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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.
Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition,
published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.
Jost Gippert
Iranica
Armeno-Iberica
Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen
danaḳ-:
1. In der Bibelübersetzung mehrfach Bezeichnung einer schwertartigen
Waffe als Entsprechung von gr. μάχαιρα. In dieser Funktion konkurriert
danaḳ- mit maxwl- "kurzes Schwert", eigentlich ein Adjektiv der Bedeutung "scharf", und qrmal- "Dolch", wobei maxwl- bei weitem am häufigsten
gebraucht ist; die beiden letzten Wörter dienen daneben auch zur
Wiedergabe von gr. ϱομϕαία "Schwert". Weder der einzige Beleg im NT
(Lk. 22,38 {1.}) noch die fünf Belege im AT (Gen. 22,6 {2.}; Jos. 24,31
M {3.}; Jos. 5,2; 3 {11.}; 21,42 {12.}) lassen einen Grund für die Wahl
von danaḳ- erkennen; in allen betreffenden Texten kommt daneben, oft
sogar im engsten Kontext (z.B. Lk. 22,36 {49.}; 49 {46.}; Gen. 22,10
{47.}), das übliche maxwl- vor. Auch die armen. Bibel gibt keinen Aufschluß; hier herrscht ein ebenso unvermittelter, mit den georg. Verhältnissen
jedoch nicht koinzidierender Wechsel zwischen sowr, das ebenfalls
eigentlich ein Adjektiv der Bedeutung "scharf" ist und damit genau dem
georg. maxwl- entspricht, und sowser, das als Entlehnung aus dem Parthischen gelten kann1. Auffällig ist bei den AT-Belegen allenfalls die Häufung im Buch Josua, wo viermaligem danaḳ- nur einmal maxwl- gegenübersteht (10,11 {48.}; keine georg. Entsprechung hat μάχαιρα in 19,48).
Das könnte auf eine eigene Stellung dieses Buches innerhalb der georg.
Bibelrezeption weisen; vgl. dazu z.B. das unter avan- gesagte. Da für das
Buch Josua bisher nur der Text der Mcxeta-Bibel ediert ist, muß eine
solche Folgerung allerdings als verfrüht gelten. Festzuhalten bleibt, daß sich
eine semantische Differenzierung zwischen danaḳ- und maxwl- aus den
Bibelstellen nicht erweisen läßt. Dasselbe gilt auch für den folgenden
Beleg:
2. In 3.Kön. 18,28 {8.} gibt danaḳ- gr. σειρομάστης wieder und scheint
damit eine vom bisherigen relativ weit abweichende Bedeutung "Lanze" zu
haben; dies zeigt sich auch in der armen. Bibel, die hier wie auch sonst
gełardn "Lanze" verwendet. An den übrigen drei Belegstellen von σειρομάστης (Num. 25,7, Joel 3,10 = 4,10 LXX {53.}; 4.Kön. 11,10 {54.}) erscheinen mit laxuar- und (h)orol- auch in der georg. Übersetzung Wörter,
für die eine Bedeutung "Lanze" als gesichert gelten kann (s. dazu weiter
unter nižogar-, ṗaṭnez- und vazr-: mazraḳ-). Es fragt sich jedoch, ob die
Stelle für die Bedeutungsbestimmung von danaḳ- überhaupt relevant ist.
Bemerkenswerterweise steht das Wort hier nämlich neben maxwl-
"Schwert", das selbst wieder gr. μάχαιρα vertritt. Dies legt eine andere
Erklärung nahe: Dem Übersetzer der Stelle war die Bedeutung des seltenen
σειρομάστης möglicherweise nicht geläufig; er könnte deshalb hinter den
beiden durch καί verbundenen gr. Wörtern Synonyma (im Sinne eines
Hendiadyoin) vermutet haben, die er in seiner Übersetzung folgerichtig
durch zwei georg. Synonyma wiedergab. Um für danaḳ- eine Bedeutung
"Lanze" zu konstatieren, reicht der eine Beleg jedenfalls nicht aus.
3. Keine genaueren Rückschlüsse auf die Art des durch danaḳ- bezeichneten Schneidewerkzeugs gestatten die Belege im Hexaemeron des Basilius
v. Caesarea (134,17 {4.}) und in der Vita Sabae (84,27 {5.}), wo das Wort
wiederum gr. μάχαιρα entgegensteht, sowie eine Passage in der Vita Symeonis (305,18 {6.}), wo mit einem danaḳ- Fleisch geschnitten wird; hier
benennt der griech. Text das zum κόπτειν verwendete Instrument nicht.
4. Nicht ganz klar ist eine Stelle im Martyrium des hl. Gobron, wo in
einer Ausdeutung von Jes. 11,6 f. die beiden Hörner eines Stiers mit zwei
danaḳ- verglichen werden (179,28 {13.}). Die or-ta mat danaḳ-ta werden
hier durch ein in den Hss. meist abgekürzt geschriebenes Gen.-Attribut
näher spezifiziert, das die Herausgeber in der Form saxierebisata, i.e. "der
Güte" auflösen, ohne jedoch einen Hinweis auf das damit Gemeinte zu
geben. Da eine Wendung wie "die zwei Schwerter der Güte" m.W. sonst
nicht belegbar ist, schlage ich vor, statt saxierebisata saxarebisata zu lesen,
was in zwei jüngeren Hss. (GI) auch tatsächlich steht; es würde sich dann
um "die zwei Schwerter des Evangeliums" handeln und wäre als eine
Anspielung auf die o.b. Stelle Lk. 22,38 {1.} aufzufassen.
5. Eine genauere Bedeutungsbestimmung gestattet erst der Beleg in der
"Expugnatio Hierosolymae" (25,18 {9.}: -ita), wo nebeneinander wiederum
maxwl-, laxuar- und danaḳ- als die Waffen genannt werden, durch die die
belagerten Bewohner Jerusalems in einer Entscheidungsschlacht den Tod zu
finden erwarten. Dem Wortlaut der georg. Fassung steht der der arab.
Redaktion A (Sin. 428) am nächsten, die mit saif, ḥarba und sikkīn ebenfalls drei Waffen anführt; dem georg. danaḳ- entspricht dabei sikkīn,
dessen Bedeutung gemeinhin mit "Messer" angegeben wird. Da gleichzeitig
auch saif als "Schwert" und ḥarba als "Lanze" genaue Gegenstücke zu
georg. maxwl- und laxuar- bilden, scheint dies für danaḳ- eine Interpretation als "Messer" nahezulegen; die Übersetzung "per securim" bei Garitte
(Ed. 17,15) ist jedenfalls zumindest fragwürdig. In der gegenüber dem
georg. Text wesentlich kürzeren zweiten arab. Fassung des Berichts erscheint hingegen nur alleiniges as-saif "das Schwert" (B bzw. 150,4 Ed.
Couret = 145b: 5,21 f. Ed. Marr); die übrigen Redaktionen (V / C
bzw. Ed. Peeters, 20, 12-13) enthalten nichts Vergleichbares.
6. In eine ähnliche Richtung für das semantische Verhältnis zwischen
danaḳ- und maxwl- "Schwert" weist auch die Vita der georg. Athoniten
Ioane und Eptwme, wo die Ermordung zweier Schüler des letzteren geschildert wird: Während die Waffe im Text der eigentlichen Vita durch
maxwl- bezeichnet ist, spricht die synaxarische Version zunächst von einem
"sehr großen danaḳ-" (59,32 {7.} bzw. 60,8 {10.}), geht dann aber selbst
ebenfalls auf den Terminus maxwl- über (60,12 {10.}). Wenn man die
Größenangabe nicht für eine einfache Ausschmückung halten will, läßt sich
auch hieraus folgern, daß die durch danaḳ- bezeichnete Waffe kleiner als
ein maxwl- gewesen ist. Eine solche Folgerung wäre natürlich zunächst nur
für den Sprachgebrauch der Zeit gültig, in der die synaxarische Version
verfaßt wurde: dies dürfte nach Ausweis der Hss. das 11. Jh. gewesen sein
(cf. die Ed. Šaniʒe, S. 62 f). Sie würde sich aber mit dem Gebrauch einer
jüngeren Variante des Wortes decken, nämlich
dana-:
Dieser etwa seit dem 12. Jh. nachweisbare Stamm bezeichnet v.a. in der
Sprache der klassischen Dichtung (Vepx.) eine Waffe von der Größe eines
Messers oder Dolchs, was auch für den einzigen bisher vorliegenden
hagiographischen Beleg aus den Apophthegmata patrum in der theophilischen Redaktion (A 1105, 356r {15.}: -y) gelten kann, wo mit einem dana-
ein Fisch aufgeschnitten wird2. In seiner Bedeutungsangabe bezieht sich
auch Saba ausdrücklich auf die Größenverhältnisse, indem er dana- als das
"größte Fleischschneidegerät von allen" (udidesi q̇ovelta qorcisa mosatleli)
bezeichnet und dadurch gegenüber danaḳi, ġinc̣i, ciġvi und sasxlevi abgrenzt; danaḳi ist nach ihm "kleiner als es und maßvoll" (umcro missa da
zomieri), die übrigen werden als Abarten eines danaḳi beschrieben. Auch
als eigenes Lemma wird danaḳi als "maßvolles" oder "kleines" dana
definiert (zomieri dana / mcire dana). Es fragt sich jedoch, ob der hiermit
gegebene Bedeutungsunterschied zwischen dana- und danaḳ- einen alten
Zustand repräsentiert, oder ob es sich nicht vielmehr um eine sekundäre
Entwicklung handelt. Nach der Beleglage zu urteilen, stellt sich dana- für
die ageorg. Zeit ja eher als Nachfolger von danaḳ- dar, indem sich seine
Belege an die von danaḳ- zeitlich anschließen. Für die Annahme, daß die
bei Saba wiedergegebene Bedeutungsdifferenz zwischen dana- und danaḳ-
eine jüngere Entwicklung repräsentiert, spricht auch die nur in den Hss.
ZAa enthaltene zusätzliche Angabe danaḳad itkmis maxvilica "als danaḳ-
wird auch ein Schwert benannt", die von Sabas primärer Definition natürlich weit abweicht, sich jedoch genau mit dem Verhalten des Wortes in den
ältesten Belegen deckt.
Sabas primäre Bedeutungsangabe für danaḳ- dürfte also darauf zurückzuführen sein, daß er
in -aḳ- das Diminutivsuffix gesehen hat, das sich etwa auch in dem neben saxl- "Haus" belegbaren saxlaḳ- "Häuschen" zeigt (s. dazu weiter unter senaḳ-, 7.). Der Übergang von danaḳ- zu
dana- ist jedoch eher in eine Gruppe ähnlicher Erscheinungen einzureihen, bei denen Stämme
auf -aḳ- durch Schwund des auslautenden Verschlußlauts zu Stämmen auf -a- wurden, wobei
als Zwischenstufe eine Paradigmenkategorie entstand, bei der das stammauslautende -a- vor
vokalisch anlautenden Endungen nicht schwand; diese Flexionsweise hat z.B. A. Šaniʒe für das
Typikon des Bačkovo-Klosters beschrieben (Ṭiṗiḳoni, 130, 15.). Unter Šaniʒes Beispielen ist
v.a. der Instr. Sg. agara-yt-a aufschlußreich, da der zugrundeliegende Wortstamm agara-
"Landgut" offenkundig mit dem sonst üblichen agaraḳ- zu identifizieren ist: Während letzterer
Stamm unmittelbar aus dem arm. agarak hergeleitet werden kann, muß agara- eine innergeorg.
Entwicklung darstellen, da eine vergleichbare Veränderung des Stammauslauts im Armenischen
nicht zu beobachten ist.
Nach demselben Prinzip sind auch andere Doubletten von Stämmen auf
-aḳ- und -a- auf eine innergeorg. Entwicklung zurückzuführen3. Zwar
können für dana- "Messer" eindeutige Formen mit "festem" -a- bisher nicht
belegt werden (die Formen dan-is-a und dan-it-a für den Gen. bzw.
Instr.Sg. in Vepx. 517a {16.} bzw. 1115d {17.} zeigen bereits die normale
Weiterentwicklung zu einem Stamm auf labiles -a-); daß es sie einmal
gegeben haben muß, erweist sich jedoch im Zusammenhang mit der genetivischen Zusammenrückung
danaḳ-is ḳud-:
In zahlreichen AT-Belegen (v.a. aus 3.Kön. und Ez.), zu denen sich aus
dem NT lediglich Jo. 12,13 DE {33.} (-ta-gan) gesellt, bezeichnet diese
Fügung die "Dattelpalme". Dabei bildet sie die reguläre Entsprechung von
gr. ϕοίνιξ. Die wenigen Ausnahmen fallen in fest umrissene Bereiche der
Bibelübersetzung: An den Belegstellen Ps. 91,13 {55.} und Hohel. 7,8-9
sowie in der Johannes-Apokalyse (Ap.Jo. 7,9 {56.}) erscheint das gr.
Fremdwort piniḳ-, das auch bei Saba zur Glossierung des Wortes benutzt
ist; als Produkt einer Kontamination von danaḳ-is ḳud- und *piniḳ- ist
offenbar das einmalige panaḳ-(is-a-y) in Jo. 12,13 {33.} in der Adiši-Hs.
aufzufassen (cf. in diesem Sinne bereits Šaniʒe, Otxtavi 346, Anm. 3). An
den beiden einzigen Belegstellen des gr. ϕοίνιξ in 2.Kön. (16,1-2 {57.}) gebraucht die georg. Bibel statt dessen leġw-s ḳver-, das ansonsten den
durch gr. παλάϑη (συκῶν) benannten, aus Feigen hergestellten Kuchen
bezeichnet (z.B. 1.Kön. 30,12 M {58.}). Der Grund für die unerwartete
Verwendung von leġw-s ḳver- in 2.Kön. 16,1 f. dürfte darin zu suchen sein,
daß mit 1.Kön. 25,18 {57a} eine fast identische Stelle vorausgeht, wo
anstelle von ϕοίνιξ eben παλάϑη steht; eine ähnliche Ausdrucksweise
bringt ferner noch 1.Chr. 12,40 {57b}. Bemerkenswert ist dabei, daß auch
die armen. Bibel in 2.Kön. 16,1 f. nicht das übliche Wort für den "Feigenkuchen", pałatit (tՙłoy), sondern das Wort für die "Dattel" verwendet, nämlich armaw; dies ist als eine auffällige gemeinsame Abweichung gegenüber
der Septuaginta zu werten.
Außerhalb der Bibelübersetzung ist danaḳ-is ḳud- in der Bedeutung
"Dattelpalme" aus verschiedenen Apothegmen-Sammlungen zu belegen,
wobei v.a. die Stelle im "Leimonarion" des Johannes Moschus (Lim.
43,30-33 {25.}: -isa) interessant ist, da hier piniḳ- und danaḳ-is ḳud- in
direkter Aufeinanderfolge auftreten, wobei sie durch die Verwendung von
-ve "ebenfalls" ausdrücklich als Synonyma gekennzeichnet sind; noch
deutlicher ist die unedierte theophilische Version des "Systematischen
Paterikons" (Hs. A 1105, 211r {20.}: -i), die danaḳ-is ḳud- explizit durch
piniḳ- glossiert (romel ars piniḳi "die eine ϕοίνιξ ist").
Das in 2.Kön. 16,1-2 {57.} erscheinende leġw-s ḳver- gibt seinerseits
aber auch einige Anhaltspunkte für eine Analyse von danaḳ-is ḳud-: Beide
Bildungen stellen zunächst Genetivsyntagmen dar. Im Falle von leġw-s
ḳver- sind beide Glieder auch für sich gut bezeugt, wobei leġv- sowohl die
Feigenfrucht als auch den Feigenbaum bezeichnet (beides nebeneinander in
Jer. 8,13 {60.}), während mit ḳver- der fladenähnliche Kuchen benannt ist;
dabei erweist sich leġw-s ḳver- auch dadurch als völlig durchsichtige Bildung, daß seine beiden Elemente auch in umgekehrter Reihenfolge erscheinen können wie z.B. in Jes. 38,21 {59.}, das in 4.Kön. 20,7 {59a}
zitiert ist. Auch danaḳ-is ḳud- dürfte als Zusammenrücung jederzeit analysierbar gewesen sein, was sich z.B. in 2.Chr. 3,5 M {37.} zeigt, wo der
Gen. in der "vollen" Form danaḳ-is-a erscheint. Für die Analysierbarkeit
spricht weiter die (lt. Ab.Wb.) in der Apothegmen-Hs. A 1105 neben
danaḳ-is ḳud- bezeugte Variante dana-ys ḳud- (235v {39.}: -is-a), bei der
das genetivische Element genau die lautliche Weiterentwicklung zu einem
Stamm auf "festes" -a- reflektiert, die oben für danaḳ- postuliert wurde;
wäre die Zusammenrückung als ein Wort aufgefaßt worden (dies suggeriert z.B. die univerbierte Schreibung in Sabas Lexikon sowie etwa in der
Ausgabe der Mcxeta-Bibel), hätte die Entwicklung -aḳ- > -a- unterbleiben
müssen, da sie für stamminlautende Positionen nicht belegbar ist.
Auch wenn die Fügung somit analysierbar blieb, konnten ihre Glieder
doch nicht ohne weiteres in eine offenkundige semantische Beziehung zu
der gemeinten Realie gesetzt werden: ḳud- bezeichnet normalerweise den
"Schwanz" oder "Schweif" von Tieren (z.B. Ri. 15,4 M {61.}), und für
danaḳ- kommt, wie oben ausgeführt wurde, am ehesten eine Bedeutung
"kleines Schwert" oder "Messer" in Betracht. Es fragt sich also, ob die
durch die synchrone Analyse nahegelegte Interpretation als "Messerschweif" den tatsächlichen Benennungshintergrund trifft, oder ob es sich
vielmehr um einen nur volksetymologischen Bezug handelt. Grundlage des
Bezugs könnte die Form der Blätter gewesen sein, die die Palme hat, und
die tatsächlich an einen Wedel von Messern erinnern4.
Dennoch muß dieser Zusammenhang hier problematisiert werden. Zunächst gilt es festzuhalten, daß es absolut nicht sicher ist, ob das durch
danaḳ-is ḳud- bezeichnete Reale primär der Palmenbaum und nicht etwa die
Frucht, die Dattel selbst, gewesen ist. Ebenso wie leġv- an der o.g. Stelle
Jer. 8,13 {60.} sowohl die "Feige" als auch den "Feigenbaum" benennt,
wäre auch für einen Namen der "Dattel" denkbar, daß er so wie z.B. gr.
δάκτυλος beides bezeichnet. So deutet etwa die Wendung xē danaḳis
ḳudisay, wtl. "der Baum der d.-ḳ.", in Ez. 41,18 {27.} an, daß eine ursprüngliche Bedeutung "Dattel(frucht)" auch möglich ist. Im gleichen Sinne
ist die armen. Überlieferung zu bewerten, wo normalerweise der durch das
Suffix -eni gekennzeichnete Baumname armaweni erscheint, bisweilen
jedoch das einfache armaw (z.B. Hiob 29,18 {26.}), das strenggenommen
nur die Frucht bezeichnet haben dürfte. Da nun aber an allen Belegstellen
von danaḳ-is ḳud- eindeutig der Baum und nicht die Frucht gemeint ist und
die Wendung xē danaḳis ḳudisay, wtl. "Baum des d.ḳ.", auch einen explikativen Genetiv enthalten kann ("Baum, der ein d.-ḳ. ist"), bleibt die
Verwendung von danaḳ-is ḳud- für die Frucht nicht nachweisbar. Keinen
Aufschluß für die Problematik gibt auch die Weiterbildung
danaḳ-is ḳud-ovan-:
Diese Bildung ist mehrfach in der AT-Übersetzung als Bezeichnung
Phöniziens und seiner Bewohner verwendet und enthält das Suffix -ovan-,
das soviel wie "reichlich versehen mit" bedeutet; danaḳ-is ḳud-ovan- heißt
also etwa "dattelpalmenreich(es Land)" und entspricht damit zunächst
genau dem gr. Φοινικών (dieses Ez. 47,18 f. {27.}), konnte dann aber
auch für Φοινίκη (Ex. 16,35 O {43.}) sowie für den Gen.Pl. (τῶν) ϕοινίκων eintreten (Deut. 34,3 {40.}; Ri. 3,13 {45.}; 2.Chr. 28,15 M {44.}).
Die armen. Bibel hat an den Stellen aus Ez. das gleichbedeutende armawastan, wtl. "Dattelpalmenland", an den letzteren jedoch wieder einfaches armaweni; in Ex. 16,35 {43.} steht
pՙiwnikecՙwocՙ, das sich als Gen.Pl. "der Phönizier" mit dem z.B. in Jos. 5,12 {62.} erscheinenden georg. pwniḳel-ta "der Dattelbäume" deckt und ebenso wie dieses als Fremdwort das
griech. ϕοίνιξ reflektiert. Für Φοινίκη verwendet der georg. Text außerdem bisweilen das
Appellativum zġw-s ḳide-, wtl. "Meeresküste" (z.B. Ri. 1,16 M {63.}), sowie ausschließlich im
Buch Esra Zorobabel kanan-, eigentlich "Kanaan" (z.B. 2,18 {65.}), bzw. dessen Ableitung
kanan-el- (2,13 {64.}), die genau dem kՙananacՙwocՙ der armen. Übersetzung entspricht. Bemerkenswert ist letztlich die Wiedergabe von ϕοίνικες in Deut. 3,9 Μ {66.} durch ṭaič̣iḳ-, das mit
arm. tačik als Bezeichnung der ῎Αραβες in den Makkabäerbüchern (z.B. 2.Makk. 12,10
{67.}) zu identifizieren ist; hierzu bedarf es noch weiterführender Untersuchungen.
Obwohl die Beleglage für georg. danaḳ- keinen Hinweis auf eine Abhängigkeit vom Armenischen liefert, kann das Wort doch lautlich mit dem
bedeutungsnahen arm. danak identifiziert werden, das z.B. bei Faustos
belegt ist und im Ven. Wb. durch "μαχαίριον, ἐγχειρίδιον, culter, cultellus" glossiert wird. Die Zusammenstellung, die zuerst offenbar bei Riabinin, Notes 17 für die (jüngere) Form dana "couteau" vorgeschlagen worden
war, findet sich, kommentarlos, auch bei Androniḳašvili, Narḳv.
231, die georg. danaḳ- und arm. danak auf ein mpers. *dānak zurückzuführen vorschlägt, das sich in npers. dāna manifestiere.
Nun bedeutet npers. dāna allerdings, soweit ich sehe, nirgends "Messer,
Schwert" oder irgendetwas ähnliches (auch bei Androniḳašvili wird keine
solche Verwendung belegt); als Grundbedeutung ist vielmehr "Korn, Beere"
anzugeben, womit das Wort nicht nur seinen Vorläufer in mpers. dānag
<d՚ng> "id." hat (belegt z.B. in der Überschrift zum IV. Kapitel "Getreide
und Gemüse" des Frahang-ī Pahlavīk: Ed. Nyberg, 3,4 v.u.), sondern auch
darüber hinaus angeknüpft werden kann (aind. dhānā́ḥ pl. "Getreidekörner",
lit. dúona "Brot" u.a.; cf. z.B. Horn, Np.Etym. 118, 535.).
Androniḳašvilis Gleichsetzung beruht letztlich möglicherweise auf einer
volksetymologischen Deutung, die schon das Ven. Wb. für arm. danak
vorgetragen hat, und die von der Redewendung hat hat, danē danē ausgeht,
die soviel wie "Stückchen für Stückchen, Scheibchen für Scheibchen"
bedeutet: danak sei "ein Werkzeug des Schneidens in Scheiben (und)
Scheiben" (gorci hataneloy 'i masowns masowns; s.v.). Diese Deutung ist
auch bei Ačar̄yan, AEW I, 619 b s.v. dan zitiert und mit dem weiteren
Hinweis auf pers. dāna versehen worden, das eben "Stück, Stückchen"
(hat, hatik) bedeute.
Auf einen ganz anderen, weiterführenden Weg weist die Behandlung des
Wortes bei Bailey, zvara [Fs. Diakonoff], 22 f. Anm. 2, der georg.
danaḳ-i und dana "knife" auf eine iran. Wz. dā- "to cut" zurückführt, neben
der es eine Variante dā-s- in oss. dāsun "to cut" (genauer: "rasieren") und
arm. dašnak "dagger", npers. dašna gegeben habe. Hier wird zwar das arm.
danak nicht explizit erwähnt, dafür aber das semantisch nahestehende
dašnak, das bei Hübschmann, AG 134, 165. (nach dem Ven.Wb.) aus der
Kirchengeschichte des Sokrates zitiert ist {68.}, und das seinerseits ein
Gegenstück im Georgischen hat: Saba führt einen -a-Stamm dašna- an, der
einen "kleinen Dolch oder die Lade des Webstuhls" bezeichne (moḳle
qrmali, gina kslis sabeč̣avi)5. Georg. dašna- ist dabei, anders als arm.
dašnak (s. dazu Hübschmann, AG 134, 165.), sicher nicht in älterer Zeit
bezeugt (für einen modernen Beleg cf. Ganm.Leks. III, 964) und dürfte
somit auf einer rezenten Entlehnung des von Bailey genannten npers.
dašna beruhen6. In der Bedeutung "Dolch" ist georg. dašna- weiter ins
Svan. eingedrungen, wo es dašna- (z.B. Svan.P̣o. 26 [89], 89) oder, in
älterer Gestalt, dašnäy (z.B. ib. 37 [118], 3) lautet und das Diminutivum
dašnil neben sich hat (z.B. ib. 5 [18], 61). Dem letzteren dürfte wiederum
die Form dašnua (< *dašnula- ?) entsprechen, die für den xevsur. Dialekt
belegbar ist (cf. z.B. Č̣inč̣arauli, Xevs.tav. 306).
Baileys Zusammenstellung kann in der gegebenen Form allerdings nicht
ganz befriedigen, da sie unerklärt läßt, wie es bei Annahme einer Wurzelerweiterung zu zwei so ähnlichen und gleichbedeutenden Bildungen konnte,
wie sie in arm. danak und dašnak nebeneinander vorliegen. Deshalb sei hier
ein neuer Lösungsvorschlag unterbreitet, der versucht, die beiden
Wortformen letztlich auf einen Vorläufer zurückzuführen.
Npers. dašna und arm. dašnak weisen zunächst auf ein miran. *dašnak,
das nur dann zu oss. (digor.) dāsun gehören kann, wenn dieses ein indoiran. *dāć- repräsentiert; das -ć- hätte vor einem -n- Suffix nach dem
Beispiel von avest. vasna-, apers. u̯ašna- "Wille" < *u̯ać-na-, aber auch
avest. yasna-, mpers. ǰašn < *i̯a�-na- in echt-pers. Lautung -šn- ergeben7.
Will man nun aber arm. dašnak und danak unter einem Ansatz vereinigen, so muß man von einer uriran. Form *daϑnaka- < *datnaka- ausgehen; dabei wäre *dašnaka- die lautgesetzliche südwestiran. Vertretung,
während nordwest- und ostiran. zunächst -ϑn- erhalten geblieben sein
müßte. Dies wird durch das Wort für die "Elle" erwiesen, dessen vedischer
Form aratní- (N.Pl. aratnáyaḥ RV 8,80,8; Lok.Sg. aratnáu 10,160,4)
apers. ārašni- (<a-ra-ša-na-i-ša> /ārašnīš/ DSf 26 ist mit Szemerényi,
Iranica II [Sprache 12], 196 ff. eher der Akk.Pl. eines dem aind. genau entsprechenden -i-Stamms als der Instr.Pl. eines -n-Stamms wie bei Kent, Old
Pers. 65, § 187) und avest. *ā̆raϑni- in frārāϑni.drājō (Vd. 7,29 ff.) "die
Länge eines Vorderarms (? wtl. "vor dem Ellbogen befindlichen" ?)
habendes (sc. Brennholz)", gegenüberstehen8. Beide Formen haben auch
ihre Fortsetzer im Mittel- und Neuiranischen: Man vgl. auf der einen Seite
mpers. <՚lnc> /āranǰ/, das in Frahang-ī ōīm 214 (Ed. Klingenschmitt) in
der Fügung ՚lnc ZY hnd՚m, etwa "Gelenk eines Gliedes", ein avest. sonst
nicht bezeugtes haŋhāma- glossiert, und das ein airan. *āraϑnicī- (weniger
wahrscheinlich -ikā-) repräsentieren dürfte9, auf der anderen Seite mpers.
<՚lšn̍> /ārišn/ und <՚՚ryšnwg> ārišnūg "Elle"10. Arm. dašnak und georg.
dašna- würden dann den letztgenannten Formen entsprechen, arm. danak
und georg. danaḳ- den erstgenannten, wobei für sie eine miran. Zwischenform *dahnak < uriran. *daϑnaka- anzusetzen wäre11.
Zur Motivation der hier vorgeschlagenen Herleitung ist ein Hinweis auf
mpers. npers. dās "Sichel" geboten, das z.B. im Frahang-ī Pahlavīk im
Anhang zu Kapitel XXX in den Hss. S1/S2/P innerhalb der Glosse
<MNGL̍ d՚s> bezeugt ist (Ed. Nyberg, 32,6), und das sich mit aind. dā́tra-
"id." unter einem urar. Ansatz *dā́tra- als Nomen instrumenti zu *dā-
"schneiden" vereinigen läßt (s. dazu weiter unter dahč̣aṗeṭ-). Zu diesem
*dā́tra- könnte *dátna- eine parallele Ableitung sein, die sich zum
Wurzelansatz *dā- so verhalten würde wie aind. rátna- "Gabe, Geschenk"
zu rā- "schenken, verleihen". Die Zusammengehörigkeit der beiden letztgenannten Formen, die sich zumindest synchron in der Wendung rā́sva
rátnāni "schenke (deine) Gaben" in RV 3,62,4c {70.} manifestiert, ist
allerdings in morphologischer Hinsicht problematisch. Um den Wechsel
zwischen langem und kurzem Wurzelvokal zu rechtfertigen, müßte man für
*dátna- wie für rátna- von einer schwundstufigen Wurzel mit Suffix -étno-,
also *dh2-étno- bzw. *rh1-étno- ausgehen12; allerdings wäre im letzteren Fall
*irátna- oder *ilátna- zu erwarten (vgl. Narten, ilayati [IIJ 10], 248). Eine
exakte außerindoiran. Parallele für einen solchen Typ ist mir nicht bekannt;
nicht eindeutig ist jedenfalls der Aufbau von lat. vannus "Worfelschwinge",
falls dieses tatsächlich zu *h2u̯eh1- "wehen" gehören sollte13, ferner von
griech. Typen wie ϕυγέϑλον "Drüsenschwellung" < *bh(l)ug-édhlo- (zu
ϕλύζω, cf. Frisk, GEW s.v.) etc. Als Alternative wäre auch auch eine
Bildung *dat-tno- zu erwägen, die zu gr. δατέομαι "teilen, zuteilen, zerteilen" gehören würde; zu vergleichen wäre weiter gr. δασμός, wenn dieses
mit Frisk s.v. aus *δατ-σμός herzuleiten ist. Erforderlich wäre dabei
einerseits ein Wurzelansatz *dat- mit echtem -a-, da iran. dat- nicht wie gr.
δατ- auf *də2t- zurückgehen kann, andererseits müßte die Lautfolge -tt- in
der Dreiergruppe -ttn- zu -tn- vereinfacht worden sein, wofür mit
Schindler apud Mayrhofer, Idg.Gramm. I/2, 111 eine Parallele in gr.
μέτρον < *metrom < *med-trom = /medt.rom/ gefunden werden könnte.
Keine neuen Aspekte ergibt die hier vorgetragene Deutung von danaḳ-
für die Bezeichnung der "Dattelpalme", danaḳ-is ḳud-. Wenn man die sich
aufdrängende synchrone Interpretation, wie sie oben vorgestellt wurde, nicht
akzeptieren will, kann man für danaḳ- innerhalb dieser Fügung eventuell
auch einen Anschluß an das iran. Wort für "Korn, Beere" erwägen, hinter
dem sich dann eine Bezeichnung für die "Dattel" als Frucht verbergen
müßte. Allerdings ist mpers. dān(ag) in dieser Bedeutung nicht belegbar; als
Wort für die "Dattel" begegnet vielmehr das mit arm. armaw zu
identifizierende xurmā14. Für die "Dattelpalme" wurde im Mittelpersischen
das Wort muγ verwendet, das im Frahang-ī Pahlavīk (IV., 12.: ed. Nyberg,
3,1 v.u.) durch das Ideogramm <DKR՚> (so Nyberg ohne Varianten;
ebenso ohne Varianten <DGRY՚> bei Junker, 50) wiedergegeben wird;
damit ist offenbar die aram. Form des durch syr. ܕܶܩܠܴܐ deqlā
(Brockelmann, Lex.Syr. 164a), hebr. דִקְלָה diqlāh und arab. دقل daqal
vertretenen semit. Worts gemeint (cf. bereits F. Müller, PPGl. [WZKM 6],
298), das auch die Grundlage von griech. δάκτυλος "Dattelpalme" bildet.
Die Interpretation der mpers. Graphie als daknyā, dagnyā, dakanyā
bei Müller, l.c. (trotz der Identifizierung mit den genannten semit. Wörtern) und Junker, Frahang 79 b s.v. muġ reflektiert offenbar die "traditionelle" Parsen-Aussprache, deren -n- aber unbegründet ist (vgl. dafür z.B.
das Glossar zu Sanjanas Dēnkard-Ausgabe, Bd. 9, 11, wo dem Ideogramm dgny՚ sowohl eine Pazendgraphie dakanyya als auch ein npers. دكنيا
<dkny՚> gegenübergestellt sind, sowie Vullers, Lexicon 1544a mit der
Graphie دكنيا <dkny՚>); ein miran. *dakan, das die Ausgangsform für ein
durch Metathese umgestelltes danaḳ- im Georgischen gebildet haben könnte, läßt sich daraus jedenfalls nicht ableiten.
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Copyright Jost Gippert, Frankfurt a/M 7. 1.2003.
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