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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
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Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






ṗiṭiaxš-:

In den ältesten hagiographischen Originaltexten der Georgier, den Martyrien der hl. Šušaniḳ und des hl. Evsṭaṭi von Mcxeta, sowie in der georg. Königschronik, die in der "Bekehrung Georgiens" enthalten ist, ist ṗiṭiaxš- der Titel der von den Sasanidenkönigen eingesetzten Statthalter in Georgien oder Armenien. Soweit entsprechende Stellen in armen. Paralleltexten vorliegen, verwenden diese den Titel bdeašx (z.B. Šuš. 11,5-7 = 3,6 {1.}: -i; Ǯš. [K.Cx.1], 199,18 = armen. K.Cx. 183,15 {12.}), mit dem georg. ṗiṭiaxš- folglich gleichzusetzen ist.
Allerdings wird die durch ṗiṭiaxš- bezeichnete Stellung in innergeorg. Paralleltexten häufig nicht gleich benannt. Dies gilt z.B. für den Ehemann der hl. Šušaniḳ, durch den diese zu Tode gefoltert wurde, und dessen Name in den Varianten Varsḳen (Šuš. pass., Mokc.A 326,10 {1a}; in Mokc.B 94,24-27 ist die Nennung unterblieben), Vasken (Ǯš. [K.Cx. 1], 216,1 {1b}) und Vazgen (armen. Šuš., pass.) erscheint: Während die Funktion des Mannes in der Legende der Heiligen (pass.) wie auch in der "Bekehrung Georgiens" (Mokc.A, l.c.) durch ṗiṭiaxš- bzw. bdeašx bezeichnet ist, wurde er nach den Informationen der Chronik Ǯuanšers, die einen Bestandteil der Kartlis Cxovreba bildet, vom Perserkönig1 als eris-tav- in die ostgeorg. Provinz Ran gesandt (Ǯš. 215,20-216,5 {1b}). Daß dem Gatten der Šušaniḳ, Varsḳen / Vasken / Vazgen, der durch ṗiṭiaxš- bzw. bdeašx bezeichnete Titel tatsächlich zukam, wird aber eventuell durch einen Beleg im Martyrium des hl. Evsṭati bestätigt (34,1-4 {2.}: -i): Hier ist zwar von einem anderen ṗiṭiaxš- namens Aršuša- die Rede; dieser könnte jedoch mit dem in der Šušaniḳ-Legende agierenden Varsḳen verwandt gewesen sein, da letzterer nach Ausweis der Legende einen Vater desselben Namens Aršuša / Aršowša hatte und dieser nach der armen. Version ebenfalls bereits bdeašx gewesen war. Dieser Aršuša wiederum dürfte auch mit dem bei Movsēs Xorenacՙi (3.6), Łazar Pՙarpՙecՙi u.a. genannten Ašowšay, bdeašx von Gugarene gemeint sein. Eine Identität der beiden georg. Aršuša ist hingegen auszuschließen, da das Martyrium des Evsṭaṭi von Mcxeta ca. 50 Jahre später anzusetzen ist als das der hl. Šušaniḳ; es könnte sich aber um einen in direkter Erbfolge stehenden Nachfahren des Vaters von Varsḳen handeln.
Eine ähnliche Divergenz zwischen der "Bekehrung" und der "Chronik" zeigt sich auch im Falle des Großvaters des georg. Königs Vaxṭang Gorgasali (5. Jh.), dessen Name als Barzabod (Ǯš. 141,7 ff. {10a}) bzw. Barazbod überliefert ist (Mokc.A 325,26-28 {10.}; die Notation Barab in Mokc.B 92,35-38 dürfte aus letzterer Form entstellt sein): Auch er wird in der "Chronik" als "Eristavi von Ran" bezeichnet, in der "Bekehrung" jedoch als ein ṗiṭiaxš-, der selbst einen Eristavi einsetzen konnte, nämlich einen zoroastrischen "Bischof" mit den unklaren Namensvarianten Binkaran / Šinkaran (u.ä.) / Bolnokon / Glonokor. Dasselbe Verhältnis zwischen einem ṗiṭiaxš- in der "Bekehrung" und einem eristav- in der "Chronik" ist weiter noch für einen dritten Beleg zu notieren. Dabei handelt es sich um einen Abgesandten des pers. Königs, der den georg. König Mirdaṭ IV. (Anf. 5. Jh.) besiegte und nach Baġdad verschleppte; dieser erscheint in der "Bekehrung", und zwar nur in der Šaṭberd-Fassung (Mokc.A 325,17-18 {6.}: -man), in der Namensform Varaš, in der Chronik jedoch in den Lesarten uprob, uprib, ubraab, ubrab, ubarab, abram (!) und ubaraš, von denen sich die letztere (aus der Hs. C des XVI. Jhs.) aufgrund der Übereinstimmung mit der "Bekehrung" als die wahrscheinlichste erweist, ohne damit jedoch deutbar zu sein2.
Die divergierende Betitelung der genannten Personen dürfte darauf zurückzuführen sein, daß ṗiṭiaxš- im Georgischen generell keinen so festen Stellenwert hatte wie sein Pendant bdeašx im Armenischen. Dafür spricht auch, daß ṗiṭiaxš- anders als bdeašx in der Bibelübersetzung nicht vorkommt. Während das armen. Wort viermal in der Apostelgeschichte in der Wendung pՙoxanak bdešxi, wtl. "stellvertretend(er) für den b.", als Übersetzung von gr. ἀνϑύπατος auftritt, verfährt die georg. Übersetzung in beiden Redaktionen uneinheitlich: Die ältere (AS) verwendet zweimal einfaches mtavar-, das als undifferenzierter Begriff im Sinne von "Oberhaupt" weder dem gr. ἀνϑύπατος noch dem arm. bdeašx gerecht wird (18,12 {26.}), sich jedoch mit dem an der fünften Belegstelle von ἀνϑύπατος im armen. Text erscheinenden datawor vergleichen läßt (19,38 {27.}); ansonsten gibt die ältere Redaktion (AS) die durch das griech. ἀντ- angedeutete Position durch georg. šemdgom-, wtl. "Folgender", wieder, das zunächst durch die danebenstehenden Genetive mtavrisa- "des Oberhaupts" (13,7) und wṗaṭionisa- "des Hypations" (13,8) näher definiert wird, dann durch Kontextellipse auch allein erscheint (13,12 {25.}). Die zweite Redaktion geht an den beiden erstgenannten Stellen mit der älteren überein, bietet im 13. Buch jedoch das Wort antwṗaṭ-, das ohne weiteres als Reproduktion des griech. ἀνϑύπατος zu erkennen ist.
Auch in der hagiographischen Übersetzungsliteratur des Altgeorgischen ist ṗiṭiaxš- nur ausnahmsweise nachzuweisen. Der einzige mir bekannte Beleg ist der Vita Antonii des Athanasius Alexandrinus zu entnehmen, wo ein gewisser Nestor, der ὁ ἔπαρχος bzw. der praefectus τῆς Aἰγύπτου war, in beiden georg. Redaktionen (AB/G) als ṗiṭiaxš- bezeichnet ist (74,35 {4.}: -i). Legt man wiederum die Sprache der Bibelübersetzung zugrunde, so bleibt die Gleichsetzung von griech. ἔπαρχος mit georg. ṗiṭiaxš- hier ohne Beispiel: das griech. Wort, das innerhalb der Bibel lediglich für die beiden Bücher Esra zu notieren ist (der Beleg in 2.Makk. 4,28 entfällt für die hiesige Betrachtung), wird in der georg. Version vielmehr sehr regelmäßig durch mtavar- "Oberhaupt" übersetzt. Auch die armen. Bibel verhält sich in dieser Hinsicht weitgehend einheitlich, indem sie den ἔπαρχος jeweils durch išxan "Herr" wiedergibt (z.B. 3.Esr. [= 1.Esr. LXX armen.] 6,3 ≈ 1.Esr. [= 2.Esr. LXX armen.] 5,3; s. dazu weiter unter ḳaran-, 1.). Angesichts der geringen Markiertheit von bdeašx im Armenischen ist es dennoch leichter, anzunehmen, daß dieses Wort in der armen. Version der Vita Antonii vorliegt und für die Wahl seines georg. Pendants verantwortlich ist3, als daß georg. ṗiṭiaxš- hier eine authentische georg. Wortwahl repräsentiert.
Wenn ṗiṭiaxš- im Georgischen aber ein Fremdwort geblieben ist, scheint dies für die oben behandelte Problematik die Lösung zu suggerieren, daß eristav- an den betreffenden Stellen als eine Übersetzung des Wortes intendiert war. Diese Lösung, die u.a. von G. C̣ereteli publiziert wurde4, wird jedoch durch einen (auch von C̣ereteli selbst berücksichtigten) Beleg in der georg. Chronik (L.Mr. 60,5-6 {18.}) widerraten, wo nebeneinander ṗiṭiaxš-ni (<ṗaṭiaxš-ta>; s.u.) und eristav-ni des Perserkönigs erwähnt werden, womit schwerlich derselbe Rang gemeint sein kann5. Für eristav-, das als genetiv. Zusammenrückung in die Bestandteile er- "(Kriegs-)Volk" und tav- "Kopf, Haupt" zerfällt, kommt vielmehr eine Grundbedeutung wie "Heerführer" in Betracht, wie einige Belege des Wortes in der Bibelübersetzung zeigen, wo das Wort neben den nicht genauer definierten Begriffen eines τριστάτης (Ex. 14,7 O {31.}) v.a. griech. στρατηγός (Lk. 22,52 {28.}; 3.Esr. 3,2 O; Hiob 15,24 {29.} u.a.) bzw. ἀρχιστρατηγός wiedergibt (Gen. 21,32 O {30.} u.a.). Eine Zuordnung zum Militärbereich ist für ṗiṭiaxš- hingegen nicht zu erweisen. So bleibt die Möglichkeit zu erwägen, ob nicht ein "ziviler" ṗiṭiaxš- in Kriegszeiten auch ein "Heerführer" sein konnte und diese "doppelte" Funktion durch die zwei Termini ṗiṭiaxš- und eristav- wiedergegeben wurde. Eine andere Deutung ergibt sich im Zusammenhang mit einer Stelle bei Movsēs Xorenacՙi (3,6 [191,24-27] {32.}), wo ein und derselbe Mihran erst als ar̄aǰnord Vracՙ, i.e. "Anführer der Georgier", dann als bdešx gowgaracՙwocՙ, i.e. "Pitiaxes der Gugarener" bezeichnet wird: Mit dem Nebeneinander der Begriffe ar̄aǰnord und bdeašx, die an die Doublette eris-tav- / ṗiṭiaxš- erinnert, können hier auch zwei unterschiedliche Ranggrade gemeint sein, die der in Frage stehende Mihran gleichzeitig in zwei verschiedenen Provinzen innehatte.
Keine Klärung des Problems erbringt ein weiterer, lediglich in der "Bekehrung Georgiens" enthaltener Beleg für einen ṗiṭiaxš-, der nach der Šaṭberd-Version den Namen Kram Xuar Bor Zard trug, nach der Č̣eliši-Hs. jedoch einfach Xuar hieß (Mokc.A 325,7-9 / B 92,3-6 {3.}: -i). Die Differenz zwischen den beiden Redaktionen des Textes wird an der gegebenen Stelle noch dadurch verstärkt, daß die jüngere Hs. von einem (Kollektiv-)Plural ṗiṭiaxš-eb-i zu sprechen scheint (gegenüber singularischem ṗiṭiaxš-i in A). Allerdings bleibt fraglich, ob das in B in der Form ṗaṭiaxebi geschriebene Wort tatsächlich für einen Nom.Koll. ṗiṭiaxšebi entstellt ist, wie die Herausgeber des Textes meinen (in Agiogr.ʒegl. 1), oder ob hier nicht vielmehr die häufige Verwechslung der Nusxuri-Buchstaben ბ -b- und შ -š- zugrunde liegt, wobei ṗaṭiaxebi auf dem singularischen ṗ(̃)ṭiax()ši einer Vorlagehs. beruhen würde6. Mit der Form ṗaṭiaxebi liefert die Č̣eliši-Hs. an der gegebenen Stelle gleichzeitig auch den wohl ältesten hs. Beleg für die graphische Variante

ṗaṭiaxš-:
Diese Variante herrscht v.a. in der hss. Überlieferung der Kartlis Cxovreba vor, und zwar auch in den Hss., die vor der redaktionellen Überarbeitung z.Zt. des Königs Teimuraz entstanden sind. Auch sie bezeichnet zunächst die von sasanid. Königen eingesetzten Statthalter der Provinzen, wobei v.a. der erste Beleg in der Chronik des Leonṭi Mroveli (60,5-6 {18.}; die Edition schreibt gegen die Hss. hier konjektural ṗiṭiaxšta) aufschlußreich ist, da hier die ṗaṭiaxš-ni des Perserkönigs als mtavar-ni soplebisa-ni, i.e. "Oberhäupter der Ländereien" den eristav-ni soplebisa-ni, d.h. den "Feldherren der Ländereien" gegenübergestellt sind (die armen. K.Cx. spricht nur von den "Großen", mecameckՙ, des Königs).
Unter dem Titel in der Form ṗaṭiaxš- wird nur noch eine weitere Person namentlich genannt, nämlich ein gewisser Baḳur, dem der georg. König Vaxṭang Gorgasali (5. Jh.) seine Schwester Xuaranʒe zur Frau gab, und dessen Machtgebiet Armenien ("Somxiti") war (Ǯš. 199,18 {12.}: -sa; dieselbe Person ist auch ib. 185,8-9 {14.} gemeint, wo nur von somexta ṗaṭiaxšisa, dem "ṗ. der Armenier" die Rede ist). Weniger klar ist demgegenüber ein weiterer Beleg aus der Chronik des Ǯuanšer (161,6-8 {19.}: -ta), wo von den ṗaṭiaxš-ta Bivriṭian-ta die Rede ist: Wenn man hier den gegebenen Kasus als Dativ in prädikativer Kongruenz mit dem indirekten Objekt der 2.Pers.Pl. zu der Verbalform gaqsovan- "euch ist erinnerlich" auffaßt, kann man die "bivritianischen ṗaṭiaxšen" als Angesprochene mit den im selben Kapitel genannten Feldherrn ("eristav-ni") Arev (Arew) von Sivneti (Siwnikՙ), Ǯuanšer (J̌owanber) von Aspuragan (Vaspowrakan), Amazasṗ (Hamazasp) von Ṭarovn (Tarown) und Trdaṭ (Trdat Aršakowni) identifizieren, mit denen der georg. König Vaxṭang Gorgasali in einen Krieg gegen die Griechen zog (ib. 159,16-20 {19a.}). Weniger wahrscheinlich ist demgegenüber eine Interpretation als Gen. Pl. in Abhängigkeit von Somxit-isa-ta wie bei Pätsch, Leben 225 u., die ein prädikatives "des Landes" ergänzen muß (die armen. K.Cx. spricht nur einfach von kՙaǰkՙd hayocՙ, i.e. "die Tapferen Armeniens", womit sie das mḳwdrta magat Somxitisata des georg. Texts wiedergeben dürfte).
Alle übrigen Belege in der Chronik bleiben ohne eigene Namensnennung der Titelsträger. Bemerkenswert ist dabei lediglich noch ein ṗaṭiaxš- der Provinzen Trialeti, Ṭaširi und Aboci, der eine Nichte des georg. Königs Arčil (II., Ende 5.Jh.) zur Frau erhält (Ǯš. 241,19-20 {13.}), und der als ein Nachfahre (natesav-i) des pers. Königs Peroz bezeichnet wird, was eindeutig auf sasanidische Herkunft weist. Der Herrschaftsbereich ist ebenfalls nur noch einmal genauer umrissen, und zwar in der Chronik des 15. Jhs. von Beri Egnaṭašvili (K.Cx. 2, 342,4-5 {17.}), der von den ṗaṭiaxš-ni der Provinzen Lori, Ḳaxeti, Širvan und Samcxe spricht. Ansonsten zeigt sich der Begriff in den späteren Belegen der Kartlis Cxovreba weiter von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt, indem hier eine Beziehung zur sasanidischen Aristokratie oder Verwaltung nicht mehr erkennbar ist wie z.B. in Ǯš. 202,4 f. ({11.}: -i), wo offenbar eine dem georg. König Vaxṭang untergebene Kategorie von Befehlsempfängern gemeint ist (ähnlich noch ib. 234,3 {15.}; 237,4-5 {20.}; 244,11 {16.}).

Die georg. Wortformen ṗiṭiaxš- und ṗaṭiaxš- wurden bereits frühzeitig mit arm. bdeašx und den darum gruppierten Termini identifiziert und gehören zu den in der Iranistik meistbehandelten georg. Wörtern. Obwohl eine iranische Herkunft als allgemein akzeptiert gelten kann, ist die genaue Etymologie jedoch bis heute nicht unumstritten.
Die gesamte Sippe ist s.v. bdeašx zuerst bei Hübschmann, AG 119 f., 109. erfaßt, der außer den beiden georg. Wortformen auch die syr. Entsprechung aptaxšā (sic, als Bezeichnung für den ὕπαρχος des Königs), die griech. Varianten βιτάξης, πιτιάξης und πητιάξης sowie das bei Ammian.Marcell. (23,6,14) belegte lat. vitaxa als Entsprechungen für arm. bdeašx anführt. Während die Zusammenstellungen zumindest teilweise schon früher bekannt waren (vgl. etwa de Lagarde, Ges.Abh., 187), schlug Hübschmann erstmalig auch eine Ausgangsform vor, mit der er den syr., griech. und georg. Lautverhältnissen gerecht werden wollte: Er vermutete einen "persischen Ursprung", konnte jedoch das von ihm angesetzte *pitiaxša- selbst "aus dem Persischen nicht deuten". Einen Zusammenhang mit mpers. pātaxšāh = np. pādšāh "König" schloß Hübschmann "wegen des Vocales der ersten Silbe (i)" aus (ib., Anm. 6).
Mit dem im Yādgār-ī Zarērān belegten mpers. <bytxš> legte R. von Stackelberg, Beitr. [WZKM 17], 52 eine miran. Form vor, für die er wie für arm. bdeašx eine Bedeutung "Statthalter" ermittelte, und die für ihn als Vorläufer des armen. Wortes in Frage kam. Stackelberg, der das mpers. Wort wegen griech. βιτάξης als bitaxš las, sah dabei jedoch die Schwierigkeit, die im unterschiedlichen Konsonantismus der armen. und der mpers. Wortform bestand; er hielt es für möglich, daß "die Entlehnung durch das Armenische schon vor der armenischen Lautverschiebung stattgefunden" hätte. Für die Etymologie des iran. Wortes, von dem auch der Landesname Badaxšān abgeleitet sei, erwog er einen Anschluß an aram. bēṯ im Sinne von "Provinz", das "hier natürlich nicht als Ideogramm enthalten" sei.
Eine rein inneriran. Etymologie, die auf F.C. Andreas zurückging, trug Christensen, Empire 11 mit Anm. 3 vor. Danach soll arm. bdeašx ein iran. *patyâkhštar "inspecteur", genauer dessen Nom. patyâkhšt(â) reflektieren; bereits in sasanid. Zeit sei daraus durch "fausse étymologie" in Anlehnung an šāh "roi" der Terminus pâdhešâh geworden, der im Neupersischen und Türkischen in der Bedeutung "empereur" erhalten geblieben sei. Andreas' Herleitung ist auch in Brockelmanns Lex.syr. (564a s.v. ܦܛܰܚܫܳܐ p̄ṭaḥšā) sowie über Peeters, Adiabène [An.Boll. 43], 298, Anm. 4 als "ursprüngliche iran. Form" des lat. vitaxa zuletzt in die Ammianus-Ausgabe von Seyfarth eingegangen (3. Tl., 227: Anm. 82).
Zwischenzeitlich war die Andreassche Herleitung jedoch mit Recht abgelehnt worden, und zwar durch A. Pagliaro, der sich wie Stackelberg v.a. auf das Yādgār-i Zarērān stützte (bdeašx [RSO 12], 162). Pagliaro wies darauf hin, daß die bezeugte mpers. Form pātxšāy "signore" auf eine iran. Basis *pātixšāia- zurückgeführt werden müsse; ein *patyāxštār- hätte, ungeachtet der Behandlung des Stammbildungssuffixes, ein miran. *patyašt- ergeben. Er schlug deshalb eine neue Herleitung vor, die aber auch nach seinen eigenen Worten "non senza qualche difficoltà" war: Auszugehen sei von einem arischen Kompositum *patiaxš- der Bedeutung ὁ ὀϕϑαλμὸς τοῦ βασιλέως, dessen VG das Wort patay- "Herr" und dessen HG ein axš- "occhio" gewesen sei (165). Während der semantische Hintergrund für ein solches Kompositum, den Pagliaro aus verschiedenen griech. Textstellen schöpfte, durchaus begründbar sein mag, bleiben doch morphologische und lautliche Schwierigkeiten bestehen. Zum einen ist der anzunehmende Kompositaltyp für das Altiranische durch den Hinweis auf mpers. Bildungen wie baγdēspān "araldo, messaggero del re" wohl kaum zu rechtfertigen ("il tipo .. non ha molta fortuna", wie Pagliaro selbst eingestand). Die lautlichen Probleme betreffen zunächst das von Pagliaro angesetzte HG *-axš-, das als Wort für das Auge neben avest. Nom.Akk.Du. ašī nur über Umwege zu begründen ist (Pagliaro dachte hierfür an einen Einfluß von ušī "Ohren"), zum anderen die Entwicklung der Erstsilbenvokale v.a. in den griech. und georg. Entsprechungen, für die Pagliaro wieder auf das aram. <byt> "Haus" rekurrieren mußte.
Eine eigenwillige Lösung, die zum Teil mit der von Pagliaro übereinstimmte, wurde anläßlich der Entdeckung der griech.-aram. Bilingue von Armazi in Georgien durch G. C̣ereteli vorgetragen (Bil.Inscr. [Enimḳis m. 13], 74 f.). Indem er sich auf die Gleichung ṗiṭiaxš- / eris-tav- (s.o.) stützte, versuchte der Autor, das Wort auf eine iran. Iḍāfat-Verbindung *pat-i-xšahr zurückzuführen, was soviel wie "Herr des Landes" bedeutet hätte; um den Vokalismus in der Wortmitte zu erklären, der mit einer solchen Lösung nicht ohne weiteres vereinbar wäre, verwies C̣ereteli auf den armenischen Fortsetzer des iran. Wortes für das "Land", ašxarh, und erkannte in georg. ṗaṭ-i-aḫši "the Armenianized form of the Persian term".
In eine ganz andere Richtung führte dann ein Vorschlag, der, ebenfalls unter dem Eindruck der kurz zuvor veröffentlichten Bilingue von Armazi, von H.S. Nyberg in die Debatte gebracht wurde. Nyberg versuchte, den verschiedenen Bezeugungen des Wortes, das in der Bilingue außer in der griech. Form πιτιάξου erstmals auch in der aram. Graphie <bṭḥš> auftrat, durch den Ansatz *bitiyaxša gerecht zu werden; er gestand also den Formen mit anlautendem b- (wie in mpers. bidaxš, arm. bdeašx) und -i- in der ersten Silbe (wie in griech. πιτιάξης) die Priorität zu (Inscr. [Eranos 44], 237 mit Anm. 2; Manual 2, 47 f. s.v. bītaxš). Im VG der miran. Vorform erkannte Nyberg erstmalig das Ordinale "deuxième, second".
Eine umfassende neue Diskussion lieferte letztlich O. Szemerényi, der sich aufgrund des gesamten ihm zur Verfügung stehenden Materials für den von Nyberg postulierten Ansatz eines Kompositums mit dem Ordinale *bitīya- im VG entschied (Iranica V [Mon.Nyberg II], 363 ff.; zuvor bereits kursorisch Henning, Miran. [HdO] 62 Anm. 2). Szemerényi versuchte darüber hinaus, das HG des Kompositums auf ein -xšaya- in der Bedeutung "Herrscher" zurückzuführen: Das vorauszusetzende *dvitīya xšaya sei ohne Zweifel "the Achaemenid term for `second king'" gewesen, und die Position eines "second king or second ruler" habe gerade der Stellung eines bidaxš am iran. Hofe entsprochen (ib. 365 f. nach einer Notiz bei Hinz, Rez. v. Benveniste, Titres [ZDMG 118], 433).
Der Ansatz eines miran. *bitīyaxš- (< airan. *du̯itīi̯a-xšai̯a-) wird durch das georg. ṗiṭiaxš- nun insofern gestützt, als sich von den verfügbaren Wortvarianten die mit einem -i- in der ersten Silbe nach der hier ausgeführten Beleglage eindeutig als die älteste erweist7; die Lesart ṗaṭiaxš-, die die zuletzt noch einmal bei Androniḳašvili, Narḳv. 364 perpetuierte Verbindung mit npers. pādišāh als Fortsetzer eines miran. Kompositums mit der Präposition pati- im VG (*patixšāh) stützen würde, ist aufgrund ihrer späten Bezeugung für wertlos zu erachten8. Fraglich bleibt jedoch der Stellenwert des anlautenden ṗ-, das bei der Herleitung aus einem iran. *b- nicht ohne weiteres motivierbar ist. Auch hierzu äußerte sich Szemerényi, nach dem "the Georgian pitiaxši is no doubt borrowed from Armen. *bidiaxši, and its p- must therefore be due to an internal process, probably assimilation to the following t-" (ib. 364). In dieser Weise ist Szemerényis Postulat jedoch nicht haltbar, da es einen ähnlich unmotivierten Lautwandel voraussetzt, nämlich von (vorarmen.?) -d- zu georg. -ṭ-; unter den Wörtern, die vor der armen. Synkope ins Georgische gelangt sein können, gibt es für die Substitution einer Tenuis für eine Media in intervokalischer Position nämlich kein Beispiel. Andererseits ist die Beurteilung von arm. bdeašx selbst nicht unproblematisch. Das armen. Wort unterscheidet sich von georg. ṗiṭiaxš- wie auch von den syr. Vertretern ܦܛܰܚܫܳܐ p̄ṭaḥšā und ܐܦܛܰܚܫܳܐ ap̄ṭaḥšā ja nicht nur durch die darin enthaltenen Okklusive, sondern auch durch die Metathese des von der Etymologie verlangten *-xš- zu -šx-. Will man mit Szemerényi eine Lautform *bidiaxši für das Armenische als ursprünglich ansehen, so würde das Wort mit der Vertretung des miran. -t- durch -d- das Anzeichen einer recht späten, nämlich sasanid. Lautung in sich tragen. Gleichzeitig erhebt sich aber die Frage, ob die Metathese -xš- > -šx- bei späten, sasanid. Lehnwörtern im Armenischen noch greifen konnte: So weit ich sehe, gibt es für eine solche Annahme keine Basis. Es ist deshalb zu erwägen, ob das inlautende -d- des Armenischen nicht seinerseits einen innerarmen. Lautwandel wiederspiegelt: Wenn man einer früheren, möglicherweise schon parth. Entlehnungszeit ausgeht, müßte das Wort im Armenischen ursprünglich *bitiaxš- gelautet haben. Die beiden darin enthaltenen Verschlußlaute könnten nun eine progressive Assimilation inbezug auf die Artikulationsart durchgemacht haben. Diese Annahme kann unabhängig davon bestehen bleiben, ob die armen. Vokalsynkope in der ersten Silbe bereits eingetreten war: Es braucht sich nicht um eine Kontaktassimilation zu handeln, was die Schreibung bdeašx suggerieren würde; da die Synkope vermutlich von Anfang an nicht total war, sondern zu einem reduzierten Vokal führte (*bədeašx), ist vielmehr an eine Fernassimilation zu denken. Eine Fernassimilation, die dieselben beiden Okklusive betraf, kann nun auch für die georg. Form verantwortlich gemacht werden; diese wäre, von einem miran. *bitiyaxš- ausgehend, lediglich in der anderen Richtung verlaufen.
Auf dieser Basis wäre georg. ṗiṭiaxš- als direkte Entlehnung aus dem Iranischen aufzufassen. Angesichts der hier aufgezeigten Beleglage bleibt jedoch fraglich, ob ṗiṭiaxš- im Georgischen eine eigenständige iran. Entlehnung sein kann. Als eine Erklärungsalternative sei deshalb erwogen, daß das georg. Wort durch die griech. Normalform des Titels, πιτιάξης, beeinflußt worden ist, die nicht zuletzt auch auf georg. Boden, nämlich in der Armazi-Bilingue auftritt. Daß das Wort auch im weiteren für lautliche Anklänge an Wörter der gleichen Bedeutungssphäre offen war, zeigt sich ja deutlich auch an der Umformung zu ṗaṭiaxš-, für die man sowohl einen Einfluß der zahlreichen Iranismen mit Präfix *pati- verantwortlich machen kann (so z.B. Szemerényi, l.c.; man vgl. z.B. L.Mr. 60,5 {18.}, wo anstelle von ṗi/aṭiaxš-ta u.a. die v.l. ṗaṭiosan-ta "ehrwürdig" erscheint) als auch einen Einfluß des griech. Wortes πατριάρχης, der sich z.B. in der v.l. ṗaṭriaxš-is-a in Ǯš. 185,8-9 {14.} manifestiert. Allerdings müßte diese Beeinflussung eine bereits vorhandene nicht-griech. Wortform betroffen haben, da das georg. -xš- kaum direkt durch ein griech. -ξ- hervorgerufen sein kann9. Daß georg. ṗiṭiaxš- eine unmittelbare Entlehnung aus dem Iranischen darstellt, bleibt somit im Bereich des Möglichen.



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