt die genaue Vorlage), das Martyrium des hl. Davit von Dvin (Mart. Dav.Dv. 129,5-11 {10.}), das Martyrium des hl. Nerse (Mart. Ners. 70,31 {29.}) sowie das Martyrium des hl.
Oski und seiner Gefährten (Mart. Osḳ. 16,1 {33.}). Auffällig ist dabei, daß
bei zweien der drei letztgenannten Texte, die sämtlich eine armen. Vorlage
haben, diese Vorlage nicht seneak, sondern xrčitՙ verwendet (Mart. Ners.,
Mart. Osḳ.); dies könnte — auch im Zusammenhang mit den oben unter 7.
behandelten Belegen aus Mart. Šuš. — darauf hindeuten, daß die Bedeutungsspezifizierung zu "Mönchszelle" bei georg. senaḳ- unabhängig vom
Armenischen erfolgt ist. Einen anderen Schluß gestattet aber das Martyrium des hl. Davitՙ von Dvin, wo auch der armen. Text seneak hat9: Da
diese Legende offenbar später entstanden ist als die beiden erstgenannten10, könnte der Gebrauch von seneak im Sinne von "Mönchszelle" Zeichen
eines jüngeren armen. Sprachgebrauchs sein, der dann auch für die Zeit der
georg. Übersetzung der Texte galt. Diese Annahme bedarf natürlich noch
einer eingehenden Überprüfung am armen. Material, zumal sie sich auf die
Datierung des Martyriums der hl. Šušaniḳ auswirken würde (keinen
Aufschluß über die Beleglage gibt das Ven.Wb., nach dem seneak
"Mönchszelle" "häufig" in V(a)rkՙ h(aran)cՙ, i.e. Heiligenviten, vorkommt:
seneakkՙ mianjancՙ, or ew xowł, xrčitՙ. Vrkՙ hcՙ. stēp:). — Daß die Bedeutung "Mönchszelle" im späteren Altgeorg. die Normalbedeutung geworden
ist, erweist sich auch an der Nebenform
sena-:
Ein erster Beleg dieses Wortstamms findet sich in der Vita des Epiphanius von Zypern (Saḳ.c̣. 2, 114,18 {38.}: -sa). Die Verwendung deckt sich
dabei genau mit dem oben unter 8. behandelten Gebrauch von senaḳ-,
insofern auch hier von einer "Mönchszelle" die Rede ist; in der gr. Version
der Vita steht das Wort κέλλη gegenüber. Mit der Datierung der Hs. Sin. 6,
in der der Text enthalten ist, auf die Jahre 981-983 (cf. Garitte, Cat.Sin.
15) deutet sich an, daß sena- eine jüngere Variante von senaḳ- ist; gleichzeitig ergibt sich sogar ein terminus ante quem für den Übergang des -aḳ-Stamms in einen -a-Stamm (vgl. dazu weiter die Ausführungen unter
danaḳ- und dana-). Bemerkenswerterweise erscheint im selben Text gleich
darauf auch eine Form des "vollen" Stammes senaḳ- (114,29 {15.}: -isa),
die die griech. Wortvariante κέλλιον wiedergibt. Dies legt den Schluß nahe,
daß beide Stämme nicht völlig bedeutungsgleich nebeneinander
weiterexistierten; hier scheint sich vielmehr eine semantische Differenzierung zu zeigen, bei der der -aḳ-Stamm als Diminutivbildung erhalten
blieb11. — Wesentlich problematischer ist der Beleg des Stammes sena-
innerhalb der "Königsliste" in der Č̣eliši-Redaktion der "Bekehrung
Georgiens" (Mokc.B 84,36-38 {41.}: -sa). Nimmt man den überlieferten
Wortlaut ernst, so müßte das Wort hier den Raum bezeichnen, in dem die
georg. Königin Nana von der hl. Nino bekehrt wurde ("in ihrer Kammer").
Gegen diese Interpretation scheint jedoch die ältere Redaktion des Textes in
der Šaṭberd-Hs. zu sprechen, die an der gleichen Stelle (Mokc.A 322,20
{41.}) eine andere Bildung verwendet, nämlich den Konsonantenstamm
sen-:
Unter diesem Stammansatz verzeichnen die georg. Wörterbücher zunächst ein Wort der Bedeutung "Krankheit, Übel, Leiden", dessen frühester
Beleg vermutlich an der Stelle Lk. 9,1 {103.} in der Xanmeṭi-Hs. A 844
vorliegt (-ta; ebenso DEC); mit zahlreichen weiteren Belegen in der Bibelübersetzung sowie hagiographischen und homiletischen Texten kann das
Wort als Normalwiedergabe von gr. νόσος gelten. Es fragt sich also, ob in
der genannten Passage der "Bekehrung Georgiens" nicht ebenfalls eher eine
"Krankheit" gemeint ist, von der die georg. Königin Nana befallen war, als
sie bekehrt wurde (sen-sa "in, sc. ihrer, Krankheit"12). Tatsächlich wird im
Text der gegenüber der "Königsliste" wesentlich ausführlicheren Nino-Legende sowohl in der Fassung der "Mokcevay Kartlisay" selbst (Mokc.A
340,21-23 / B 131,3-15 {41a}) als auch in den Bearbeitungen durch Leonṭi
Mroveli (L.Mr. [K.Cx.1] 104,7 ff. {41b}), Arsen Beri u.a. (Nino A 25,28
ff.; Nino B 65,1 ff.) ausdrücklich von einem "Leiden" der Königin Nana
gesprochen, dessen Heilung durch Nino den Anlaß für die Bekehrung
gebildet habe. Dennoch ist die Möglichkeit nicht völlig von der Hand zu
weisen, daß die Č̣eliši-Redaktion mit sena-sa "Kammer" als lectio difficilior
den ursprünglichen Wortlaut bewahrt haben könnte. Daß die Bekehrung in
einer "Zelle" stattgefunden habe, wird zwar durch keinen weiteren georg.
Textzeugen bestätigt, in denen vielmehr übereinstimmend von einem
"Lager" (L.Mr.: saq̇opelsa) der Nino "in den Brombeeren" (Mokc. AB:
maq̇ulovansa mas šina; L.Mr.: kueše maq̇ulisasa) die Rede ist. Von einer
"Zelle" wird jedoch in der Kirchengeschichte des Tyrannius Rufinus gesprochen ([PL 21] 481 A {41c}: ad .. cellulam), die sich durch deutliche
Anzeichen (z.B. die Gleichung georg. ḳiliḳ- = lat. cilicium "Sitzteppich, Kissen") zumindest für die Bearbeitung durch Leonṭi Mroveli als Quelle zu
erkennen gibt13.
Auch für den Konsonantenstamm sen- selbst scheint eine Verwendung in
der Bedeutung "Kammer, Zelle" nachweisbar zu sein. In diesem Sinne
äußert sich I. Abulaʒe14, der mit der Form sen-i (Nom.-Akk.) in einem
Makarius dem Ägypter zugeschriebenen Apophthegmaton, das in dem von
ihm unter dem Titel Mamata Sc̣avlani, i.e. "Lehren der Väter", herausgegebenen Textkonvolut enthalten ist (M.Sc̣. 314,15 {40.}), einen eindeutigen
Beleg vorlegt. Mit sen- dürfte dabei eine "Schatzkammer" gemeint sein,
wie sich an dem danebenstehenden daunǯebuli "mit Schätzen angefüllt"
zeigt; die Stelle gesellt sich also nahe zu den unter 1. behandelten Belegen
von senaḳ-, wo das Wort mit sa-unǯ-e- wechselt, das über klare Wortbildungsregeln mit da-unǯ-eb-ul- zusammenzustellen ist. In der gleichen Hs.
ist daneben auch der Stamm senaḳ- bezeugt (Mart.Mon. Poen. 167,36 {2.},
s.o. unter senaḳ-, 8.), der wieder eine "Mönchszelle" bezeichnet; es erscheint also denkbar, daß sen- als Variante von senaḳ- mit der älteren
Grundbedeutung "Kammer" beibehalten blieb, während sich die Bedeutung
von senaḳ- auf "Mönchszelle" einengte. Als weiteren Beleg notiert Abulaʒe die Form sen-eb-i aus dem Vepxisṭq̇aosani (822b {42.}), wo der
Kontext mit ġarib- "Einsamer" und saxl- "Haus, Behausung" eindeutig
wieder auf eine Bedeutung "Mönchszelle" weist.
Ob ein suffixloser Konsonantenstamm sen- in der Bedeutung "Kammer,
Zelle" damit allerdings genügend abgesichert ist, muß mangels weiterer
Belege offenbleiben. Zu beachten ist zunächst für das Textstück aus Mart.Mon. Poen., daß es nicht in allen Hss., die Abulaʒe seinen "Mamata
sc̣avlani" zugrunde gelegt hat, enthalten ist; die Form seni könnte also auf
einer Verschreibung von *sena als jüngerer Form des Nominativs zum -a-Stamm sena- beruhen. Für das sen-eb-i des Vepxisṭq̇aosani ist zu bedenken,
daß der Kollektivplural auf -eb- hier sogar selbst zu dem -a-Stamm sena-
gehören kann. Ob neben sena- ein gleichbedeutender Konsonantenstamm
sen- existiert hat, der immerhin gerade von dem zweideutigen Kollektivplural sen-eb- aus bezogen worden sein könnte, bleibt deshalb fraglich. —
Eine besser abgesicherte Variante des -a-Stamms sena- ist die Bildung
sene-:
Dieses Wort, das im heutigen Dialekt der Xevsuren lebendig ist, bezeichnet einen "speziellen Raum, der zur Aufbewahrung von Milch(produkten)" dient, und der "nicht in jedem Haus vorhanden" ist15. sene,
neben dem auch sena offenbar noch weiterexistiert16, läßt sich also ebenfalls mit den oben unter 1. genannten Belegen von senaḳ- vereinbaren, wo
dieses soviel wie "Vorratsraum" bezeichnet. Ob der Stamm sene- als
dialektale Variante von sena- aufgrund lautlicher Gegebenheiten (*-ay >
-e ?) oder wiederum durch eine Metanalayse zweideutiger Formen wie des
Kollektivpluralstamms sen-eb- entstanden ist, muß offenbleiben.
Mit den zuletzt behandelten Verwendungen von senaḳ- und seinen jüngeren Varianten stimmen einige Ableitungen überein, die aufgrund geläufiger innergeorg. Regeln gebildet sind. Es handelt sich zunächst um das
Adjektiv
sen-ian-:
Mit dem Suffix -ian- bildet das Georgische regelmäßig Possessivadjektive der Bedeutung "x-haltig, mit x versehen"17. In genau dieser Verwendung
ist sen-ian- in einer Urkunde aus Niḳorc̣mida belegt (Žordania, Kroniḳ.
2,46 {43.}: -i18), wo es neben dem entsprechend gebildeten kored-ian-
"mit Stockwerk(en) versehen" die Eigenschaft eines Hauses bezeichnet;
gemeint ist offenbar soviel wie "mit (zahlreichen) Kammern ausgestattet".
mo-senaḳ-e-:
Dieser mit dem Circumfix mo--e- gebildete Stamm begegnet zweimal in
der Vita der beiden Athonitenväter Ioane und Eptwme (Io.Ep. 36.: 83,21-27 {47.}: -ni-ca bzw. -ta), allerdings nur in zwei jüngeren Handschriften (D = A 176, H = H 1413). Besser überliefert ist demgegenüber die
Stammgestalt
mo-sena-e-:
Diese ist in allen übrigen Handschriften bezeugt, die die Vita enthalten19. Beide Bildungen erweisen sich unter dem oben gesagten als parallel,
indem mo-senaḳ-e- das ältere senaḳ-, mo-sena-e- hingegen das jüngere (und
für die Abfassungszeit der Athonitenvita im 11.Jh. übliche) sena- zur
Grundlage hat. Die Bedeutung der beiden Ableitungen kann mit "einsiedelnder Mönch" (Peeters: "anachoreta") wiedergegeben werden; sie
stellen sich damit ihrer Bildeweise gemäß als Nomina personae "der in
einer Mönchszelle lebende, durch eine Mönchszelle charakterisierte, sc.
Mensch" dar, gehen also von der Normalbedeutung "Mönchszelle" aus, die
für senaḳ- bzw. sena- für die fragliche Zeit herausgearbeitet werden konnte. Im gleichen Sinne zu beurteilen ist auch die in derselben Epoche bezeugte Weiterbildung
mo-senaḳ-e-ob-a-:
Als Verbalnomen eines intr. Zustandsverbs der Bedeutung "einsiedelnder Mönch sein, sich wie ein einsiedelnder Mönch verhalten" begegnet
diese Bildung zweimal in dem Typikon des Bačkovo-Klosters (in der
Überschrift zum Abschnitt 4 sowie im Inhaltsverzeichnis, 0,6:4. {46.}: -is-a-gan). Wie bereits das zugrundeliegende mo-senaḳ-e- ist mo-senaḳ-e-ob-a-
völlig durch innergeorg. Wortbildungsregeln erklärbar.
Von größerer Aussagekraft im Hinblick auf die ursprüngliche Bedeutung
von georg. senaḳ- wie auch arm. seneak ist demgegenüber die folgende
Ableitung, die nicht im Georgischen selbst zustande gekommen sein kann:
senaḳaṗan-:
1. Das Wort begegnet zunächst zweimal in dem (apokryphen) Buch Esra
Zorobabel (3.Esr. / 1.Esr. LXX armen.) in der Oški- und der Mcxeta-Bibel
(3,4 {49.}; 16 {50.}). Obwohl der Wortlaut an beiden Stellen sowohl von
dem der Septuaginta als auch dem der armen. Bibel abweicht, läßt sich
doch wahrscheinlich machen, daß ein armen. Einfluß vorliegt, wie er auch
in anderen Zusammenhängen für das in Frage stehende Buch festgestellt
wurde (s. z.B. s.v. nax(a)ṗeṭ-), und daß georg. senaḳaṗan- mit arm.
senekapan "Leibwächter" gleichzusetzen ist: Der griech. und der armen.
Text stimmen im Unterschied zum georg. darin überein, daß nur an der
ersten der beiden Stellen von drei "Leibwächtern" die Rede ist (σωματοϕύλακες / senekapankՙ), die als "junge Männer" apostrophiert werden
(νεανίσκοι / patanikՙ); an der zweiten Stelle sind dieselben Personen
gemeint, sie werden jedoch lediglich durch die letztere Eigenschaft bezeichnet. Die georg. Version unterschlägt in beiden Fällen das Äquivalent des
gr. νεανίσκοι und muß auf die drei Männer deshalb wieder über ihre
Funktion, eben als "Leibwächter", referieren. Wie auch immer der Verlust
der Information, daß diese "junge Männer" waren, zu erklären ist, deckt
sich der georg. Text ansonsten aber völlig mit dem armen., wo dieser von
der Septuaginta abweicht; so v.a. in der Auslassung der Apposition οἱ
ϕυλάσσοντες τὸ σῶμα τοῦ βασιλέως, die im griech. Text gleichsam eine
Glosse für σωματοϕύλακες darstellt (3,4 {49.}). Bemerkenswert ist dabei,
daß das in der armen. Variante des Relativsatzes erscheinende i seneki "im
Schlafgemach" im georg. Text nicht durch senaḳ-, sondern durch sasuenebel- wiedergegeben ist. Hier mag sich die bereits oben unter 7. für das
Mart.Šuš. beschriebene Bedeutungsdivergenz zwischen georg. senaḳ- und
arm. seneak ausgewirkt haben, wonach gerade die Konnotation eines
"Schlafgemachs" für das georg. Wort nicht (mehr) aktuell war. Für senaḳaṗan- gab es einen solchen "Konnotationskonflikt" offenbar nicht, wie sich
daran zeigt, daß das Wort in einer den genannten Bibelzitaten nahekommenden Bedeutung gerade in der Šušaniḳ-Legende belegt ist (20,11 {51.});
leider fehlt auch hier in der armen. Version die entsprechende Aussage.
2. Einen deutlichen armen. Einfluß zeigt auch die einzige Belegstelle des
Wortes im NT, nämlich Apg. 12,10 {52.}. Hier ist die Rede von einem
gew. Βλάστος ὁ ἐπὶ τοῦ κοιτῶνος τοῦ βασιλέως, der in den verschiedenen
Redaktionen des georg. Texts in zwei deutlich unterschiedenen Weisen
benannt wird: Während die jüngere Redaktion (CD) die griech. Apposition
systemgerecht durch einen Relativsatz wiedergibt (vlasṭons, romeli iq̇o
sasuenebelsa zeda mepisasa "V., der über dem Schlafgemach des Königs
`war'"), verwenden die Exponenten der älteren Redaktion (ABS) die Fügung senaḳaṗant(a) mtavar- bzw. moʒġuar-, wtl. "Oberhaupt" bzw. "Anführer der Leibwächter", hinter der sich offensichtlich das im armen. Text
erscheinende senekapet verbirgt: senekapet, wtl. "Haupt des Schlafgemachs", kann ja ohne weiteres als Klammerkompositum für ein — allerdings offenbar nicht selbst bezeugtes — *senekapanapet aufgefaßt werden,
das durch die georg. Fügung mit mtavar- bzw. moʒġuar- für -pet in üblicher Weise repräsentiert wäre20. Daß eine solche Bildung im Armenischen
möglich war, erweist das gleichbedeutende pahpanapet, das in Esth. 2,21
{84.} für gr. ἀρχισωματοϕύλαξ steht und seinerseits auf dem z.B. in Jud.
12,6 {85.} verwendeten pahapan für gr. σωματοϕύλαξ aufbaut; und daß
senekapet ein senekapan voraussetzt, wird deutlich an Jud. 14,8 {86.}
(= 14,11 georg.), wo es selbst ebenfalls einfachem σωματοϕύλαξ entgegensteht, möglicherweise also auf einer Verwechslung beider Wörter beruht (s.
dazu weiter unter azraṗeṭ- und den dort aufgeführten Belegen aus Mart.Theod., wo die armen. Überlieferung zwischen senekapet und senekapan
schwankt). An den drei letztgenannten AT-Stellen zeigt sich letztlich auch,
daß georg. senaḳaṗan- in der Bibelübersetzung ohne armen. Einfluß nicht
zu erwarten wäre, da hier statt dessen die genuinen Bildungen mqmilav-
bzw. mtavar- mqmilavta- (zu -q(u)mil- "wachen", vgl. 3.Esr. 3,4 {49.}),
mcvel- (zu -cv- "id.") sowie me-sasuenebl-e- (zu sasuenebel-
"Schlafgemach") erscheinen21. — Angesichts des o.g. Belegs im Mart.Šuš.
(20,11 {51.}) muß vorerst fraglich bleiben, ob das Vorhandensein von
senaḳaṗan- generell ein ausreichendes Indiz für eine armen. Textvorlage ist;
die gleiche Frage knüpft sich auch an den einzigen weiteren Beleg für die
Fügung senaḳaṗant mtavar-, der in dem Bericht von der Zerstörung
Jerusalems zu verzeichnen ist (Exp.Jerus. 82,11 {53.}), da auch für diesen
Text eine armen. Vorlage bisher nicht zur Debatte steht (auch die arab.Vss.
des Textes geben an der gegebenen Stelle keinerlei Hinweis). Allerdings
kann weder für die georg. "Expugnatio Hierosolymae" noch auch für die
Šušaniḳ-Legende ein armen. Original ausgeschlossen werden22. Dasselbe
gilt weiter für den Belegkontext der Ableitung
senaḳaṗn-ob-a-:
Dieses Abstraktum, das bisher nur aus dem in den Hss. Ath. 11 und
Jer. 17 enthaltenen, dem Joh. Chrysostomus zugeschriebenen Text "Über die
Erzengel" belegbar ist {54.}, dürfte etwa mit "Leibwächterschaft" zu
übersetzen sein. Nur in der ersteren Hs. ist das Wort in seinem Kontext
kopulativ mit msaxureba- "Dienst, Dienerschaft" zusammengestellt, so daß
sich die Frage ergibt, ob dieses hier eventuell als Explicans von senaḳaṗn-ob-a- in den Text gelangt ist. Mutmaßungen über eine armen. Vorlage des
Textes, der offenbar völlig ohne Parallelversion dasteht, wären übereilt.
Setzt man mit Leroy, Compp. -pet [AIPHOS 15], 125 voraus, daß es
sich bei arm. senekapan und -pet tatsächlich um kompositale Weiterbildungen zu seneak handelt, so werfen diese beiden Termini entscheidendes
Licht auf die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung des hinter arm.
seneak und georg. senaḳ- steckenden Etymons, insofern sich hier ein
eindeutiger Bezug zu der oben unter 1. und 2. behandelten Verwendung
von senaḳ- bzw. seneak für "Schlafgemach" zeigt; der aufgrund der Beleglage ebenso gut abgesicherte Gebrauch im Sinne von "Vorratsraum"
oder "Mönchszelle" ist demgegenüber mit der durch senaḳaṗan- bzw.
senekapan bezeichneten Funktion eines "Leibwächters" nur schwer zu
vereinbaren. Auf der Grundlage einer Bedeutung "Schlafgemach" läßt sich
dann auch durchaus ein etymologischer Anschluß für senaḳ- bzw. seneak
finden, deren Herkunft bisher weithin als "unbekannt" galt23.
Während Leroy, l.c. arm. seneak noch ausdrücklich unter die Wörter einordnete, die als "premier terme non iranien" Komposita mit -pet bilden,
schlug zuerst M. Androniḳašvili sowohl für die Simplicia seneak und
senaḳ- als auch für die Komposita senekapan und senaḳaṗan- eine miran.
Herleitung vor: Sie ging von einem mpers. Grundwort *sēnak aus, das
durch npers. sīna "Brust", oss.-digor. sinæg "Seite", kurd. sing "Brust"
vertreten sei; weder *sēnak noch seine Weiterbildung *sēnakpān seien
jedoch im Mittelpersischen selbst bezeugt (Narḳv. 369 f.24). Auch hier soll
im folgenden eine iran. Etymologie vertreten werden, die allerdings in
entscheidenden Punkten von Androniḳašvilis Vorschlägen abweicht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der mpers. Vorläufer der durch
npers. sīna "Brust" vertretenen Sippe wahrscheinlich doch bezeugt ist. Er
begegnet zunächst offenbar im Frahang-ī Pahlavīk (Ed. Nyberg: XXX.,
20.: 30,5; ed. Junker, XXXI: 67,3); das Wort, das in den Varianten
<synk̍> und <synwk> (Junker, Anm. 21: U2, U4, U5) überliefert ist,
glossiert an der gegebenen Stelle ein Lemma <bty՚>. Nun ist ein semit.
Wort für die "Brust", das sich hinter <bty՚> verbergen könnte, m.W. nicht
bekannt; für das Aramäische kann ich in der gleichen Bedeutung aus
Segert, Aaram. Gramm. nur חָדֵה ḥādeh (533) und חבא <ḥb՚> (189:
fraglich; aus der Hadad-Inschrift) anführen. Nyberg rekonstruiert ein
aram. "*baṭṭayā breasts(?)", das er fragend mit dem semit. Wort für "Ente",
arab. baṭṭ, syr. baṭā identifiziert ("orig. `duck'?"). Wesentlich leichter
erscheint mir demgegenüber jedoch eine Gleichsetzung mit aram. <bṭn>,
dessen Bedeutung allerdings nicht mit "Brust", sondern mit "Bauch"
anzugeben ist (Segert, 528), und das hebr. בֶּטֶן beṭen "Leib, Bauch,
Mutterleib", syr. ܒܛܶܢ bəṭen, arab. baṭn "id." entspricht. Darüber hinaus ist
ein mpers. <synk̍> noch aus dem Frahang-ī ōīm zu notieren (F. 186) wo es
das avest. hapax legomenon pasānō glossiert, das von Klingenschmitt
überzeugend als Wort für "Brust" erklärt wird (Frahang, 67).
Weitere Belege für ein mpers. <synk̍> weisen eher auf eine Bedeutung "Hinterbacke, Keule".
Dabei tritt das Wort in Konkurrenz mit dem sehr ähnlichen <slynk̍> auf, das nicht etwa als
Schreibvariante abgetan werden kann: Mpers. <slynk̍> erscheint zunächst in der PÜ zu Vd.
8,57; 58; 9,20, wo es avest. sraonīm "Hinterbacke" übersetzt; daneben tritt in Vd. 8,57 f. in
BU (Ms. der Bombay Univ. Libr. o. Kol.) und in Vd. 9,20 in IM (Iran. Ms. v. AD 1585) und
DJE (Ind. Ms. v. 1825) die nur unwesentlich abweichende Graphie <slnk̍> auf. In einen
engeren Zusammenhang mit den genannten Stellen gehört wiederum eine Angabe im Frahang-ī
ōīm (195 K), wo avest. sraoni (offenbar Nom./Akk.Du.) durch <slynwk> glossiert ist25. Die
Lesart <synk̍> ist demgegenüber in Vd. 9,20 in den Hss. BU, DJJ (Ms. v. 1767), DJR (Ms.
v. 1823) sowie in den Ausgaben von Sanjana (1895: DPS) und Spiegel zu verzeichnen;
außerdem auch in Vd. 6,20, wo das avest. sraoni.masaŋhəm "von der Größe einer s." in den
meisten Hss. durch <synk̍ ms՚y> wiedergegeben ist26. Von der Äquivalenz der beiden Wortformen ausgehend schlägt G. Klingenschmitt vor (o.c. s.v.), <slynk> und <synk> etymologisch miteinander zu identifizieren; die erstere Form, die sich in npers. surīn wiederfinde,
entspreche avest. sraoni-, die letztere repräsentiere die südwestiran. Variante von *ćrauni-, die
im Apers. *çauni- gelautet haben müsse. Angesichts von npers. pīr "alt; Greis", das über ein
dem jav. paoiriia- entsprechendes *paurii̯a- auf uriran. *paru̯ii̯a- < urindoiran. *pṝu̯ii̯a-
zurückgehen dürfte, erscheint die anzunehmende lautliche Entwicklung von *ćrauni- zu mpers.
srēn- > npers. surīn bzw. von apers. *çauni- zu mpers. sēn- gerechtfertigt: Der Wandel im
Vokalismus wäre dabei auf den Einfluß des *-i- der Folgesilbe zurückzuführen, während die
npers. Variante surūn eine (dialektale ?) Form ohne "Umlaut" darstellen müßte.
Angesichts der Bedeutungsdivergenz bleibt jedoch fraglich, ob mit dem mpers. <synk̍> als
Entsprechung von avest. *sraoni- "Hinterbacke" auch das <synk̍> des Frahang-ī Pahlavīk sowie
npers. sīna "Brust" identisch sein können, oder ob hierfür nicht eher ein eigenes, homonymes
Wort vorliegt. Da ein miran. *sēnak in der Bedeutung "Brust" in Verbindung mit avest. saēni-
"Spitze, Wipfel" (und dem Kompositum saēni.kaofa- "spitzhöckerig", vom Kamel) ebenfalls
eine geeignete und weitgehend akzeptierte etymologische Basis hat27, ist die letztere Annahme
vorzuziehen.
Weder mit miran. *sēnak "Brust" noch mit einem gleichlautenden Wort
der Bedeutung "Hinterbacke" können arm. seneak und georg. senaḳ- jedoch
sinnvoll verknüpft werden, da die Bedeutungsdivergenz zwischen den
Körperteilbezeichnungen und einem Begriff wie "(Schlaf-) Kammer"
schlichtweg unüberbrückbar ist28. Zu erwägen ist jedoch, ob sich hier nicht
eine im Iranischen selbst nicht mehr erhaltene Ableitung der Verbalwurzel
*sī- < *ḱiH- "liegen" erhalten hat29. Zu denken wäre zunächst an eine airan.
Bildung *sai̯ana-, die dem aind. śáyana- "Bett, Lager" (z.B. AV 3,25,1
{108.}: śáyane) entsprechen würde; von einer solchen Bildung aus wäre
eine Weiterbildung mit -k-Suffix ohne weiteres akzeptabel. Die lautliche
Entwicklung des inlautenden -ai̯a- zu einem miran. Monophthong -ē- wäre
regulär und mit Beispielen wie dem in arm. šēn "Bau" und georg. šēn-eb-a-
"bauen" vertretenen *šēn- < *šai̯ana- "Gebäude" vergleichbar; arm. seneak
würde dabei allerdings die jüngere Wiedergabe durch -e- (statt -ē-)
repräsentieren. Problematisch bliebe lediglich die in arm. seneak vorliegende und von senekapan und -pet vorausgesetzte Lautfolge -ea-, die auf ein
miran. *sēniyak zurückweist. In diesem Zusammenhang gewinnt die georg.
Lautung an Bedeutung, da sie gerade in diesem Punkt nicht mit der armen.
übereinstimmt. Daß ein das miran. -ii̯ak- repräsentierendes -iaḳ- im
Georgischen Bestand gehabt hätte, lassen Wortformen wie galiaḳ- ≈ arm.
gałeagr "Käfig" oder maniaḳ- ≈ arm. maneak "Halsband" erwarten, die
allerdings auf griech. Etyma zurückzugehen scheinen (γαλεάγρα bzw.
μανιάκης; s. dazu weiter unter mehevand-). Will man nun nicht das Nebeneinander zweier gleichbedeutender miran. Bildungen *sēnak und *sēniyak (< airan. *sai̯ana-ka- und *sai̯an(i)i̯a-ka-) akzeptieren, so ließe sich
das Dilemma eventuell durch die Annahme lösen, daß das arm. seneak (und
die von ihm weitergebildeten senekapan und -pet) den sekundären
Einfluß eines anderen Wortes auf -eak- zeigen könnten. Für die hier vorgeschlagene etymologische Verknüpfung von arm. seneak und georg. senaḳ-
spricht in jedem Fall, daß die oben unter 2. behandelte semantische
Äquivalenz der beiden Wörter mit griech. κοιτών sich so über eine Wurzelidentität (uridg. *ḱiH- / ḱeiH- / ḱoi(H)-) auch auf den etymologischen
Bereich erstrecken würde.
Im gegebenen Zusammenhang eröffnet sich letztlich die Möglichkeit,
auch das georg. sen- in der Bedeutung "Krankheit, Leiden" (s.o.) mit der
Sippe um senaḳ- etymologisch zu verknüpfen: Ausgehend von einer Grundbedeutung "(Bett-)Lägerigkeit" könnte auch dieses Wort auf ein iran. *sēn-
< *sai̯ana- zurückgeführt werden, das als Nomen actionis "Liegen" regulär
von der Verbalwurzel *sī- < *ḱiH- gebildet wäre. Allerdings läßt sich eine
solche Herleitung weder durch innergeorg. noch durch außergeorg. Anschlüsse stützten. Problematisch bleibt auch die Synkopierung des
inlautenden -e- in der Ableitung sn-eul- "krank" (z.B. Mt. 4,24 {105.} für
κακῶς ἔχοντες in "figura etymologica" mit sen- ≈ νόσος), der etwa die
Bildung šen-eul- "deinig" zu šen "du" gegenübersteht30. Die Alternative,
daß sen- — etwa als Abstraktum mit Präfix s- zu einer ansonsten nicht mehr
lebendigen Verbalwurzel *-n- — ein autochthones georg. Wort ist, bleibt
also bestehen.
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