TITUS
Heinrich von Meissen, Frauenlob
Part No. 5
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Text: 4 
IV. Minne und Welt


Strophe: 1 
Verse: 1    Ich han der Minne und ouch der Werlte craft gewegen,
Verse: 2    
nu dünket mich, daz ich enmag
Verse: 3    
ir beider keine wis entbern.
Verse: 4    
ich weiz doch wol, welche unter in zwein me wirden hat.

Verse: 5    
Lieb unde lust der Minnen amtes müzen pflegen,
Verse: 6    
die wirken allez, daz der tag
Verse: 7    
erliuchtet. [ ] alle ding begern
Verse: 8    
geminnert und gemeret sin nach Minne rat,

Verse: 9    
Wurm, vogel, visch [ ], tier,
Verse: 10    
wurz unde crut, stein unde holz, die han ir gir.
Verse: 11    
sus Minne ez allez wirken kan:
Verse: 12    
sich, Werlt, des wis ir untertan.

Strophe: 2 
Verse: 1    
Ich wil der Werlte unfuge nimmer tag gejehen.
Verse: 2    
sie hat so williglichen lon
Verse: 3    
an manigen enden <mir> gegeben,
Verse: 4    
daz herze und mut, sin unde lip durchwirmet wart.

Verse: 5    
Wie möchte ^immer mir von ir^ baz sin geschehen?
Verse: 6    
so wil ich von ir singen <schon>
Verse: 7    
und wil <ouch> in ir dienste leben.
Verse: 8    
die Werlt [ ] <gab> mir so liep ein wip, [ ] <nie> süzer art

Verse: 9    
Ist worden kunt,
Verse: 10    
des danke ich diner wirdikeit, du bernder grunt.
Verse: 11    
du zierest, als [ ] din art gebot,
Verse: 12    
nu laze, Minne, mich ane not.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Wes dankest du der Werlt, laz mich die wirde haben.
Verse: 2    
gab dir die liebe ein schönez wip,
Verse: 3    
daz quam von lust, daz ist min amt,
Verse: 4    
und wirken nicht, wan daz ich wil : daz ist ir kunst.

Verse: 5    
Swa sie sich durch vier ougen in zwei herzen graben,
Verse: 6    
da wirken sie, daz lib und lib
Verse: 7    
mit süze wirt also gesamt,
Verse: 8    
daz beider <sin> und beider mut gern einer gunst.

Verse: 9    
Ein sloz ich bin,
Verse: 10    
daz zweier herze und zweier mut und zweier sin
Verse: 11    
treit in ein lust uz vremder ger.
Verse: 12    
[ ] Werlt, wes vermizzest du dich her?

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Ich binz, die Werlt, und nam in gotes ewikeit
Verse: 2    
den ursprinc und den anefanc,
Verse: 3    
und swaz die vier element gebern,
Verse: 4    
daz bir ich ouch; [ ] ich sich sie an ane undersaz.

Verse: 5    
Min heizet allez daz, swaz himel und erde treit.
Verse: 6    
got selber in min erbe spranc
Verse: 7    
und wolte sich nimmer [ ] forme wern
Verse: 8    
und nimt für gut noch hiute, daz er wirt min schaz.

Verse: 9    
Du, Minne, bist
Verse: 10    
ein wirkerinne uf miner stift, ob du hast list:
Verse: 11    
din wirken ist ab dir in mich,
Verse: 12    
du nimst din wesen uz mir in dich.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Zwar Werlt, du hast nicht eben gebildet mir min wesen,
Verse: 2    
wan ich bin nicht von diner art.
Verse: 3    
ich bin ein schaffer und ein bote
Verse: 4    
der ersten sache und ein geistlich amt dabi.

Verse: 5    
Din tugent, din craft, din macht, die sint vor mir genesen.
Verse: 6    
entete ich, du würdest schiere verspart:
Verse: 7    
ich binz in ewikeit mit gote,
Verse: 8    
an mich er nie nicht hat geschaffen, <daz da si>.

Verse: 9    
<...>
Verse: 10    
<...>   als im wol zam.
Verse: 11    
er ist ouch ich und ich bin er.
Verse: 12    
noch sich uf, Werlt, wie lit din ger?

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Die forme, die der spiegel nimt, die ist nicht <ganz
Verse: 2    
noch der> glanz uz dem regenbogen.
Verse: 3    
die beide han materjen nicht
Verse: 4    
und schinen doch mit valscher varbe, swer die spürt.

Verse: 5    
Werlt forme [ ] <mit> materjen hat, valsch ist ir glanz.
Verse: 6    
sich nu, du bist <daran> betrogen:
Verse: 7    
die ware minne und din geschicht
Verse: 8    
sint ungelich, die zwo teilet got [ ], <und> dir gebürt

Verse: 9    
Nicht wan der nam:
Verse: 10    
du, Minne, bist nach ir genant. & swa du hast scham,
Verse: 11    
du macht dich dort hin & nicht gewegen:
Verse: 12    
min ist din wirken und din stegen.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Ei, tumme Werlt, wie lützel dir zu raten ist
Verse: 2    
an diner tougen. des me hat
Verse: 3    
ein sele, die doch manig amt
Verse: 4    
dem libe git zu stiure an allen sinen liden:

Verse: 5    
Den füzen gen, den henden grif und sehens <list>
Verse: 6    
^den ougen da^; den oren stat
Verse: 7    
zu hören wol. swa nicht erlamt
Verse: 8    
des mundes craft, kein rede ir amt kan baz gesmiden,

Verse: 9    
Sich, [ ] <dan> in mir.
Verse: 10    
<ich> einig bin und han manig amt dort und in dir,
Verse: 11    
min craft gar alle diet ernert,
Verse: 12    
daz sust, daz so: nicht sich min wert.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Zwar Minne, du und al din amt, die dienen mir:
Verse: 2    
ich bin, die walte hie und dort.
Verse: 3    
waz worchtest du, und lieze ich dich
Verse: 4    
nicht wirken in min erbe und in min selbes habe ?

Verse: 5    
Ja wigest du dich zu ho, daz wirret mir gein dir
Verse: 6    
vil ofte. & swenne sine wort
Verse: 7    
bediutet ^einer, der doch sich^
Verse: 8    
vil hoher tiuret dan der ander, sprichet der abe

Verse: 9    
^Des dienest^ ie & ?
Verse: 10    
liebe unde lust, die sin din amt, wa wirken die?
Verse: 11    
nicht wan in mir! des sint sie min.
Verse: 12    
noch, Minne, laz mich ob dir sin.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Got dienet allez daz, daz er gewirdet hat.
Verse: 2    
sich, Werlt, also diene ich ouch dir:
Verse: 3    
ich bin din urspring und din zil.
Verse: 4    
ob ich drivaltig si, daz nim in dinen mut:

Verse: 5    
Zu himel zwischen Crist und sines vater rat,
Verse: 6    
hie zwischen man und wibes gir,
Verse: 7    
daz dritte ich dir nicht sliezen wil,
Verse: 8    
daz ist an aller frucht. der drilch mir wirde tut.

Verse: 9    
Werlt, sich dar an:
Verse: 10    
ich Minne bin ein ursprinc, mir ist untertan
Verse: 11    
al din geschefte, lebende und tot.
Verse: 12    
kein adel sich nie gein mir bot.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
[ ] Ich was volkomener dan du, daz ist wol war:
Verse: 2    
der himel und al sin craft ist min,
Verse: 3    
und swaz daz zentrum wunders treit.
Verse: 4    
da enzwischen wirkest du, nicht fürbaz ist din jage.

Verse: 5    
Der helle grundelosez wesen ist miner schar,
Verse: 6    
der liebe und lust unwirdig sin.
Verse: 7    
dannoch han ich ein unterscheit
Verse: 8    
din <gein> mir Werlt, daz ist der mensche noch vor tage.

Verse: 9    
Nu höre den ruf
Verse: 10    
der menschen, allem dem gelich, daz ie geschuf
Verse: 11    
got und sin vorbedachter funt
Verse: 12    
mir Werlt; vierfaltig ist min grunt.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Ich Minne minne maze, maze minnet mich,
Verse: 2    
[ ] bescheidenheit [ ] ist unser frucht.
Verse: 3    
wir dri sint niur ein einig wesen [ ],
Verse: 4    
sie sint in mir und ich in in mit ganzer tat.

Verse: 5    
Swer die zwo <wan> mit wenen hat, der triuget sich.
Verse: 6    
swa man mit wol getaner zucht
Verse: 7    
<...>
Verse: 8    
<...>

Verse: 9    
Der schöne gert
Verse: 10    
mit mazelose, schöne der ist ungewert
Verse: 11    
an maniger <hande> arebeit:
Verse: 12    
& solch werben tirmec & craft versneit.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Ei, Minne, waz du loser vünde bringest <vür>!
Verse: 2    
daz han ich oft <an dir> ervarn,
Verse: 3    
daz maniger schone und eben warp
Verse: 4    
mit stolzer fuge richliche, als du hast verjehen,

Verse: 5    
Der doch versmehet wart vor diner helfe tür,
Verse: 6    
daz sich <da> muse maze sparn,
Verse: 7    
sam ouch bescheidenheit verdarp,
Verse: 8    
als Gachmoret, der sich ie liez in fuge sehen:

Verse: 9    
Den totest du
Verse: 10    
davor. was daz maze und bescheidenheit? sprich nu!
Verse: 11    
<ich> wene, ir keine were da
Verse: 12    
bi dir <noch> hie noch anderswa.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Du zihest mich, Werlt, des du selbe schuldig bist.
Verse: 2    
so du materjen forme zilst,
Verse: 3    
zuhant ir liebe und ouch ir lust
Verse: 4    
giuze ich in in, darnach sie beide sint gezilt:

Verse: 5    
An ewiglichen dingen ewig ist min list.
Verse: 6    
swaz aber du zergenglich hilst,
Verse: 7    
dem ist zergenglich ouch min brust.
Verse: 8    
an steten dingen stetikeit mich nicht vervilt.

Verse: 9    
Zergenglich was
Verse: 10    
din forme und din materje an Gachmoret, ich las,
Verse: 11    
des muse ouch im zergenglich sin
Verse: 12    
liebe <unde> lust, die schult ist din.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Swaz von dirre erden komen ist, daz wil sie wider,
Verse: 2    
und ieslich elemente ^ouch.
Verse: 3    
des menschen sele^ dar begert,
Verse: 4    
von dem sie bekomen ist: da bin ich unschuldig an.

Verse: 5    
Waz sol ein as gepriset ho, daz tot ist, sider!
Verse: 6    
du, Minne, sich an dinen rouch:
Verse: 7    
in diner freude ein dorn unwert,
Verse: 8    
in diner süze ein angel tougen luzen kan.

Verse: 9    
Din lieb hat leit.
Verse: 10    
ja triuge ich nicht sam [ ] du mit diner gunterfeit:
Verse: 11    
des Paris vil wol wart gewar
Verse: 12    
und maniger von derselben schar.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Ich Minne sol nicht böser dinge kunde han,
Verse: 2    
niur wirdiglicher wirdikeit
Verse: 3    
und hübescher bete und [ ] guter tat:
Verse: 4    
der bin ich meizogin und [ ] züchtig besemslag.

Verse: 5    
Swes ich mich underwinde, dem mag nicht engan,
Verse: 6    
Werlt, diner höchsten eren kleit,
Verse: 7    
din bester wunsch. swer uf min pfat
Verse: 8    
komt ane dinen danc, im wirt ouch prisbejag,

Verse: 9    
Daz er muz wol
Verse: 10    
gote unde dir gefallen. merke minen zol:
Verse: 11    
ich bin ein schaffer aller tugent.
Verse: 12    
du, Werlt, hast ofte snöde jugent.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Ei, minnehaft ermanet mich wunderlicher art
Verse: 2    
ein wesen, und weiz doch, die meister jehen,
Verse: 3    
du sist blutnacket unde blint
Verse: 4    
und treist vil snidender wafen. din <ger, der> ist so

Verse: 5    
Ein glünder brant, [ ] <und> ingezogener strale spart
Verse: 6    
din tumheit nicht. du bist gesehen
Verse: 7    
in snellem fluge ein swerez kint,
Verse: 8    
[ ] vil krankes urhab unde wigest din hoffen <ho>.

Verse: 9    
Des nieman gert,
Verse: 10    
des ich mich selbe schame in mir, den hastu wert
Verse: 11    
und teilest im mite din besten lon.
Verse: 12    
unstete ist din sirenen don.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Werlt, mir ist recht als einem künige, der da hat
Verse: 2    
ein [ ] <ammet> böse unde gut.
Verse: 3    
min höchstez amt, daz last du ligen
Verse: 4    
und niur die andern, <die> verwizest du miner zucht.

Verse: 5    
Din angesichte, din schöne lobelichen stat,
Verse: 6    
die schrift saget dinen rücke unfrut
Verse: 7    
von natern und würmen ungedigen.
Verse: 8    
so hat niur gein <dir> ungefugez werben flucht.

Verse: 9    
Waz were pris,
Verse: 10    
waz were triuwe und stete, tugent in aller wis,
Verse: 11    
enwere manheit, milte, scham:
Verse: 12    
durch mich ist ere fipern gram.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Man mag mich strafen unde malen, swie man wil,
Verse: 2    
ich bin ein gotes garte vin,
Verse: 3    
ich habe die geiste gut und arc,
Verse: 4    
die cristen, juden, heiden, himel und erden rat.

Verse: 5    
Ja setze ich weder ir güte [ ] <noch> ir erge zil:
Verse: 6    
got hat sie fri geheizen sin,
Verse: 7    
ir willekür ist mir zu starc.
Verse: 8    
wes mag man mich beschulden an ir missetat,

Verse: 9    
Sit ich in gan,
Verse: 10    
daz in daz beste und ouch daz böste ist untertan?
Verse: 11    
sie leben in frier willekür,
Verse: 12    
ir lan, ir tun ich wenig spür.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Werlt, ich weiz noch ein art an dir, der was geswigen:
Verse: 2    
mit wen man wirt zu dir geborn,
Verse: 3    
<mit> wen man von dir scheidet hin,
Verse: 4    
din ende und din begin, die sint mir beide unfro.

Verse: 5    
Swer allerbeste dir dienet, dem hast du verligen
Verse: 6    
ein linin tuch: ʽnu hin, verlorn!'
Verse: 7    
und siben fuz <erde>, des ich bin
Verse: 8    
gein dir sust ungeduldig. Werlt, wie tust du so?

Verse: 9    
Du lonest nicht
Verse: 10    
den dinen, als ich den minen tun mit richer schicht.
Verse: 11    
ich gibe in wunne wernden solt:
Verse: 12    
ere und pris, die sint in holt.

Strophe: 1    Welt:
Verse: 1    
Ei, [ ] Minne, du hast einen wunderlichen mut.
Verse: 2    
din werken sunder minen rat
Verse: 3    
und <danc>, des kan ich nicht geloben,
Verse: 4    
wan got hat dich mit siner liebe in mich geperlt.

Verse: 5    
Swer über houbet vehet, daz enist nicht gut.
Verse: 6    
sich, Minne, so din werken stat:
Verse: 7    
man sicht dich in mich blintlichen toben.
Verse: 8    
vil rede ^dicke wirt [ ]^ unwert. daz ist mir Wblün

Verse: 9    
Wol worden kunt,
Verse: 10    
daz du vil mangem lip und ere hast gewunt
Verse: 11    
und ouch die sele, wizze daz.
Verse: 12    
noch, Minne, swig, du macht nicht baz.

Strophe: 1    Minne:
Verse: 1    
Swach und unfrut mag man mich, Werlt, nicht snöuwen an,
Verse: 2    
wan swer in got sin liebe leit,
Verse: 3    
alsam er der natur gebot,
Verse: 4    
des ^sele ist selig^ und [ ] ouch lib und ere gesunt.

Verse: 5    
Git, frazheit, zorn, haz unde nit ich nicht enkan:
Verse: 6    
swer unter uns zwein solch ammet treit,
Verse: 7    
der slecht ^lib unde sele^ tot.
Verse: 8    
sit du daz tust, wie tarstu sweigen minen munt?

Verse: 9    
Din rede nicht scheit
Verse: 10    
got unde mich: wir bliben ein, die schrift daz seit.
Verse: 11    
din falscheit gar dar nider lit,
Verse: 12    
sust hast du, Werlt, verlorn din strit.



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Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 6.5.2019. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.