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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.

Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






nax(a)ṗeṭ-:

1. Mit der Graphie naxṗeṭ- einmal etwa "(Sippen-)Oberhaupt, Stammvater, Patriarch" in der Schrift "Über das Gelübde" des Aphraates (308,28 {4.}), wo auf Num. 25,14-15 {4a} Bezug genommen wird; der dort erwähnte bibl. Patriarch Zambri, ἄρχων οἴκου πατριᾶς τῶν Συμεων, wird hier als naxṗeṭ- gundsa mas zeda swmeonissa ("Oberhaupt über die Sippe des Swmeon") apostrophiert. Der Text stellt sich damit dem der Mcxeta-Bibel entgegen, die Zambri als mtavari saxlisa ṭomisa swmeonisi, "Oberhaupt des Hauses des Geschlechtes Symeons" bezeichnet; mtavar- dient in der Bibelübersetzung generell zur Wiedergabe von gr. ἄρχων. Auch wenn die Aphraates-Stelle kein wörtliches Zitat aus einer erhaltenen älteren AT-Übersetzung zu sein braucht, scheint sie doch nahezulegen, daß naxṗeṭ- in der Bibelübersetzung obsolet geworden und durch mtavar- verdrängt worden sein könnte. Für den vorliegenden Text, der im Šaṭberd-Codex enthalten ist, ist jedoch eine andere Lösung vorzuziehen: Ihm liegt vermutlich die armen. Version als Vorlage zugrunde, die selbst das Wort nahapet gebraucht. Dieses ist in der armen. Bibelübersetzung in der Bedeutung "Stammvater, Patriarch" fest verankert (s.u.); es erscheint zwar gerade nicht im armen. Text von Num. 25,14 (die Zohrab-Bibel hat statt dessen išxan), dafür tritt aber gleich im nächsten Vers seine Weiterbildung nahapetowtՙiwn auf (mit nicht ganz klarem Bezug auf gr. πατριᾶς). Das syr. Original der Aphraates-Homilie verwendet ebenso wie der syr. Bibeltext einfaches ܪܝܫܐ rēšā "Oberhaupt".
In der Bedeutung "(biblischer) Stammvater, Patriarch" ist naxṗeṭ- auch in anderen georg. Texten zu belegen, die eines armen. Einflusses verdächtig sind, und zwar zunächst in einer weiteren Schrift innerhalb des Šaṭberd-Codexes (Hipp. Dav.Gol. 245,37 {15.}), weiter dann auch in der dem Joh. Chrysostomus zugeschriebenen Schrift "Über die Turteltaube", die im Sinai-Polykephalion enthalten ist (226,25 {17.}), und deren enger Zusammenhang mit der existierenden armen. Vs. von I. Abulaʒe nachgewiesen wurde (Turt. [Šr. 1], 220 ff.); zu beachten ist hier, daß die gr. Version an der gegebenen Stelle einfach von πατέρες spricht.
Im gleichen Zusammenhang sind letztlich auch vier Belege in dem (dritten) Buch Esra (Zorobabel) zu sehen, wo naxṗeṭ- einmal gr. ἀρχηγός (5,1 {6.}: -ni), einmal ἡγούμενος (8,65 {7.}: -ni) und zweimal προηγούμενος zu übersetzen scheint (5,9 {9.}; 8,28 {10.}: -ta). Dabei fällt auf, daß in allen vier Fällen naxṗeṭ- als Wiedergabe des jeweiligen gr. Wortes nicht allein dasteht, sondern entweder mit c̣inamʒġuar-, wtl. "`Vorausgänger', Anführer" (5,1), oder aber mit mtavar- "Oberhaupt" kombiniert erscheint. Beide sind dabei zumeist kopulativ durch da "und" verbunden (naxṗeṭ-ni da c̣inamʒġuar-ni 5,1; naxṗeṭ-ni da mtavar-ni 8,65; naxṗeṭ-ni .. da mtavar-ni 5,9); nicht kopulativ ist lediglich die Fügung mtavar-ni naxṗeṭ-ta matebr in 8,28 (s.u.). Der georg. Text deckt sich hierin nun wieder genau mit dem der armen. Bibel, die an den betreffenden Stellen die Fügungen nahapetkՙ ew ar̄aǰnordkՙ (5,1; ar̄aǰnord = "Anführer"), nahapetkՙ ew išxankՙ (8,65; išxan = "Herr"), nahapetkՙ .. ew išxankՙ (5,9) sowie išxankՙ əst nahapetowtՙean bietet (8,31 ≈ 8,28; wtl. "Herren gemäß der `Nahapet'schaft"). Damit wird ein (auch sonst feststellbarer) enger Bezug zwischen der georg. und der armen. Vs. des Esra-Buches erwiesen, der es erlaubt, das Zustandekommen der Fügungen einer gemeinsamen, und zwar armen. Vorlage zuzuweisen, wobei es sich in allen vier Fällen um in den Text geratene Glossen handeln dürfte. Für diese Lösung sprechen einige Gründe:
a) Im der armen. Bibelübersetzung ist das Wort nahapet in der Bedeutung "Stammvater, Patriarch", wie bereits oben festgehalten wurde, fest verankert. So gibt es zunächst im NT regelmäßig gr. πατριάρχης wieder (z.B. Apg. 2,29 {21.}); in den AT-Belegen desselben Wortes, die sich auf die Bücher der Chroniken (und 4.Makk.) beschränken, konkurriert das einmalige nahapet (1.Chr. 27,22 {22.}) mit hayrapet, wtl. "Oberhaupt der Väter" (2.Chr. 19,8 {23.}), cՙełapet, wtl. "Oberhaupt des Stammes" (2.Chr. 26,12 {24.}) und einfachem pet "Oberhaupt" (2.Chr. 23,20 {25.}). Die georg. Bibel setzt dem meist mamat-mtavar-, wtl. "Oberhaupt der Väter" gegenüber (NT, 2.Chr. 23,20), einmal ṭomisa mtavar-, wtl. "Oberhaupt des Stammes" (2.Chr. 26,12), ansonsten einfaches mtavar- "Oberhaupt". In 1.Chr. 24,31 {26.} wird πατριάρχαι durch arm. cՙełkՙn, wtl. "die Stämme" übersetzt; dem dürfte eine Verwechslung von πατριάρχαι mit πατριαί "Geschlechter" zugrunde liegen, das an der betreffenden Stelle im Codex Alexandrinus tatsächlich bezeugt ist; der georg. Text der Mcxeta-Bibel hat ṭomni ṗirvelni, wtl. "erste Stämme", das einen Kompromiß zwischen dem arm. cՙełkՙnṭomni und dem -άρχαι ≈ ṗirvelni der Septuaginta darstellt1. — Andererseits wird auch gr. πατριά selbst in der armen. AT-Übersetzung häufig durch nahapet wiedergegeben wie z.B. in Ex. 6,19 {27.}; das Wort konkurriert in dieser Funktion einerseits mit der Weiterbildung nahapetowtՙiwn (z.B. Jos. 19,51 {28.}), dann wieder mit hayrapet (v.a. in den Esra-Büchern, z.B. 1.Esr. [= 3.Esr. georg.] 1,4 {30.}; das einmalige hazarapetacՙ in 2.Esr. (= 1.Esr. georg.) 3,12 {31.} ist offenbar aus hayrapetacՙ entstellt), v.a. aber mit azg (z.B. Ex. 12,3 {32.}, häufiger in den Psalmen und Propheten), cՙeł (Ex. 6,15 {36.}) sowie tohm (z.B. Ps. 21,28 {37.}), die dem gr. Wort in dessen eigenem Sinn natürlich am nächsten kommen. Die georg. Bibel hat teils den arm. nahapet und hayrapet entsprechendes mamat-mtavar- (z.B. 3.Esr. 1,4 {30.}), teils einfaches mamul-, wtl. "väterliches (Haus)" (z.B. Ex. 6,19 {27.}) oder aber, als Pendant zu arm. azg, cՙeł und tohm, meist das mit letzterem identische ṭom- (z.B. Ex. 6,15 {36.}), seltener natesav- (z.B. Deut. 29,18 {33.}), die beide mit "Geschlecht, Stamm, Same" zu übersetzen sind. Ähnlich ist auch der Befund der NT-Übersetzung, wo im Armenischen einmaliges nahapetowtՙiwn (Eph. 3,15 {29.}) zweimaligem azg (Lk. 2,4 {34.}; Apg. 3,25 {35.}) gegenübersteht, während die georg. Bibel zwischen ṭom- (Lk. 2,4 DE, Apg. 3,25 CD) und natesav- (Lk. 2,4 C, Apg. 3,25 AB und Eph. 3,15 ABCD) schwankt. Es fragt sich nun, wie arm. nahapet (bzw. hayrapet) und georg. mamat-mtavar- dazu gekommen sind, als Wiedergabe des gr. πατριά zu dienen. Da nicht anzunehmen ist, daß das in der Septuaginta seltene πατριάρχης eingewirkt hat, ist die naheliegendste Lösung eine Verwechslung von gr. πατριά und πατήρ; daß eine solche Verwechslung möglich war, erweist sich daran, daß πατριά in einigen Fällen auch durch einfaches arm. hayr, georg. mama- "Vater" wiedergegeben ist (z.B. 3.Esr. 5,4 {38.}). Daß "Stammvater" die eigentliche Bedeutung des arm. nahapet war, zeigt sich nicht zuletzt auch in Jos. 21,1 {39.}, wo das Wort sowohl gr. ἀρχιπατριώτης als auch ἀρχίϕυλος wiedergibt; die Mcxeta-Bibel hat hierfür ṭomt-mtavar- und natesavt-mtavar-, die beide als "Oberhaupt von Stämmen" zu übersetzen sind. Keine eigene Entsprechung hat gr. ἀρχιπατριώτης in Dan. 3,94 {20.}, da die armen. und georg. hier wie üblich der theodotischen Redaktion nahestehen, die statt dessen σατρᾶπαι und στρατηγοί bietet; für ἀρχίϕυλος erscheinen in der armen. Bibel sonst wieder cՙełapet (Deut. 29,10 {40.}) und hayrapet (1.=3.Esr. 2,5 {41.}), denen in der georg. Bibel eris-tav- natesavta-, wtl. "Heerführer der Stämme", bzw. wieder mamat-mtavar- gegenüberstehen.
b) Das in 3.Esr. 5,1 {6.} erscheinende gr. ἀρχηγός wird in der AT-Übersetzung auch sonst bisweilen durch arm. ar̄aǰnord, wtl. "Anführer", und das diesem genau entsprechende georg. c̣inamʒġuar- übersetzt (z.B. Mi. 1,13 {43.}); häufig sind im Armenischen außerdem išxan (z.B. Jer. 3,4 {46.}), glxawor (Num. 13,3 {48.}) und zōrawar (Jud. 14,2 {47.}), im Georgischen mtavar- (Num. 13,3 {48.}), eris-tav- (Jud. 14,2 {47.}) und mplobel- (Jer. 3,4 {46.}). In der NT-Übersetzung treten ar̄aǰnord und c̣inamʒġuar- sogar fast ausschließlich auf (z.B. Apg. 3,15 {44.}); einmal bietet die armen. Übersetzung statt dessen zōraglowx (Heb. 12,2 {45.}). Lediglich an einer weiteren Stelle im AT hat die armen. Bibel nahapet für ἀρχηγός, nämlich in Ex. 6,14 {49.}; dabei fällt auf, daß hier fast dieselbe Wendung wie in 3.Esr. 5,1 {6.} vorliegt: Dem gr. ἀρχηγός οἴκων πατριῶν stehen hier nahapetkՙ tancՙ azgacՙ gegenüber, der georg. Text hat mtavar-ni saxlta mamulta. Dieser Befund läßt sich dahingehend interpretieren, daß durch nahapet die hier gemeinte besondere Art eines ἀρχηγός bezeichnet werden sollte, der ein "Stammesvater" ist; in 3.Esr. 5,1 hätte sich dieselbe Sonderbedeutung in einer Glosse niedergeschlagen. Im gleichen Sinne läßt sich schließlich auch 1.Chr. 5,24 {50.} deuten, wo die aus 3.Esr. 5,1 bekannte gr. Fügung exakt wiederkehrt; hier lautet die armen. Wiedergabe išxankՙ tancՙ tohmicՙ, während die georg. Bibel mtavar- und c̣inamʒġuar- nebeneinander stellt (mtavar-ni da c̣inamʒġuar-ni saxlta mamulta). Dies weist ebenfalls auf eine glossierende Duplizierung in einer Vorlage, wobei allerdings das zu erwartende Glossenwort (nahapet / naxṗeṭ-) selbst weiter übersetzt worden wäre (die Stelle ist nur nach der Mcxeta-Hs. ediert).
c) Das gleiche Verfahren — Glossierung einer bestimmten Art von "Anführer" durch ein Wort der Bedeutung "Stammvater" — kommt auch in 3.Esr. 5,9 {9.} und 8,65 {7.} in Betracht. Auch für die dort vorliegenden gr. Termini, ἡγούμενος und προηγούμενος, erscheinen, soweit sie substantivisch gebraucht sind, in der Bibelübersetzung meist arm. išxan oder ar̄aǰnord, georg. mtavar- oder c̣inamʒġuar- (z.B. Mt. 2,6 {51.}; Lk. 22,26 {53.}), seltener arm. pet (z.B. Gen. 49,10 {55.}), glxawor, zōrawar, zōraglowx und georg. eris-tav-.
d) In 3.Esr. 8,28 {10.} dürfte die Glossierung durch georg. naxṗeṭ-ta matebr bzw. arm. əst nahapetowtՙean demgegenüber eher das gr. κατὰ τὰς πατριάς betreffen, das hier zusätzlich durch arm. harcՙn, georg. mamata "der Väter" (Obl. = Gen.Pl.) übersetzt ist. Dieselbe Fügung erscheint nämlich auch in 3.Esr. 5,60 {42.}, wo κατὰ τὰς πατριάς durch arm. əst nahapetowtՙean harcՙn, wtl. "gemäß der `Nahapet'-schaft der Väter", bzw. georg. mtavrobisa misebr mamata, wtl. "gemäß der Vorherrschaft der Väter" wiedergegeben ist.
Fraglich bleibt, ob in den angenommenen Glossierungen das arm. nahapet selbst das Explicans oder das Explicatum war. Für erstere Annahme sprechen die unter b) und c) ausgeführten Argumente; für die zweite läßt sich ins Feld führen, daß die Beleglage der besprochenen Wörter sich im Sinne einer relativen Chronologie deuten läßt: Wenn man voraussetzt, daß die Übersetzung einzelner Teile der Bibel ins Armenische nicht gleichzeitig, sondern sukzessiv erfolgt ist, scheint nahapet eher einem älteren Stratum anzugehören (NT, Ex.) und später durch hayrapet u.ä. verdrängt worden zu sein; wenn es also zur Zeit der Übersetzung der Esra-Bücher bereits obsolet war, würde das die Notwendigkeit einer Glossierung erklären.
Unabhängig davon, wie man sich hier entscheiden wird, bleibt für georg. nax(a)ṗeṭ- doch festzuhalten, daß sämtliche bisher behandelten Belege unter dem Einfluß des arm. nahapet zustande gekommen sein dürften.
2. Zweimal bedeutet georg. naxṗeṭ- "Satrap" als Wiedergabe von gr. σατράπης in der älteren Redaktion der AT-Übersetzung (Jud. 5,2 O {11.}; Dan. 2,48 I {12.}); dazu gesellt sich die einmalige Verwendung der Ableitung sa-naxṗeṭ-o- für σατραπεία (s.u.). Gr. σατράπης wird normalerweise durch mtavar- "Oberhaupt" wiedergegeben; so an allen übrigen Stellen im Buch Daniel (z.B. 6,1), wobei in 6,7 {18.} naxṗeṭ- allerdings als Entsprechung von gr. τοπάρχης "besetzt" ist (s. dazu weiter unter 3.). Der Grund für die Sonderbehandlung des Satrapenworts in Dan. 2,48 wie auch in Jud. 5,2 dürfte darin liegen, daß σατραπῶν an beiden Stellen neben ἄρχων steht, das hier, wie meist auch sonst, selbst bereits durch mtavar- vertreten ist. Eine andere Lösung desselben "Konflikts" zeigt sich in Esth. 1,3, wo σατραπῶν in der gleichen Fügung wie in Dan. 2,48 durch soplebisay, wtl. "der der Länder", übersetzt ist. Diese Lösung beruht auf der Verwechselbarkeit von gr. σατράπης und σατραπεία; s. dazu weiter unter ḳaran- (3.: {18.}), das an dieser Stelle für ἄρχων steht. — Für die Verwendung von naxṗeṭ- an den genannten Stellen dürfte ausschlaggebend gewesen sein, daß die armen. Bibel hier (wie auch sonst regelmäßig) für σατράπης das Wort naxarar verwendet, das zumindest lautlich an nahapet- anklingt; s. dazu weiter unten sowie unter naxarar-. — In der Mcxeta-Bibel tritt in Dan. 2,48 wie an den übrigen Stellen im Buch Daniel der Stamm saṭraṗes- auf, der in der gegebenen Form als Übernahme aus dem Griechischen gelten muß. Einen eigenen Weg beschreitet die Mcxeta-Hs. auch in Jud. 5,2, wo sie einfaches ṗeṭ- bietet; s. dazu weiter unter 5. Eine besondere Entsprechung für gr. σατράπης bietet die georg. AT-Übersetzung noch im dritten Buch Esra (Zorobabel), wo die Ošḳi-Bibel viermal den Kollektivpl. upl-eb- von upal- "Herr" hat (z.B. 3,2 {58.}); die Mcxeta-Hs. benutzt statt dessen dreimal das Verbalnomen upl-eb-a- "Herrschaft" (z.B. 3,14), das sich eher wieder mit σατραπεία decken würde. Lediglich an einer Stelle des Esra-Buchs (3,21) erscheint in beiden Hss. wieder mtavar-; dabei fällt auf, daß auch das armen. Esrabuch (1.Esr.) nur hier išxan hat, während ansonsten mit naxarar wieder die übliche Übersetzung von σατράπης gewählt ist.
3. Einmal etwa "Lokalherrscher" als Übersetzung von gr. τοπάρχης in der Jerusalemer Bibel (Dan. 6,7 {18.}: -eb-i). Zahlreiche Gründe sprechen dafür, daß diese Gleichsetzung nur scheinbar ist: Das gr. Wort wird in der ageorg. AT-Übersetzung häufig durch mplobel- oder sopl-is-mṗq̇robel- übersetzt (z.B. 3.Esr. 3,2 {58.} bzw. 4,47; s. dazu unter ḳaran-, 2.), in den prophetischen Büchern jedoch regelmäßig durch sopl-is-mtavar-, wtl. "Gebiets-Oberhaupt", das als genaue Nachbildung des gr. τοπάρχης gelten kann (z.B. Dan. 3,94 {20.}). An der hier behandelten Stelle erscheint in der Aufzählung von vier Beamtentiteln (στρατηγοί, σατρᾶπαι, ὕπατοι, τοπάρχαι) als zweiter gerade dieses soplis mtavar-, wobei es den Platz von gr. σατράπης einzunehmen scheint. Es wäre also denkbar, daß gegenüber der Septuaginta (richtiger dem Theodotikon) lediglich eine Vertauschung innerhalb der Reihenfolge der vier Titel vorliegt, und daß soplis mtavar- hier wie auch sonst für τοπάρχης, naxṗeṭ- jedoch wieder für σατράπης steht. Die "richtige" Reihenfolge zeigt die armen. Vs., wo die Termini zōrawar, naxarar, išxan und kowsakal erscheinen, die sämtlich als die Normalentsprechungen der genannten griech. Titel gelten können; dagegen weist in Dan. 3,94 die armen. Bibel eine gestörte Anordnung auf: hier entsprechen den σατρᾶπαι, στρατηγοί, τοπάρχαι, δυνάσται des Theodotikons naxararkՙn, kowsakalkՙ, zōrawarkՙn, zōraworkՙ, vertauscht sind also die Positionen zwei und drei. — Die "richtige" Reihenfolge hat in Dan. 6,7 {18.} wiederum auch die Mcxeta-Bibel, wo sṗat-mtavar-, saṭraṗes-, wṗaṭos- und adgilis-mtavar- aufeinanderfolgen. Das hier erscheinende adgil-is (sonst auch adgil-t) mtavar-, wtl. "Oberhaupt des (bzw. der) Ortschaft(en)", kann wiederum als die Normalwiedergabe des gr. τοπάρχης in dieser Hs. gelten, wobei adgil- "Ort" älteres sopel- "Land" ersetzt haben dürfte, nachdem dieses die konkretere Bedeutung "Dorf" erlangt hatte2. Als Ausnahme ist in der Mcxeta-Bibel (abgesehen von den Stellen in 3.Esr., wo sie mit der Ošḳi-Bibel übereingeht) lediglich Esth. 13,1 (= 3,13a LXX {14.}) zu nennen, wo für τοπάρχης statt dessen adgilis naxṗeṭ- erscheint. Diese Stelle ist im Zusammenhang mit den unter ḳaran- (3.) behandelten zu sehen, wo von den 127 Satrapien des Achämenidenkönigs Artaxerxes die Rede ist. Es ist denkbar, daß hier das direkt vorausgehende sopelta mtavarta (als attributive Verbindung "Oberhäupter der Länder" gegen die Edition ohne trennendes Komma zu schreiben) für gr. χωρῶν ἄρχουσι ein "zu ähnlich" klingendes *adgilis mtavarta blockiert hat. Allerdings wäre es wichtig, zu wissen, was an der Stelle in der Ošḳi-Bibel steht, bevor entschieden werden kann, ob hier nicht doch eine ältere Verwendung fortlebt.
4. Einmal etwa "Hausverwalter" als Übersetzung von gr. διοικητής in 1.Esr. 8,36 {13.}. Dieses Wort kommt ansonsten nur noch zweimal in der Bibel vor, nämlich in Tob. 1,22 {56.} und Dan. 3,2 {57.}. Die Mcxeta-Bibel hat an der ersten Stelle ganmgebel-, an der zweiten mʒlavr- "stark" als adj. Attribut zu dem davorstehenden c̣inamʒġuar- "Anführer", das gr. ὕπατος wiedergibt. Die Jerusalemer Bibel entspricht an derselben Stelle ebenso wie die armen. Bibel wieder dem theodot. Text des Daniel-Buchs, der anstelle von διοικητής ἡγούμενος "Führer" hat; dieses ist hier als einfaches Partizip zu ἡγέομαι im Sinne von "halten für" mißgedeutet und durch šeracxil- "gezählt (als)" wiedergegeben worden. — Einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Esra-Stelle liefert wiederum die armen. Bibel. Dieser fehlt hier zwar gerade die Entsprechung von διοικητής (das tatsächlich erscheinende cՙišxans "den Herren" ist auf ἐπάρχοις zu beziehen und entspricht damit dem georg. mtavar-ta). Wie sich jedoch in Dan. 3,2 zeigt, konnte das gr. διοικητής immerhin durch einfaches arm. pet "Herr, Führer" wiedergegeben werden, das mit dem Hinterglied des Kompositums nahapet identisch ist. Nun ist ein unkomponiertes ṗeṭ- als exakte Doublette des arm. pet auch in der georg. Bibelübersetzung belegbar, nämlich in in der Mcxeta-Hs. in Jud. 5,2 {11.}. Die Ošḳi-Bibel hat an dieser Stelle jedoch wieder naxṗeṭ- (s. bereits oben unter 2.), so daß sich die Vermutung aufdrängt, daß arm. pet in Dan. 3,2 und georg. ṗeṭ- in Jud. 5,2 M lediglich auf einer Verkürzung oder Entstellung von nahapet bzw. naxṗeṭ- beruhen (s. dazu weiter unter ṗeṭ-). Wenn arm. nahapet aber eine mögliche Entsprechung von gr. διοικητής war (keinen weiteren Aufschluß gibt der armen. Text von Tob. 1,22 [25] {56.}, da dieser allzu weit von der Septuaginta abweicht), könnte dies auch in einer ursprünglichen Übersetzung des Esra-Buches gestanden haben, die als Vorlage für den georg. Text gedient hätte. Daß für das georg. 1. Buch Esrae ebenso wie für 3.Esr. (s.o.) eine armen. Vorlage in Frage kommt, läßt sich schon an der hier behandelten Stelle an einigen Gemeinsamkeiten zeigen, die die beiden Vss. vom Text der Septuaginta unterscheiden, wie z.B. der Relativsatz "die der König befohlen hatte", romelni-igi ebrʒana mepesa mas = zor hramayeal ēr tՙagaworin, gegenüber einfachem Gen. τοῦ βασιλέως, oder die Nennung des Flußnamens Euphrat, die im griech. Text fehlt.
5. Dreimal etwa "Verwaltungsbeamter mit Richterfunktion" in dem Martyrium des hl. Izidbozid (117,37 {1.}; 118,10 {2.}; 27 {5.}), das als Übersetzung aus dem Armenischen zu gelten hat. Dabei zeigt sich die Abhängigkeit nicht nur daran, daß in allen drei Fällen im armen. Text das genau entsprechende naxapet gegenübersteht, sondern auch daran, daß dieses hier in der (späteren) Form mit -x- für -h- erscheint und andrerseits das Georgische nur hier zweimal die mit dem arm. naxapet lautlich identische nicht synkopierte Form naxaṗeṭ- aufweist. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob sich nicht auch an den übrigen Stellen hinter der überlieferten Schreibung naxṗeṭ- eine unsynkopierte Lautung *naxaṗeṭ- verbergen kann; die Graphie wäre dann abbreviativ. In diesem Sinne sind eventuell die Angaben bei Saba zu deuten, bei dem für das Lemma naxṗeṭi eine Lesart naxaṗeṭi existiert (Hss. E). Hierbei kann es sich jedoch auch um eine nicht sprachwirkliche Restitution der für synkopiert gehaltenen Graphie handeln. Das gleiche gilt für eine Weiterbildung von nax(a)ṗeṭ-, die bei Saba als sanaxaṗeṭo erscheint, handschriftlich jedoch offenbar ausschließlich in der Form

sa-naxṗeṭ-o-:
Diese Ableitung bezeichnet einmal eine "Satrapie" als Übersetzung des gr. σατραπεία in Jos. 13,3 {19.} in der Mcxeta-Hs. (gegenüber sa-saṭraṗes-o- in der Gelati-Bibel). Unter seinem Lemma sanaxaṗeṭo führt Saba gerade diese Stelle an, so daß die exakte Lautung offenbleiben muß; als Übersetzung verwendet Saba das entsprechend gebildete sa-mtavr-o-. Der in der Zohrab-Bibel abgedruckte Text hat hier tՙagawor "König", es gibt jedoch Varianten, die statt dessen oder zusätzlich naxarar "Oberhaupt" bieten, womit ein engerer Zusammenhang mit den oben (2.) behandelten Belegen Dan. 2,48 {12.} und Jud. 5,2 {11.} gegeben ist. Für die übrigen Übersetzungen des gr. Wortes s. weiter unter ḳaran- und dessen entsprechender Ableitung sa-ḳaran-o-.

Georg. nax(a)ṗeṭ- erweist sich also in der Mehrzahl der Belege (1., 5.) als unmittelbares Äquivalent des arm. nahapet in der Bedeutung "Sippen- oder Familienoberhaupt"; nahe kommt dieser Grundbedeutung auch die — für das Armenische allerdings nur indirekt zu erschließende — Verwendung als Entsprechung von gr. διοικητής "Hausverwalter" (4.). Die Ausprägung der vorliegenden Belege macht es trotz des vereinzelten Auftretens in der Vita des Johannes von Zedazaden (Io.Zed.A 194,3-6 {16.}) wahrscheinlich, daß georg. naxṗeṭ- und arm. nahapet nicht einfach zu einer Kategorie "gemeinsam gebrauchter Wörter" gehören ("საერთო ხმარების სიტყვები" bei I. Abulaʒe, Guriṭ. [Šr. 1], 223), sondern daß das Wort ausschließlich bei der Übersetzung aus dem Armenischen ins Georgische übernommen wurde. In diesem Sinne lassen sich auch die aus dem Rahmen fallenden Belege in den Büchern Daniel und Judith sowie der von sa-naxṗeṭ-o- in Josua deuten, wo die armen. Bibel gerade nicht nahapet (bzw. eine Ableitung davon) hat, insofern hier eine Verwechslung mit dem im armen. Text statt dessen gebrauchten, lautlich und semantisch nahestehenden naxarar "Oberhaupt" vorliegen dürfte3.
Zu problematisieren ist bei dieser Annahme die in zweifacher Hinsicht herrschende lautliche Diskrepanz, die einerseits das durchweg durch georg. -x-, nicht -h- vertretene arm. -h-, andererseits das für die meisten Belege zu konstatierende Fehlen des mittelsilbigen -a- betrifft. Letztere Erscheinung ist im Hinblick auf die mittelarmen. Synkopierung inlautender -a- relevant. Da die einzigen beiden Bezeugungen der "vollautenden" Form naxaṗeṭ- im Martyrium des hl. Izidbozid anfallen, das daneben einmal auch "normales" naxṗeṭ- sowie mit azraṗeṭ- und hama(r)ḳar- (s.d.) zwei weitere Wörter aufweist, die sich von ihren mutmaßlichen armen. Originalen hazarapet bzw. hamarakar durch eine Synkope unterscheiden, scheint die georg. Bezeugung auf eine sich zur Zeit der Übernahme bereits vollziehende armen. Synkopierung hinzudeuten (cf. in diesem Sinne bereits Słuszkiewicz, Arm.LWW [Roczn.Or. 37], 70, Anm. 17). Dieser Folgerung gegenüber ist aber aus zweierlei Gründen weiterhin eine gewisse Vorsicht angebracht: Zum einen konnten inlautende Vokale in ageorg. Hss. jederzeit einer abbreviativen Schreibung zum Opfer fallen (cf. dazu ausführlich Boeder, Abkürz. [RÉGC 3]). Zum anderen kannte auch das Georgische bekanntlich eine Synkope präsuffixaler oder prädesinentialer Vokale, deren Regeln für das Altgeorgische aber gerade wegen des angesprochenen graphischen Problems nicht völlig klar sind; so könnten die genannten Wortformen auch als Entlehnungen aus dem Armenischen Auswirkungen der georg. Synkoperegeln zeigen.
Die einheitliche Schreibung mit -x- ist demgegenüber für die etymologische Beurteilung des armen. Wortes von Belang. Während H. Hübschmann arm. nahapet noch mit den zahlreichen Komposita verband, die im VG das auch als Simplex bezeugte nax "zuerst" enthalten, wobei er die Form mit -h- für sekundär erklären mußte (AG 200, 428.), hat sich inzwischen eine Auffassung Meillets durchgesetzt, wonach die Lautung nahapet als die etymologisch berechtigte Form anzusehen ist (Mots prth. [RÉA 2], 1 f.); diese zuletzt auch bei Bailey, Iran.Infl. (Enc.Ir.) 465 vertretene Anschauung geht von einer Verknüpfung mit dem iran. Wort für die "Sippe" aus, das z.B. im Sogd. in der Form <n՚β> bzw. <n՚f> vorliegt, und dessen ältester Vertreter avest. nāfah- sein dürfte (cf. Bthl.Wb. 1062). Auf dieser Basis wäre arm. nahapet der Fortsetzer eines iran. Kompositums *nāf(a)pēt "Sippen-Herr", dessen exakte Entsprechung Bailey in der NW-Prakritform navhapati- wiederfand, und das arm. -h- wäre als Vertreter eines miran. -f- allein berechtigt (zum HG s. weiter unter ṗeṭ-). Dagegen scheint nun georg. nax(a)ṗeṭ- erneut einen Rückgriff auf Hübschmanns Etymologie nahezulegen, indem es als Zeugnis von außen die Lautung mit -x- als sprachwirklich erweist. Dieses Zeugnis ist allerdings trügerisch, da das Wort mit den vorliegenden Belegen erst für einen relativ späten Zeitraum beansprucht werden kann; die Lautung naxapet könnte innerhalb der armen. Überlieferung also eine jüngere Entwicklung darstellen. Tatsächlich spricht alles dafür, daß naxapet innerhalb der armen. Sprachgeschichte erst sekundär für das ältere nahapet eingetreten ist. Zum einen zeigt das Wort durch seine Verwendung eine eindeutige Affinität zu einer Bedeutungssphäre, die mit "Sippe" umschrieben werden kann; diese Bedeutungssphäre steht mit der Herleitung aus einem iran. Kompositum mit VG nāf- völlig in Einklang, nicht jedoch mit dem "Allerweltspräfix" nax- "zuerst". Zum anderen ist eine Ersetzung von nah- durch nax- ohne weiteres auf einen analogischen Einfluß der zahlreichen Komposita mit dem VG nax- zurückführbar, während umgekehrt eine Ersetzung des häufigen nax- durch nah- nicht begründet werden könnte. Bei dem Übergang von nahapet zu naxapet, für den in diesem Sinne die georg. Überlieferung als terminus ante quem den zeitlichen Rahmen abgeben kann, mag die bereits angesprochene semantische Überschneidung mit naxarar katalysierend gewirkt haben (cf. in diesem Sinne auch Leroy, Compp. -pet [AIPHOS 15], 112); s. dazu weiter unter dem folgenden Lemma.
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