TITUS
Author: Heinrich 
Heinrich von Meißen
Book: Frauenlob 
Frauenlob


On the basis of the edition
Frauenlob (Heinrich von Meissen).
Leichs, Sangsprüche, Lieder.
Auf Grund der Vorarbeiten von Helmuth Thomas
hrsg. v. Karl Stackmann und Karl Bertau,
Göttingen 1981

entered by Sonja Glauch,
Erlangen, Jan. 2002;
TITUS version by Jost Gippert,
Frankfurt, 13.4.2002 / 2.3.2003




Graphische Zeichen bei textkritischen Veränderungen:
   Winkelklammern <> bei hinzugesetzten Wörtern, die nicht aus einer anderen Hs. stammen;
   eckige Klammern [ ] bei getilgten Wörtern;
   ^ als Ersatz für rechteckige Häkchen bei veränderter Wortfolge;
   Crux (&) bei verderbten Stellen (vor einem Einzelwort, oder vor und hinter einer Reihe von Wörtern).

Der Kursivsatz für Veränderungen am Wortlaut der Leithandschrift mußte entfernt werden. S.G.



Text: 1 
I. Marienleich


Strophe: 1 
Verse: 1    
Ei, ich sach in dem trone
Verse: 2    
ein vrouwen, die was swanger.
Verse: 3    
die trug ein wunderkrone
Verse: 4    
vor miner ougen anger.

Verse: 5    
Sie wolte wesen enbunden,
Verse: 6    
sust gie die allerbeste,
Verse: 7    
zwelf steine ich zu den stunden
Verse: 8    
kos in der krone veste.

Strophe: 2 
Verse: 1    
Nu merket,
Verse: 2    
wie sie trüge,
Verse: 3    
die gefüge,
Verse: 4    
der naturen zu genüge:
Verse: 5    
mit dem sie was gebürdet,
Verse: 6    
den sach sie vor ir sitzen   mit witzen
Verse: 7    
in siben liuchteren
Verse: 8    
und sach in
Verse: 9    
doch besundert
Verse: 10    
in eines lammes wise
Verse: 11    
uf Sion, dem berge gehiuren.

Verse: 12    
Sie tet rechte
Verse: 13    
als sie solde,
Verse: 14    
ja, die holde
Verse: 15    
trug den blumen sam ein tolde.
Verse: 16    
vrouwe, ob ir muter würdet
Verse: 17    
des lammes und der tuben,   iur truben
Verse: 18    
ir liezet iuch sweren?
Verse: 19    
da von mich
Verse: 20    
nicht enwundert,
Verse: 21    
ob iuch die selbe spise
Verse: 22    
kan wol zu der früchte gestiuren.

Strophe: 3 
Verse: 1    
Ein bernde meit und eren riche vrouwe,   din ouwe
Verse: 2    
von dem grozen himeltouwe
Verse: 3    
blumen birt in werder schouwe.
Verse: 4    
man höret der turteltuben singen   erklingen,   volringen
Verse: 5    
nach süzes meien horden.
Verse: 6    
hin ist des winters orden,
Verse: 7    
die blünden winrebe diner frucht   sint vollen
Verse: 8    
smachaft worden.

Verse: 9    
Des soltu gan, din friedel rufet [ ] &? arten   dir zarten
Verse: 10    
in dem heilwin tragenden garten:
Verse: 11    
ʽkom, lieb, kom', sust wirt sin warten
Verse: 12    
dort uf dem lewenberge von mirren.   kein virren   sol irren
Verse: 13    
dich, wan er wil erkosen
Verse: 14    
sich mit dir in den rosen.
Verse: 15    
des soltu, tochter, muter, meit,   mit liebem liebe im losen.

Strophe: 4 
Verse: 1    
Nu lougen nicht   durch icht   der schicht,   daz dich sunderlich
Verse: 2    
der künig in sinen keler furte.
Verse: 3    
dich rurte
Verse: 4    
sin grüzen.
Verse: 5    
wie nu, ver meit, hat ir iuch wol versunnen?
Verse: 6    
wir gunnen
Verse: 7    
der wunnen
Verse: 8    
iu wol, daz ir den win habt getrunken
Verse: 9    
mit der milch   so süzen.

Verse: 10    
Ich wene wol,   iu sol   den zol   sin munt   machen kunt,
Verse: 11    
wa [ ] durch die murehüter quamen,
Verse: 12    
[ ] iu namen
Verse: 13    
den mandel.
Verse: 14    
waz sucht ir, meit, so spate in disen gazzen?
Verse: 15    
kein lazzen,
Verse: 16    
wir vazzen
Verse: 17    
die liebe. an iuwern wunden durchsunken
Verse: 18    
hat [ ] sin drilch   [ ] den wandel.

Strophe: 5 
Verse: 1    
Sit irz die meit,   die durch die wüstenunge zoget mit richen smecken?
Verse: 2    
iuch hat gemehelt der eren voget.   ir sit ein brut,
Verse: 3    
daz prüfe ich an den worten,
Verse: 4    
der künig durch iuwer pforten
Verse: 5    
quam uz und in   nach willen sin,
Verse: 6    
die da beslozzen was und ist [ ]   an allen eren orten.

Verse: 7    
David, der seit,   ir stündet zu der zeswen hant,   goltvar gekleidet
Verse: 8    
iuch künig Salomon bevant.   gar überlut
Verse: 9    
er gicht, daz iuwer löcke
Verse: 10    
gestalt sin sam rechböcke
Verse: 11    
und iuwer huf,   da seit er uf,
Verse: 12    
daz die viurguldin fürspan sin.   wol stan der kiuschen ir röcke.

Strophe: 6 
Verse: 1    
Den siben kirchen schreib Johan,
Verse: 2    
waz sie tun solden oder lan,
Verse: 3    
ob sie mit willen wolden stan
Verse: 4    
bi gote sunder valles wan.
Verse: 5    
do wart gebent der selden ban.
Verse: 6    
der engel siben vurten dan
Verse: 7    
die botschaft, als ich mich versan.
Verse: 8    
meit, sit din forme den bespan,
Verse: 9    
der alle forme tirmen kan,
Verse: 10    
diz wirken schuf ir kraft, der siben geiste.

Verse: 11    
Da von geliche ich dich zu [ ] stunt
Verse: 12    
den kirchen, ach du bernder grunt,
Verse: 13    
du ^minne, wisheit^ was dir kunt,
Verse: 14    
du senftekeit, du künste funt,
Verse: 15    
du rat, din sterke bleib gesunt,
Verse: 16    
din vorchte entsloz den grozen bunt:
Verse: 17    
meit, aller meide ein überwunt.
Verse: 18    
von disen geisten wart entzunt
Verse: 19    
din lip, din herze, des min munt
Verse: 20    
dich mizzet uf daz beste und uf daz meiste.

Strophe: 7 
Verse: 1    
Ob ich die warheit lerne,
Verse: 2    
die siben liecht lucerne
Verse: 3    
uz diner sele liuchten sam die sterne
Verse: 4    
- von dir wart zitig sines geistes erne -,
Verse: 5    
da der jungalte zwischen saz
Verse: 6    
^gegerwet, als er sich vermaz
Verse: 7    
in wizem kleide sunder haz.^
Verse: 8    
ei, tochter von Sion, vröu dich der mere.

Verse: 9    
Die siben liecht erglesten
Verse: 10    
ob dines geistes vesten:
Verse: 11    
din zucht, din kiusche liuchten [ ] mit den besten,
Verse: 12    
din ^triuwe und ouch din stete^ vil wol westen,
Verse: 13    
daz der geloube sie nicht floch,
Verse: 14    
din güte schein da vollen hoch,
Verse: 15    
din diemut sich gein himel zoch,
Verse: 16    
hie bi so bleip din wille an alle swere.

Strophe: 8 
Verse: 1    
Ei, welch ein lebendez minne wort:
Verse: 2    
meit, alles hordes überhort!
Verse: 3    
wan din gestalt, din schöne
Verse: 4    
durchschönet alle tröne.
Verse: 5    
ir gelf, ir lut ist: ʽcröna, künig, cröne.
Verse: 6    
ir richsen wol
Verse: 7    
zimt, als ez sol,
Verse: 8    
zu diner zeswen siten.
Verse: 9    
der aphel, den sie treit, beginnet ziten.'
Verse: 10    
die blumen lachen beidenthalb der liten,
Verse: 11    
ir münde hat der tou getwagen,
Verse: 12    
sie stan rechte als sie wellen sagen:
Verse: 13    
ʽdie meit ob allen meiden ^muz uns^ wol behagen.'

Verse: 14    
Künic Salomon, der wisheit & selch,
Verse: 15    
der gicht, din nabel ein guldin kelch
Verse: 16    
si voller edeler steine
Verse: 17    
fin, luter unde reine,
Verse: 18    
- die sint jacint genennet, als ich meine -
Verse: 19    
der kelch des suns,
Verse: 20    
dar in er uns
Verse: 21    
her sinen vater brachte.
Verse: 22    
wie wol die zarte tochter sich bedachte,
Verse: 23    
do uns der val des alten swindes schachte.
Verse: 24    
vil schöne ob allen vrouwen, sprich:
Verse: 25    
der schönen liebe ein muter ich,
Verse: 26    
der heilicheit ein hoffenunge nennet mich.

Strophe: 9 
Verse: 1    
Ich bin ez die groze von der kür,
Verse: 2    
min wille ist kreftig und ouch mür.
Verse: 3    
gein liebem liebe ich mich erbür.
Verse: 4    
daz venster miner klosentür,
Verse: 5    
da gieng min lieb so triutlich vür.
Verse: 6    
sin hant mich rurte, des ich spür,
Verse: 7    
sie was von süzem touwe naz,
Verse: 8    
ez duchte mich ein honigvaz.
Verse: 9    
ich az den veim
Verse: 10    
und tranc den seim,
Verse: 11    
do quam ich heim.
Verse: 12    
des wart mir baz,
Verse: 13    
waz wirret daz?

Verse: 14    
Den slangen beiz min harm, ich wisel.
Verse: 15    
min ^süzer touwig^ morgenrisel
Verse: 16    
durchbrach des herten fluches kisel.
Verse: 17    
min wünschelrute sunder zwisel
Verse: 18    
streich abe der swarzen helle misel.
Verse: 19    
do wart gerötet sunder prisel
Verse: 20    
der palme, [ ] dem min grüzen quam.
Verse: 21    
sprich, edeler, wiser friund Adam,
Verse: 22    
wie min gesuch
Verse: 23    
den dinen fluch
Verse: 24    
brachte in unruch.
Verse: 25    
mir meide zam
Verse: 26    
wol muter scham.

Strophe: 10 
Verse: 1    
Ich bin erkennig,   nennig,   kurc,
Verse: 2    
des höchsten küneges sedelburg.
Verse: 3    
min türne [ ] nieman kan gewinnen.
Verse: 4    
min zinnen
Verse: 5    
uz und innen
Verse: 6    
sint mit liljen wiz gepinset.
Verse: 7    
des trones wesen mir hilflich zinset.
Verse: 8    
min gazzen sint geblümet.   swer mich nümet,
Verse: 9    
ein balsem den durchgümet.
Verse: 10    
der sunnen glesten ist min kleit,
Verse: 11    
dar in so han ich mich gebriset und gereit.
Verse: 12    
so hat der mane sich geleit
Verse: 13    
zu minen füzen.
Verse: 14    
ich kan büzen
Verse: 15    
swere, des got geist mich rümet.

Verse: 16    
Do er mich vester   swester   sagete,
Verse: 17    
er jach, ich were so jung betaget:
Verse: 18    
ʽwie well wir, daz sie sich gerüste
Verse: 19    
bar brüste
Verse: 20    
zu der lüste,
Verse: 21    
durch ^die man sie^ sprechen solde?'
Verse: 22    
nu merket, waz min friedel wolde!
Verse: 23    
er warte siner lune,   daz mich brunen
Verse: 24    
von senfte der alrunen
Verse: 25    
wart slafern, durch so süzen smac
Verse: 26    
in unser pforten leisten, durch so rich bejag.
Verse: 27    
die wile und ich des slafes pflag,
Verse: 28    
gein der naturen
Verse: 29    
min behuren
Verse: 30    
muste er vlechten unde ziunen.

Strophe: 11 
Verse: 1    
Der smid von oberlande
Verse: 2    
warf sinen hamer in mine schoz.
Verse: 3    
ich worchte siben heiligheit.
Verse: 4    
ich trug in, der den himel und die erden treit,
Verse: 5    
und bin doch meit.
Verse: 6    
er lag in mir und liez mich sunder arebeit.
Verse: 7    
mit sicherheit
Verse: 8    
ich slief bi drin,
Verse: 9    
des wart ich fruchtig, voller güte
Verse: 10    
süze in süze mir do sneit.
Verse: 11    
min alter vriedel kuste mich,
Verse: 12    
daz si geseit.
Verse: 13    
ich sach in an, do wart er junc, des fröute sich
Verse: 14    
die massenie da zu himel alle.
Verse: 15    
swie züchtig stolzer meide rum ich schalle,
Verse: 16    
doch hoffe ich, daz ez ieman missevalle.
Verse: 17    
er jach, min brüstel weren süzer dann der win,
Verse: 18    
da barg er sich mit fugen in.

Verse: 19    
Wie wol er mich erkande,
Verse: 20    
der sich so vaste in mich versloz!
Verse: 21    
wer leit mich in der liljen tal,
Verse: 22    
da min amis curtois sich tougen in verstal?
Verse: 23    
ich binz der sal,
Verse: 24    
dar inne man daz gespreche nam um Even val,
Verse: 25    
schone ich daz hal.
Verse: 26    
secht, lieben, secht:
Verse: 27    
min morgenröte hat erwecket
Verse: 28    
hohen sang und richen schal,
Verse: 29    
den niuwen tag der alten nacht.
Verse: 30    
ich binz der gral,
Verse: 31    
da mit der eren künig den leiden übervacht.
Verse: 32    
min spünne ernerte den von violvelde.
Verse: 33    
mir wart ein hirzgewige an minem gelde,
Verse: 34    
damit ich stiez den fluch uz dem gezelde.
Verse: 35    
ich worchte phriemen und enbant die alten recht,
Verse: 36    
sus wart der stric des valles slecht.

Strophe: 12 
Verse: 1    
Ich binz ein zuckersüzer brunne
Verse: 2    
des lebens und der bernden wunne.
Verse: 3    
ich binz ein spiegel der vil klaren reinekeit,
Verse: 4    
da got von erst sich inne ersach.
Verse: 5    
ich was mit im, do er entwarf gar alle schepfenunge,
Verse: 6    
er sach mich stetes an in siner ewiclichen ger.
Verse: 7    
wie rechte wol ich tet im in den ougen,
Verse: 8    
ich zarter, wolgemuter rosengarte!
Verse: 9    
komt alle zu mir, die min gern.
Verse: 10    
ich wil, ich kan, ich muz gewern.
Verse: 11    
ich binz der lebende leitestern,
Verse: 12    
des nieman sol noch mag enbern.
Verse: 13    
min mut   ^gut   frut   tut.^
Verse: 14    
ich binz die stimme, & do der alte leo lut
Verse: 15    
die sinen kint uf von des alten & todes flut.
Verse: 16    
ich binz die glut,
Verse: 17    
da der alte fenix inne sich erjungen wolte.
Verse: 18    
ich binz des edelen tiuren pelikanes blut
Verse: 19    
und han daz allez wol behut.

Verse: 20    
Ich binz ein wurzenricher anger,
Verse: 21    
min blumen, die sint alle swanger,
Verse: 22    
ir saffes brehender smac vil gelwer varwe treit.
Verse: 23    
ei, welch ein flüzzig, zinsig bach
Verse: 24    
die blumen min durchfiuchtet, daz sie stan nach wunsche entsprungen.
Verse: 25    
ich binz ein acker, der den weize zitig brachte her,
Verse: 26    
da mit man spiset sich in gotes tougen.
Verse: 27    
ich drasch, ich mul, ich buch linde und nicht [ ] harte,
Verse: 28    
wan ich mit olei ez bestreich;
Verse: 29    
des bleib sin biz so süzlich weich.
Verse: 30    
ich binz der tron, dem nie entweich
Verse: 31    
die gotheit, sit got in mich sleich.
Verse: 32    
min schar   gar   clar   var:
Verse: 33    
^ich got, sie got, er got^, daz ich vor nieman spar.
Verse: 34    
ich vatermuter, er min mutervater zwar,
Verse: 35    
wan daz ist war.
Verse: 36    
ich wart, ich leit, ich brach den tot, ich warb, als ich do solde.
Verse: 37    
ich fur, ich quam, ich Adelheit, der tugende ein ar.
Verse: 38    
er leit do nicht, min Engelmar.

Strophe: 13 
Verse: 1    
Sterke unde zierde hat mich ummehelset,
Verse: 2    
ich schrecke als einer, der da bürge velset,
Verse: 3    
wan ich bin uf geschozzen als ein lustig cederboum,
Verse: 4    
den cipres ich verschönet han.
Verse: 5    
ei, welch ein senftez, süzez riechen, swem ich kom in sinen goum.
Verse: 6    
ich zoge über daz gebirge hin,
Verse: 7    
zu sprechen minen vriedel han ich ganzen sin.
Verse: 8    
den wagen ich spise,   den der wise   von holze werden liez zu prise,
Verse: 9    
daz gütig nennet uns der grise.
Verse: 10    
min siulen silber meinen,
Verse: 11    
min simz, & anelein uz golde erscheinen,
Verse: 12    
min ufganc purper, wol mich reinen!
Verse: 13    
dar zwischen ist geströuwet inne
Verse: 14    
die were, senfte, süze minne.
Verse: 15    
der aller bin ich ein beginne.
Verse: 16    
genade hat sich in min lefsen   uz der kefsen
Verse: 17    
so volleclich gegozzen.
Verse: 18    
die wisheit hat mir minen munt entslozzen,
Verse: 19    
der ordenunge senftekeit min zunge hat genozzen.
Verse: 20    
des grüzet, lieben, grüzet mich.

Verse: 21    
Die patriarchen sahen min figuren,
Verse: 22    
sie sprechen von mir, daz in der naturen
Verse: 23    
so schönez noch so reinez in al der werlte würde nie.
Verse: 24    
wil ieman wizzen, waz ich kan?
Verse: 25    
ich salbe, ich heile, ich füre uz nöten, swaz man mir der wunden lie.
Verse: 26    
ich binz ein liecht der starken tugend,
Verse: 27    
der grundelosen güte ein endelose mugend.
Verse: 28    
ich rufe, ich schrie,   daz min krie   in al der werlte [ ] trost gedie.
Verse: 29    
hie mit ich mich vor ernste vrie,
Verse: 30    
nicht zornes hat min denken,
Verse: 31    
ich kan uz siben hornen schenken,
Verse: 32    
die man sach uf dem lamme lenken.
Verse: 33    
swaz die propheten alle kunden
Verse: 34    
- ir wort, ir rede ^sie uf mich^ bunden -
Verse: 35    
ich bir, niur himel minen friunden.
Verse: 36    
gein mir so lan die ingesigel   alle ir rigel,
Verse: 37    
swie vaste er sie behalte,
Verse: 38    
min schepfer und min vriedel der vil alte,
Verse: 39    
der sich zu mir nach siner kust in drin personen valte.
Verse: 40    
des selben mutermeit bin ich.

Strophe: 14 
Verse: 1    
Ein snider sneit mir min gewant,
Verse: 2    
sin sin den spehen list ervant:
Verse: 3    
do mich gebriset het sin hant,
Verse: 4    
er sach mich an und kos min cleider, als ein meister kiesen sol.
Verse: 5    
do stunden mir min cleider uz der mazen wol,
Verse: 6    
daz sie gevielen [ ] in sinen mut.
Verse: 7    
er tet ein spehe, die was nützlich unde gut.
Verse: 8    
die wile und ich min cleider truc,   er was so cluc,
Verse: 9    
daz er uz minen cleidern sneit im cleider an,
Verse: 10    
die waren baz dann mine cleider vil getan,
Verse: 11    
und doch min cleider bliben ganz
Verse: 12    
an allen bruch, an allen wanc, an allen schranz,
Verse: 13    
vin unde luter, schöne ob aller schöne glanz.
Verse: 14    
der meister heizet meister.

Verse: 15    
Als er daz wunderliche cleit
Verse: 16    
het wunderlich an sich geleit,
Verse: 17    
ez was so wit und was so breit,
Verse: 18    
daz ez besloz den grozen, der da himel und erde in henden hat.
Verse: 19    
doch ward an im verschroten sit die selbe wat.
Verse: 20    
er worchte ein spehez spiegelvaz.
Verse: 21    
als erz volbrachte, san er mitten dinne saz
Verse: 22    
und aventiurte meisterschaft   von vremder craft.
Verse: 23    
daz spiegelvaz in doch besloz, swie groz er si.
Verse: 24    
do blute er wider uz im, alsam ein blünder zwi
Verse: 25    
uz einem ganzen boume tut
Verse: 26    
und als der apfel uz der blünden blumen blut.
Verse: 27    
daz spiegelvaz bleip ganz, an allen enden gut.
Verse: 28    
sust ich verwant die geister.

Strophe: 15 
Verse: 1    
Ich binz der sterne von Jacop,
Verse: 2    
an mir so lit der hochgeherten engel lop.
Verse: 3    
ich binz die groze gotes stat,
Verse: 4    
von der sant Augustin so vil gesprochen hat.
Verse: 5    
min pforten nie entslozzen wurden.
Verse: 6    
doch quam min vriedel drin und nam min bürde,
Verse: 7    
die ich da truc, und half mir tragen.
Verse: 8    
daz sol iu allen lusticlichen wol behagen.
Verse: 9    
er ward mit einer schönen meit
Verse: 10    
gein sinem vater überseit,
Verse: 11    
des quam er sit in arebeit.
Verse: 12    
daz ellende er gutlich leit.
Verse: 13    
da mit er doch sin erbe erstreit,
Verse: 14    
daz im sin vater het verjeit.
Verse: 15    
so wol und wol, daz ich der sachen ie began.

Verse: 16    
Vil lieben, tut mir ouch ein liep
Verse: 17    
und merket, wie der götliche minnen diep
Verse: 18    
sleich mitten in die sele min
Verse: 19    
und trancte die mit suzekeit der süze sin.
Verse: 20    
sie wart verwunden mit der süze,
Verse: 21    
daz sie vertruc des grozen gruzes grüzen
Verse: 22    
und weste doch, waz ir geschach:
Verse: 23    
nie leit, niur liep, nie we, niur wol, kein ungemach.
Verse: 24    
die wechter miner bürge zwar
Verse: 25    
der tougen wurden nie gewar,
Verse: 26    
wie got in mich sin kint gebar,
Verse: 27    
daz ich gebar fürbaz al dar.
Verse: 28    
die süze miner sele nar
Verse: 29    
gebar den geist, ich menschen clar.
Verse: 30    
sust vater, sun, heiliger geist in mich sich span.

Strophe: 16 
Verse: 1    
Ich binz der ersten sache kint,
Verse: 2    
ich binz ein understant, in der gewelchet sint
Verse: 3    
die dri und doch mazheftic kunden werden nie.
Verse: 4    
er ist min wesen und ich daz sin, sun guter,
Verse: 5    
er kint und ich muter.
Verse: 6    
er tet, ich leit,
Verse: 7    
in wenne, uf wa, des habens ich gelegenheit.
Verse: 8    
sin art, die mac man von mir sagen
Verse: 9    
und min gestalt in sinen jagen.
Verse: 10    
welch underscheit mac daz geclagen?
Verse: 11    
die menscheit unser eigen immer muz betagen,
Verse: 12    
kein zuschicht noch kein abeschicht er mac getragen,
Verse: 13    
ern si ein got den ich gebar.

Verse: 14    
Daz wort mir von der höhe quam
Verse: 15    
und ward in mir ein so gebenediter nam:
Verse: 16    
der name hie wart, daz wort was ane werden ie.
Verse: 17    
von disen zwein ein rede wart gevlochten,
Verse: 18    
der min witze tochten.
Verse: 19    
ein meinen truc
Verse: 20    
die rede in ir, daz disputirete ich genuc,
Verse: 21    
als mich der vrone bote sprach.
Verse: 22    
mich wunderte e, wie daz geschach.
Verse: 23    
daz wunder mir der engel brach.
Verse: 24    
wan er bewisete ez in warer sprüche vach:
Verse: 25    
der nider ein grunt, der mitte ein zil, der höhe ein dach
Verse: 26    
nam in mir bernder künste nar.

Strophe: 17 
Verse: 1    
Ei, waz sich mischet und unmischet
Verse: 2    
und waz sich uz der mische drischet:
Verse: 3    
ob daz mischen nicht verlischet,
Verse: 4    
wie der ursprinc sich da vrischet,
Verse: 5    
und swaz ungemischet blibet,
Verse: 6    
wie daz mischen von im tribet!
Verse: 7    
werden und unwerden brechen
Verse: 8    
mit geburt, ob ich sol sprechen,
Verse: 9    
daz ich der bin ein beginne.
Verse: 10    
swie des geistes worchtlich minne
Verse: 11    
mit der liebe und mit der lüste
Verse: 12    
enget, witet ane unküste:
Verse: 13    
ich binz aller formen forme,
Verse: 14    
abgenomen nach des innern sinnes norme,
Verse: 15    
die durchblümet was und ist und immer muz ane ende sin.

Verse: 16    
Zwar ich binz aller tugent nature
Verse: 17    
und der materjen nachgebure.
Verse: 18    
swaz ich in dem sinne mure,
Verse: 19    
speher bilde ich vil behure.
Verse: 20    
ich binz aller himel mezzen
Verse: 21    
und swaz ir snelle hat besezzen;
Verse: 22    
wie gestecket in die firme
Verse: 23    
sint die sterne, daz ich tirme,
Verse: 24    
die sich werren mit der irre,
Verse: 25    
inguz, wandel, nehe, virre.
Verse: 26    
ich han geechset allen speren
Verse: 27    
beide ir hemmen und ir keren.
Verse: 28    
wite, lenge, tiufe, höhe
Verse: 29    
winkelmezic miner lust sich nicht entflöhe!
Verse: 30    
zal der dinge mit den sachen ligen in der gehügde min.

Strophe: 18 
Verse: 1    
Wie die döne   löne   schöne
Verse: 2    
schenken uz der armonien,
Verse: 3    
die sich modeln, dries drien,
Verse: 4    
wie die steige, velle schrien,
Verse: 5    
mac man hören
Verse: 6    
in niun kören
Verse: 7    
- den schal nieman mac zerstören -,
Verse: 8    
da min vriedel, der vil süze,
Verse: 9    
schaffet unser beider dinc.

Verse: 10    
Balde ^cröne,   tröne,   vröne^
Verse: 11    
mir ein küssen, sun der gerten!
Verse: 12    
miner menscheit schiltgeverten
Verse: 13    
mich dem künige Jesse zerten.
Verse: 14    
sus in troume
Verse: 15    
wer min goume?
Verse: 16    
under einem apfelboume
Verse: 17    
wart [ ] erwecket ich so süzlich,
Verse: 18    
secht, daz tet ein jungelinc.

Strophe: 19 
Verse: 1    
Nu lat iuch lüsten also hübsches meres:
Verse: 2    
er was sun des alden gerteneres,
Verse: 3    
der gebelzet het in sinem garten
Verse: 4    
den boum, dar an er selber sit des todes wolde warten,
Verse: 5    
min muter an der menscheit da gewaldiclich zerbrochen und zerstöret wart,
Verse: 6    
min kint des lebens tet nach sines vater art.
Verse: 7    
nu secht, ich binz daz bette Salomones
Verse: 8    
rich hochswebendes lones,
Verse: 9    
daz die sechzic starken ummehalden:
Verse: 10    
vier und zweinzic ist der wisen alden,
Verse: 11    
niur zwelfe sint der boten, die des cristentumes walden,
Verse: 12    
der ordenunge niune sint, die nie min lop volzalten,
Verse: 13    
dri patriarchen, vier ewangelisten wunder stalten,
Verse: 14    
noch sint ir achte,
Verse: 15    
den ich sache,
Verse: 16    
daz ir heilikeit min berndez lop bewache,
Verse: 17    
zwar sie sint solcher slachte.

Verse: 18    
Nu streuwet mir die blumen in min klosen,
Verse: 19    
bestecket mich mit liljen und mit rosen!
Verse: 20    
er blume von mir blume wolde entspriezen,
Verse: 21    
und daz was in der zit, daz sich die blumen schouwen liezen.
Verse: 22    
die stat hiez Blume, da der blume uz mir blume warf sich in der blumen zit,
Verse: 23    
und mit dem blumen han ich mich geblümet wit.
Verse: 24    
er schin, ich glast, wir liuchten und erglenzen,
Verse: 25    
merzen, meien, lenzen.
Verse: 26    
swaz der sumer speher varbe erzücket,
Verse: 27    
dar in so hat min vriedel sich gesmücket.
Verse: 28    
er wil, daz ich sin herbest si, und hat in mich gedrücket
Verse: 29    
die truben, da min vater sich hat selben in gebücket.
Verse: 30    
sust wart min kint min swager und min bruder ungestücket.
Verse: 31    
des vluches winter
Verse: 32    
wir verdrungen.
Verse: 33    
ab dem blumen min ist trostes vil entsprungen,
Verse: 34    
sunder, da birc dich hinder!

Strophe: 20 
Verse: 1    
Gein berge climmen nach ir nar   die geize,
Verse: 2    
durch daz min har   ich dar   geleichen heize:
Verse: 3    
der himel höhe han ich überclummen.
Verse: 4    
mich hat die gotheit mit ir macht so meisterlich durchswummen.
Verse: 5    
ich kan über daz gebirge herten herzen komen
Verse: 6    
und mit der sele schaffe ich mines vriedels vromen,
Verse: 7    
des han ich ab den pinen mangen geist genomen,
Verse: 8    
ich binz des wisen Noe trones arke,
Verse: 9    
in die sich vor menschlicher sünden sintvlut barc der starke.
Verse: 10    
zwischen menscheit unde gote
Verse: 11    
sten ich rechte mitten uf der marke:
Verse: 12    
der vater ummehelset mich,
Verse: 13    
der sun verslozzen lit in minem sarke.
Verse: 14    
rubinröte gab er mir mit Simeonis swerte,
Verse: 15    
den smaragd ich in kiusche truc,
Verse: 16    
der saphir zierte mich genuc.
Verse: 17    
des herten vluches adamas zerbrochen wart
Verse: 18    
mit sinem blute, sust er mich gewerte.

Verse: 19    
Des siges jaspis, der daz blut   verstalte,
Verse: 20    
der kempfe gut,   die vlut   des jamers valte.
Verse: 21    
erbrennet durch berillen warer minne
Verse: 22    
daz trübe jachandine herze wart entzündic inne.
Verse: 23    
sin topasieren mir in reiner lüste quam,
Verse: 24    
do calcedonete ich, daz ez der züchte zam,
Verse: 25    
sust trug ich amatisten der vil bernden scham.
Verse: 26    
der vröuden crisoliten mich durchslichen,
Verse: 27    
do mir der angeborne nebel wart geistlich ab gestrichen.
Verse: 28    
sust ein roup der mantel was,
Verse: 29    
mir die röuber nimmerme entwichen.
Verse: 30    
alsust ich menschlich gotlich wart,
Verse: 31    
ja gotlich menschlich, daz hat er getichen.
Verse: 32    
vröut iuch alle, vröut iuch immer miner balsamiten!
Verse: 33    
ich volles wunsches wurzesmac,
Verse: 34    
min mitsam granatin bejac
Verse: 35    
den brasem des trostes heilsam an iuch strichen muz,
Verse: 36    
sust werdet ir des himels margariten.



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This text is part of the TITUS edition of Heinrich von Meissen, Frauenlob.

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