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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.

Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






ṭaḳuḳ-:

1. In der Bibelübersetzung vielfach Bezeichnung eines Gefäßes als Wiedergabe von gr. κρατήρ. Der älteste Beleg ist dabei dem Xanmeṭi-Fragment von Spr.Sal. 9 in der Hs. A 999 zu entnehmen (9,2 {10.}: -ta), wo gleichzeitig die einzige Ausnahme von der ansonsten völlig regelmäßigen Entsprechung κρατήρ / ṭaḳuḳ- zu notieren ist, insofern das griech. Wort bei seiner Wiederaufnahme in Spr.Sal. 9,3 durch gan-mzad-eb-ul-, wtl. "(der) vorbereitet(e)" vertreten ist; einen ähnlichen Wortlaut zeigt auch das Pariser Lektionar, wo das PPP gan-zav-eb-ul- "gemischt" erscheint, während die Mcxeta-Bibel beide Male von ṭaḳuḳ-ta spricht. Keine Erklärung für die Doppelvertretung gibt die armen. Bibel, die an der gegebenen Stelle beide Male das Wort xar̄neli verwendet; als Weiterbildung von xar̄nel "vermengen, mischen", das in der Form xar̄neacՙ in Spr.Sal. 9,2 selbst für gr. ἐκέρασεν steht, dürfte dieses Wort auf einer Lehnübersetzung des gr. κρατήρ (zu κεράννυμι) beruhen. Während xar̄neli in Ex. 24,6 {3.} noch ein zweites Mal für gr. κρατήρ bzw. georg. ṭaḳuḳ-sa erscheint, gebraucht die armen. Bibel an zwei weiteren Stellen in Ex., wo ein "schalenförmiger" Bestandteil des Leuchters gemeint ist, das Wort skah (25,31 {8.}) bzw. dessen Weiterbildung skahajew "skah-förmig" (25,33-34 {9.}), das sich mit dem an gleicher Stelle auftretenden syr. ܐܷܣܩܦܳܐ esqp̄ā, selbst vermutlich Lehnwort aus gr. σκάϕη "Schale", identifizieren läßt1; die georg. Bibel verwendet auch hier in allen Redaktionen ṭaḳuḳ- (-ni)2. Wieder ein anderes Wort gebraucht die armen. Bibel in dem verbleibenden Beleg von gr. κρατήρ, Hohel. 7,2 (7,3 LXX {1.}), wo sie dem georg. ṭaḳuḳ- (im endungslosen Kasus) das an dieses anklingende tՙakoyk gegenüberstellt. Dieselbe Gleichung findet sich daneben auch im folgenden Kontext:
2. In Jo. 2,6-7 {7.} erscheint arm. tՙakoyk als Wiedergabe von gr. ὑδρία "Wassergefäß". Während die georg. "Protovulgata" das Wort hier wie auch sonst durch sarc̣q̇ul- wiedergibt, das als autochthone georg. Bildung zu c̣q̇al- "Wasser" zu stellen ist, bietet das Adiši-Tetraevangelium wiederum ṭaḳuḳ- (-ni), was dessen Gleichsetzung mit arm. tՙakoyk unterstreicht. Daß der Wortlaut der Adiši-Hs. innerhalb der georg. Überlieferung hier eine ältere Tradition fortsetzt, bezeugt das Martyrium des hl. Evsṭaṭi von Mcxeta, wo in der einer Evangelienharmonie nahekommenden Nacherzählung der neutestamentlichen Geschichte3 auf die vorliegende Stelle ebenfalls mit ṭaḳuḳ- Bezug genommen wird (39,20-23 {7a}). Die Wiedergabe von gr. ὑδρία durch arm. tՙakoyk und georg. ṭaḳuḳ- ist umso auffälliger, als in Jo. 4,28 {14.}, wo die armen. Bibel ὑδρία nicht durch tՙakoyk, sondern durch sapՙor übersetzt, auch die Adiši-Hs. wie die Protovulgata sarc̣q̇ul- gebraucht, und auch sonst für gr. ὑδρία im Armenischen ausschließlich sapՙor steht. Auch in Jo. 2,6-7 kann wieder ein Zusammenhang mit der syr. Bibel vorliegen, da hier das Wort ܐܓܳܢܳܐ aḡānā "Mörser" verwendet wird, in Jo. 4,28 jedoch das auch sonst übliche ܩܽܘܠܬܼܰܐ qūlṯā "Krug". Die georg. Bibel setzt für gr. ὑδρία ansonsten noch čap- (Ri. 7,16-20 {15.}), sa-pkvil-e- (3.Kön. 17,12-16 {16.}) sowie einmal lagwn- (3.Kön. 18,34 M {17.}) ein. Dabei dürfte das zweite als "Mehlgefäß" durch den Kontext mit pkvil- ≈ gr. ἄλευρον hervorgerufen sein4, während lagwn- normalerweise für gr. κεράμιον steht (z.B. Jes. 5,10 I {18.}), für das im Armenischen wiederum regelmäßig sapՙor eintritt (eine Ausnahme bildet lediglich Jer. 35,5 ≈ 42,5 LXX {19.}, wo der armen. Text aman hat). Georg. čap- ist offenbar mit dem gleichlautenden arm. čՙapՙ zu identifizieren, das z.B. in Ex. 16,33 {2.} an der Stelle der Maßeinheit γομορ (≈ hebr. עֹמֶר ՙomer) steht; die georg. Bibel hat hierfür sac̣q̇aul-, das seinerseits wieder in 3.Kön. 5,11 (≈ 5,25 LXX {21.}) für die Maßeinheit βεϑ (≈ hebr. בַּת baṯ) bzw. arm. sapՙor eingesetzt ist. Arm. sapՙor erscheint darüber hinaus noch für gr. νεβελ (≈ hebr. נֵבֶל nēḇel "Schlauch") in 1.Kön. 1,24 {20.}, wo die Mcxeta-Bibel sac̣de- verwendet, sowie in 3.Kön. 7,38 (≈ 7,24 LXX {22.}), wo das gr. χοεύς im Georgischen durch mar- "Maß" wiedergegeben ist. An den zwei verbleibenden Belegstellen von arm. sapՙor ist dieses selbst mit georg. ṭaḳuḳ- gleichzusetzen:
3. In Ex. 16,33 {2.} und einer darauf bezogenen Stelle aus dem Hebräerbrief (9,4 {2a}) stehen arm. sapՙor und georg. ṭaḳuḳ- (-i) gr. στάμνος "Krug" gegenüber, wobei die verschiedenen Redaktionen des georg. Texts nicht voneinander abweichen; auf Ex. 16,33 bezieht sich ferner Epiphanius von Zypern in seinem Traktat über die "Maße und Gewichte", wo das Manna enthaltende Gefäß erst durch lagwn-, dann ebenfalls durch ṭaḳuḳ- bezeichnet ist (Epiph. Mens. 30,7 {2b}: -i; 15 {4.}: -sa; 32,2 {5.} u.ö.: -is-a). Dasselbe gr. στάμνος wird in 3.Kön. 14,3 {23.} (in der Origenischen Rezension, der der armen. und georg. Text folglich nahestehen; der Lukianische Text, dem z.B. der Codex Vaticanus folgt, bringt dieselbe Stelle unter 12,24 h-l) durch arm. stoman und georg. sṭamn- übersetzt, die offensichtlich Entlehnungen von στάμνος darstellen (vgl. zum Armenischen bereits Hübschmann, AG 382, 430.). Das Paar arm. stoman / georg. sṭamn- ist auch in Mk. 7,4 {24.} zu notieren, wo der griech. Text mit ξέστης eine andere Gefäßbezeichnung verwendet; dabei ist das Zeugnis der syr. Bibel zu beachten, die στάμνος in Ex. 16,33 {2.} und Heb. 9,4 {2a} so wie ξέστης in Mk. 7,4 durch das aus diesem entlehnte ܩܶܣـܼـܛܰܐ qesṭā wiedergibt (gegenüber ܒܓܒܘܓܐ baḡbūḡā in 3.Kön. 14,3 {23.}), während die syr. Version der "Maße und Gewichte" des Epiphanius mit dem Gräzismus ܣܛܐܡܢܘܣ sṭāmnūs operiert. Auffällig ist in Mk. 7,4 noch der in der Adiši-Hs. (C) erscheinende Stamm sṭaman- (-ta-y), der an eine Entlehnung über arm. stoman denken läßt, da das Altgeorgische eine Lautfolge -mnt-, die in *sṭamn-ta-y zu erwarten wäre, durchaus dulden konnte, wie z.B. das Verb šta-m-ntk-n-e-s "sie würden uns verschlingen" in Ps. 123,3 AG {25.} (gegenüber lautlich vereinfachtem da-m-tk-n-e-s in B und šta-m-tk-n-e-s in 123,4 A) zeigt; hier liegt allerdings zwischen -m- und -n- eine Morphemgrenze.
4. Innerhalb der georg. Bibelübersetzung erscheint ṭaḳuḳ- (-eb-i) noch in Ex. 25,29 {11.} (in allen verfügbaren Textredaktionen) und Num. 4,7 {11a} (in der bisher allein ediert vorliegenden Mcxeta-Bibel), wo vier Arten von Opfergefäßen aufgezählt werden, die im gr. Text durch τρύβλια, ϑυίσκαι, σπονδεῖα und κύαϑοι benannt sind. Dabei scheint ṭaḳuḳ- in beiden Versen gr. σπονδεῖον zu entsprechen, das wie ṭaḳuḳ- in Ex. 25,29 an dritter, in Num. 4,7 an vierter Stelle der Auflistung steht; in der Mcxeta-Bibel und der mit ihr übereinstimmenden Hs. A 179 (C) ist die Zuordnung allerdings nicht ganz sicher, da hier den vier gr. Wörtern die fünf Termini ṗinaḳ-eb-i, pial-eb-i, ṭaḳuḳ-eb-i, barʒim-eb-i und šta-saq̇opel-ni gegenüberstehen. Noch problematischer wird die Aufstellung von Korrelationen, wenn man in die Betrachtung die Stelle Ex. 38,12 ({11b}; ≈ 37,16 M, armen.) einbezieht, wo die Septuaginta wieder dieselbe Liste wie in Num. 4,7 bietet, die georg. Redaktionen jedoch für die τρυβλία, ϑυίσκαι, σπονδεῖα und κύαϑοι teils ṗinaḳ-eb-i, pial-eb-i, pešxu-eb-i und govzaḳ-eb-i (OBM), teils ṭasṭ-eb-i, pial-eb-i, saḳmevelta saglel-ni, č̣ašaḳ-eb-i und barǯim-eb-i bieten (AK). Lediglich zwei Gleichsetzungen scheinen dabei genügend fest gewesen sein, nämlich die von gr. τρύβλιον "Schale" mit georg. ṗinaḳ-, das selbst aus gr. πίναξ "Holzbrett, Teller" entlehnt sein dürfte, sowie von gr. ϕιάλη "Trinkschale" mit georg. pial-, das sein griech. Pendant direkt reflektiert; die Lesart psiad- in Ex. 25,29 OB dürfte auf einer Entstellung beruhen, wobei pial- mit dem auch sonst belegbaren psiad- (z.B. Sin. 11, 397r {27.} nach Ab.Wb., womit das Martyrium des hl. Arethas gemeint sein müßte) oder psiat- (z.B. in der theophilischen Version des "Systematischen Paterikons", A 1105, 182r {26.} nach Ab.Wb.) verwechselt wurde, das selbst gr. ψίαϑος "Matte, Matratze" vertritt. Keine eindeutige Zuordnung ergibt sich hingegen für die gr. σπονδεῖα und κύαϑοι. Diesen Befund mag die folgende tabellarische Übersicht verdeutlichen, die zum Vergleich auch die armen., syr. und hebr. Entsprechungen heranzieht:

Ex. 25,29 {11.}:

 gr.  geo.(OB)  geo.(AK)  geo.(MC)  armen.  syr.  hebr.
 τρυβλία  ṗinaḳ-ebi  ṗinaḳ-ebi  ṗinaḳ-ebi  xnkałkՙ  pīlāsā  qəՙārōṯ
 ϑυίσκαι  psiad-ebi  pial-ebi  pial-ebi  towpՙkՙ  kapā  kapōṯ
 σπονδεῖα  ṭaḳuḳ-ebi  ṭaḳuḳ-ebi  ṭaḳuḳ-ebi

+ barʒim-ebi
 čašakkՙ  zāḇōrā  qəśōṯ
 κύαϑοι  cicxu-ebi  cicxu-ebi  štasaq̇opel-ebi  nowiranocՙkՙ  mənīqīṯā  mənaqqīōṯ

Num. 4,7 {11a}:

 gr.      georg. (M)  armen.  syr.  hebr.
 τρυβλία      ṗinaḳ-ebi  apՙsēkՙ  maḡsā  qəՙārōṯ
 ϑυίσκαι      pial-ebi  towpՙkՙ  kapā  kapōṯ
 κύαϑοι      cicxu-ebi  čašakkՙ  mənīqīṯā  mənaqqīyōṯ
 σπονδεῖα      ṭaḳuḳ-ebi  nowiranocՙkՙ  ṭrūlā  qəśōṯ

Ex. 37,16 ≈ 38,12 {11b}:

 gr.  geo.(OB)  geo.(AK)  geo.(M)  armen.  syr.  hebr.
 τρυβλία  ṗinaḳ-ebi  tasṭ-ebi  ṗinaḳ-ebi  xnkałkՙ  maḡsā  qəՙārōṯ
 ϑυίσκαι  pial-ebi  pial-ebi  pial-ebi  ariwnakalkՙ  kapā  kapōṯ
 κύαϑοι  pešxu-ebi  saḳmevelta

saglelni

+ č̣ašaḳ-ebi
 pešxu-ebi

 čašakkՙ  zāḇōrā  mənaqqīyōṯ
 σπονδεῖα  govzaḳ-ebi  barʒim-ebi  govzaḳ-ebi  nowiranocՙkՙ  mənīqīṯā  qəśōṯ

Ein erster Fingerzeig zur Klärung der Verhältnisse ist nun dem armen. Text zu entnehmen, der in Ex. 37,16 {11b} an der Stelle des gr. κύαϑος das Wort čašakkՙ verwendet, das ohne weiteres mit dem georg. č̣ašaḳ- in AK (38,12) identifizierbar ist; dafür spricht auch ein Beleg in der Homilie des Aphraates über das "Gelübde", wo ebenfalls einem arm. čašak ein georg. č̣ašaḳ- entgegensteht (313,28-30 {28.}). Arm. čašak tritt daneben aber auch in Ex. 25,29 und Num. 4,7 auf, und zwar beide Male an der dritten Stelle der Aufzählung, so daß es insgesamt zweimal gr. κύαϑος, einmal jedoch gr. σπονδεῖον zu entsprechen scheint. Keine Klärung schaffen dabei die Belege für čašak in Lev. 14,10 ff. {29.}, wo es griech. κοτύλη wiedergibt, sowie in Weish.Sal. 16,3 {30.} und 20, wo es gr. γεῦσις übersetzt (die georg. Bibel hat dafür sac̣q̇aul- bzw. gemo-). Aufschlußreich ist jedoch Jer. 52,19 {11c}, wo — neben σαπϕωϑ (≈ hebr. הַסִּפִּים ha-ssipīm), μασμαρωϑ (≈ hebr. הַמִּזְקוֹת ha-mmizrāqōṯ?), ὑποχυτῆρες und λυχνίαι — wieder ϑυίσκαι und κύαϑοι genannt werden, denen der armen. Text čašakkՙ und towpՙkՙ gegenüberstellt. Da die ϑυίσκαι in Ex. 25,29 und Num. 4,7 ihrerseits durch towpՙ übersetzt sind, ist zunächst anzunehmen, daß in Jer. 52,19 die Reihenfolge der beiden Termini in der armen. Bibel vertauscht wurde; dies bestätigt die georg. Bibel, die č̣ašaḳ- an der Position der κύαϑοι hat5. Zugleich kann die Gleichung κύαϑος / čašak auch für Ex. 25,29 als ursprünglich angesetzt werden, was auch für diesen Vers eine Inversion (und damit eine Angleichung an Ex. 36,17 und Num. 4,7) voraussetzt, nämlich zwischen den armen. Termini nowiranocՙkՙ und čašakkՙ als Vertretern von gr. σπονδεῖα und κύαϑος. Auch dies mag durch eine Tabelle verdeutlicht werden:
Jer. 52,19 {11c}:

 gr.  georg. (IO)  georg. (M)  armen.  syr.  hebr.
 σαπϕωϑ  saṗput-ni  sasaḳumevel-ni

+ vexn-ebi

+ saṗpot-ni
 zappՙovtՙ  qəṭrōqā

+ pīrmā

mašlawāṯā
 hassipīm

+ hammaḥtōṯ
 μασμαρωϑ  masmarot-ni  mazmarot-ni  masarakovtՙ  qaḏsā  hammizrāqōṯ
 ὑποχυτῆρες  sac̣urvel-ni  sac̣urvel-ebi  parzowtkՙ  mazməḵā  hassīrōṯ
 λυχνίαι  sasantle-ebi  sasantle-ebi  aštanakkՙ  mənārtā  hammənorōṯ
 ϑυίσκαι  s(ar)par-ni  samsxuerṗlo-ebi  čašakkՙ  kapā  hakapōṯ
 κύαϑοι  č̣ašaḳ-ebi  č̣ašaḳ-ebi  towpՙkՙ  mənīqīṯa  hammənaqīōṯ

Gleichzeitig ergibt sich für den georg. Text von Ex. 38,12 / 37,16 {11b} die Folgerung, daß das hier in der Redaktion AK erscheinde č̣ašaḳ- entsprechend arm. čašak als Vertreter von gr. κύαϑος anzusehen ist; damit wird das ihm folgende barʒim- als Entsprechung von gr. σπονδεῖον gewonnen. Dies wiederum gestattet, auch in Ex. 25,29 MC {11.} barʒim- als Äquivalent von gr. σπονδεῖον festzuhalten. Daß georg. barʒim- ansonsten regelmäßig für gr. κόνδυ eintritt, wobei ihm im armenischen Text teils skih (Gen. 44,2 ff. {32.}), teils bažak enstpricht (Jes. 51,17 {31.}; 22) kann diese Gleichsetzung nicht falsifizieren (s. dazu weiter unter 5.).
Dennoch kann auch die Entsprechung σπονδεῖον / ṭaḳuḳ- aufrechterhalten bleiben, wie sie die überwiegende Masse der georg. Textzeugen für Ex. 25,29 {11.} und Num. 4,7 {11a} nahelegt. Für Ex. 25,29 MC bedarf es hierzu lediglich Annahme, daß entweder ṭaḳuḳ- oder barʒim- als Glosse sekundär in den Text geraten sind; eine entsprechende Annahme verlangt ja auch Ex. 38,12 AK {11b}, wo nunmehr das neben č̣ašaḳ- stehende saḳmevelta saglel- "überzählig" ist6. Dabei kann die Entsprechung von gr. σπονδεῖον und georg. ṭaḳuḳ- keine sehr feste gewesen sein. Das zeigt sich an dem in Ex. 38,12 (37,16) {11b} in der Ošḳi-, der Bakar- und der Mcxeta-Bibel erscheinenden govzaḳ-, für dessen Wahl gegenüber "normalem" arm. nowiranocՙ keine besonderen Gründe erkennbar sind (s. dazu weiter s.v. nigoz-). Es zeigt sich weiter in 1.Chr. 28,17 {34.}, wo die armen. Bibel ebenfalls nowiranocՙ als Pendant von gr. σπονδεῖον gebaucht, während die georg. Bibel die Fügung šesac̣iravad ġwnisa-, wtl. "zum Opfern des Weines", verwendet. Noch weiter ab steht der Wortlaut von 3.Esr. (≈ 1.Esr. LXX, armen.) 2,9 {35.}, wo für gr. σπονδεῖον im georg. Text die Bildung samsaxurebel- erscheint, die sich in der Bedeutung "zum (Gottes-)Dienst geeignetes (sc. Gefäß)" mit dem undifferenzierten arm. spas "Geschirr" deckt. — Daß georg. ṭaḳuḳ- "glossierungsbedürftig" war, läßt sich darüber hinaus an einem letzten bibl. Beleg des Wortes wahrscheinlich machen:

5. In Esth. 1,7 {12.} ist ṭaḳuḳ-eb-i noch einmal für die Mcxeta-Bibel zu notieren. Dabei scheint es im gr. Text das Wort κυλίκιον wiederzugeben, das innerhalb der Bibel nur hier erscheint und mit dem Attribut ἀνϑρακινόν etwa einen "mit Karfunkeln versehenen Trinkbecher" bezeichnen dürfte; dem Attribut scheint dabei die Fügung antraḳi ganc̣onilni zu entsprechen. Es bleiben jedoch gewisse syntaktische Inkongruenzen zu konstatieren, die diese Analyse widerraten. Der Nom.Pl. ganc̣onil-ni deckt sich nämlich mit dem folgenden c̣ina dagebul-ni ≈ προκείμενον, nicht jedoch mit ṭaḳuḳ-eb-i als Nom.Koll., das ein Attribut im Nom.Sg. oder Koll. erwarten ließe. Eher wahrscheinlich ist deshalb, daß ganc̣onil-, das ansonsten das "Hindurchgedrungensein" von Pfeilen bezeichnet (vgl. Hiob 6,4 OM {36.}), hier selbst das gr. κυλίκιον vertritt7.
Gleichzeitig fällt auf, daß im gleichen Vers auch das Wort barʒim- erscheint. Auch bei diesem Wort ist der Bezug nicht ohne weiteres auszumachen. Da der Anfang des hier vorliegenden Verses überhaupt kein griech. Gegenstück zu haben scheint, läßt sich jedoch annehmen, daß die barʒim-eb-i den ποτήρια entsprechen, mit denen Esth. 1,7 {12.} hier beginnt8; dies legt zumindest die Äquivalenz der beiden folgenden Wörter, okro-yt-a ≈ χρυσοῦν nahe. Nun wird gr. ποτήριον in der georg. Bibel normalerweise durch sa-sum-el-, wtl. "zum Trinken dienend(es Gefäß)" wiedergegeben (z.B. Gen. 40,11 {37.}); die Verwendung von barʒim- in Esther müßte folglich eine Ausnahme darstellen. Für dieselbe Ausnahme fallen mit Ap.Jo. 17,4 {33.} und 18,6 aber zwei weitere Belege an, so daß georg. barʒim- als ein mögliches Pendant für gr. ποτήριον festzuhalten bleibt.
Die oben unter 4. niedergelegten Beobachtungen, wonach georg. barʒim- und ṭaḳuḳ- sich bei der Wiedergabe von gr. σπονδεῖον überschneiden, lassen nun erwägen, ob auch im vorliegenden Vers ṭaḳuḳ-eb-i mit barʒim-eb-is-a — im Sinne einer in den Text geratenen Glosse — gleichgesetzt werden kann. Auch dagegen scheint wieder eine morphologische Diskrepanz zu sprechen, insofern das letztere Wort nicht im Nom., sondern im Gen.Koll. steht. Gerade bei einer ursprünglichen Marginalglosse kann aber der Nom. anstelle eines anderen Kasus gerechtfertigt werden. Für die Annahme eines sekundären Einschubs von ṭaḳuḳ-eb-i spricht nun wieder eine Übereinstimmung mit dem armen. Text. Hier erscheint an der Stelle von gr. ποτήριον nämlich ebenfalls nicht dessen Normalvertretung, bažak, sondern tՙakoykkՙ, das sich genau mit dem georg. ṭaḳuḳ-eb-i deckt; dabei müßte das danebenstehende əmpelikՙ tՙagaworin, wtl. "zum Trinken geeignete (Gefäße) des Königs", dem ἀνϑράκινον κυλίκιον des gr. Texts entsprechen, was sich unter der Annahme einer Verlesung von κυριακόν für κυλίκιον rechtfertigen ließe. Wie immer man sich hier entscheiden wird, bleibt Esth. 1,7 {12.} doch als ein weiterer Beleg für die Gleichung arm. tՙakoyk / georg. ṭaḳuḳ- festzuhalten.
6. Außerhalb der Bibelübersetzung ist georg. ṭaḳuḳ- bisher nur spärlich zu belegen. Abgesehen von den bereits o.e. Bibelallusionen aus dem Martyrium des hl. Evsṭaṭi von Mcxeta (s. 2.) und den "Maßen und Gewichten" des Epiphanius von Zypern (s. 3.) ist hier zunächst eine Textstelle aus der zweiten Redaktion der Vita des hl. Ioane Zedazneli zu nennen, die gemeinhin als georg. Originaltext angesehen wird (Io.Zed.B 217,14-20 {6.}: -it-a; die erste Redaktion (A) enthält die fragliche Textpassage nicht). Einen weiteren Beleg, der keinen Bezug zu biblischem Textmaterial erkennen läßt, liefert das Martyrium des hl. Longinus, das von Ḳ. Ḳeḳeliʒe in der Sammlung der "Keimena" herausgegeben wurde (1, 190,33 {13.}: -eb-i). Während in der Vita des hl. Ioane aus dem Kontext deutlich hervorgeht, daß ein Trinkgefäß gemeint ist, ist im letztgenannten Text eher eine Art Opfergefäß gemeint; beide Belege bleiben damit im Rahmen der bisher aufgezeigten Verwendungsbereiche von ṭaḳuḳ-.

Die durch die Beleglage nahegelegte Identifikation von georg. ṭaḳuḳ- und arm. tՙakoyk ist bereits mehrfach propagiert worden. Ohne nähere Ausführungen findet sich die Gleichung z.B. in dem Glossar zu Molitor, Mon.Iber. (127) abgedruckt, wobei sich der Autor auf den Xanmeṭi-Beleg von Spr.Sal. 9,2-3 {10.} bezieht. Expliziter äußert sich Androniḳašvili, Narḳv. 374, die die beiden Wörter weiter mit mpers. takōk "Weingefäß" ("ღვინის თასი") und npers. takūk "Becher, Tasse, Glas" ("სასმისი, თასი, ჭიქა") zusammenstellt; sie stimmt dabei mit Hübschmann, AG 153, 244. überein, der für arm. tՙakoyk bereits dieselben iran. Kognaten anführte9. Die Identifikation mit mpers. takōg wird durch die jetzt bei Gignoux, Ustensiles 74 f. behandelte Textstelle aus der PÜ des Nirangistan (es handelt sich um N. 64 {38.}) eindrücklich bestätigt, da hier ähnlich wie bei den oben behandelten Belegstellen für georg. ṭaḳuḳ- und armen. tՙakoyk ein rituelles Libationsgefäß gemeint zu sein scheint10. Einer einfachen Gleichsetzung von georg. ṭaḳuḳ- und arm. tՙakoyk stehen aber gewisse lautliche Unterschiede entgegen, die die Artikulationsart des anlautenden Konsonanten sowie den Vokalismus der zweiten Silbe betreffen; beide Divergenzen bleiben bei Androniḳašvili a.a.O. unbeachtet, bedürfen jedoch einer kurzen Diskussion.
Arm. tՙakoyk wird durch den Diphthong -oy- als Vertreter eines miran. -ō- < *-au- zunächst als eine recht frühe (arsakid.-parth.) Entlehnung ausgewiesen; für das Georgische wäre nach dem Beispiel von nigoz- "Nuß" gegenüber arm. ənkoyz "id." ein -o- (oder -ov-) zu erwarten (s. dort). Wenn das georg. ṭaḳuḳ- nun statt dessen ein -u- aufweist, könnte man zunächst an eine Entlehnung aus einer npers. Form denken, die bereits den Übergang von dem — nicht zuletzt durch arm. tՙakoyk geforderten — mpers. -ō- zu -ū- repräsentieren würde. Entschieden gegen eine solche Annahme spricht jedoch die frühe Bezeugung des georg. Wortes, für das ja immerhin schon ein Xanmeṭi-Beleg zu notieren war; hinzu kommt, daß für npers. takūk durch sein Reimverhalten selbst noch eine längere Zeit lang eine Aussprache mit -ō- nachweisbar ist (cf. dazu Grdr.Iran.Phil. I/2, 185). Wenn man sich nun nicht darauf beschränken will, eine ungeregelte Vertretung von miran. -ō- durch georg. -u- anzunehmen, wie es M. Androniḳašvili tut (Narḳv. 189), so kommt nur noch eine Erklärung in Betracht, nämlich daß georg. ṭaḳuḳ- seinerseits das arm. tՙakoyk reflektiert. Ausgangsbasis dürfte dabei nicht die jüngere Aussprache des armen. Wortes sein, bei der der Diphthong <oy> als [ui̯] erscheint, sondern der durch die sog. "Vokalschwächung" regulär entwickelte "oblique" Stamm tՙakowk-, der z.B. in dem Gen.Sg. tՙakowki vorliegt. Die Annahme einer Entlehnung aus dem Armenischen wird durch die Beleglage zwar nicht eindeutig untermauert, läßt sich aber durch bestimmte Indizien wie z.B. die Verwendung des Wortes in der Adiši-Hs. (s.o. 2.) oder sein Auftreten in glossenartigen Einschüben (s.o. unter 5. zu Esth. 1,7 {12.}) stützen. Ausschlaggebend ist, daß dasselbe Verhältnis von georg. -u- und arm. -oy- auch bei anderen Wörtern auftritt, für die eine Übernahme aus dem Armenischen als sicher gelten kann, wobei v.a. das mit ṭaḳuḳ- reimende maḳuḳ- "Schiffchen" zu nennen ist (s.d. und weiter unter xoir-).
Problematisch bleibt bei der Annahme einer Entlehnung von georg. ṭaḳuḳ- aus arm. tՙakowk- die Diskrepanz im anlautenden Konsonanten. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß als Vertreter eines miran. t- das georg. (glottalisierte, nicht aspirierte) ṭ- den Normalfall darstellt; auch für das Armenische wäre, wenn man die bei Hübschmann, AG erfaßten Iranismen zugrundelegt, als die statistisch unmarkierte Entsprechung ein nicht aspiriertes t- zu erwarten. Nimmt man das Zeugnis des Georgischen ernst, wobei wieder auf das hohe Alter des Xanmeṭi-Belegs hinzuweisen ist, so ließe sich annehmen, daß das armen. Wort zur Zeit der Entlehnung noch *takoyk (mit obliquem Stamm *takowk-) gelautet hätte, dann aber seinerseits im Laufe der armen. Sprachgeschichte zu tՙakoyk umgestaltet worden wäre. Eine solche Umgestaltung könnte auf verschiedene Weisen begründet werden. Zum einen wäre denkbar, daß das Armenische die Folge dreier nicht-aspirierter Tenues dissimilatorisch durch die Einsetzung einer Aspirata aufgelöst hätte. Dagegen sprechen jedoch Wörter wie tapak "Bratpfanne", wo eine entsprechende Dissimilation nicht eingetreten ist; man vgl. demgegenüber das georg. Pendant des Wortes, das neben ṭaṗaḳ- auch die Varianten ṭabaḳ- und ṭapaḳ- kennt. Eine andere Lösung könnte von einem ursprünglichen Nebeneinander der Formen mit tՙ- und t- ausgehen, das auf der Entlehnung aus verschiedenen iran. Dialekten oder in verschiedene armen. Dialekte beruhen könnte. Für wahrscheinlicher halte ich die Möglichkeit, daß die offenbar allein überlieferte armen. Wortform mit tՙ- einen sekundären Einfluß des npers. takūk zeigt, d.h. eine (teilweise) Neuentlehnung darstellt, was voraussetzen würde, daß wie das Georgische auch das Armenische ab einem bestimmten Zeitpunkt der npers. Epoche die iran. Tenues nicht mehr durch seine nichtaspirierten (bzw. glottalisierten) Okklusive, sondern durch die Aspiraten substituiert hat (cf. in diesem Sinne bereits Deeters, Arm.südk. 1 [Cauc. 3], 73 mit Verweis auf Ačar̄yan). Diese Annahme bedarf noch weitergehender Untersuchungen. — Für die inneriran. Herleitung des Wortes11 sind durch die hier vorgetragenen Überlegungen im Zusammenhang mit georg. ṭaḳuḳ- keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen.
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