Jost GIPPERT
ZUR CHRISTLICHEN TERMINOLOGIE IN DEN SÜDKAUKASISCHEN
SPRACHEN
*
0.1.
Die vier südkaukasischen oder kartvelischen Volksstämme der Georgier, Megrelier, Lazen und Svanen waren im Laufe der Geschichte aufgrund ihrer geographischen
Lage den Einflüssen höchst unterschiedlicher Kulturkreise ausgesetzt. Diese Einflüsse,
von denen der östliche, iranische und der westliche, griechische als die bedeutendsten
gelten können, haben in besonderem Maße ihre Sprachen geprägt. Die so entstandene
Heterogenität, die vor allem im Bereich des Wortschatzes greifbar wird, will ich im
folgenden an einem Beispiel demonstrieren, das durchaus als typisch gelten kann.
0.2.
Jede historisch-vergleichende Beschäftigung mit kartvelischem Sprachmaterial muß
vom Georgischen ausgehen, das als einzige der vier Sprachen über eine schriftliche
Tradition verfügt. Diese Tradition setzte im 5. Jh. mit der Christianisierung des Landes
ein, und die dabei entstehende geistliche Literatur fand ihren Höhepunkt um die
Jahrtausendwende. Nur wenig später hatte auch das weltliche Schrifttum seine erste
große Blütezeit.
0.3.
Zu den ältesten Sprachzeugnissen gehören — naturgemäß — die Übersetzungen der
christlichen Haupttexte, vor allem der vier Evangelien. Mit sechs Handschriften, die ein
Tetraevangelium enthalten und die sämtlich innerhalb eines Zeitraums von 100 Jahren,
zwischen 897 und 995, entstanden sind, besitzen wir eine solide Grundlage für die
Erforschung der georg. Überlieferung. Es zeigt sich, daß schon zur damaligen Zeit zwei
höchst unterschiedliche Redaktionen vorlagen, deren eine ausschließlich in der
Handschrift von Adiši (AD 897) repräsentiert ist; die zweite Redaktion, die die Codices
von Oṗiza (913), Ṭbeti (995), Ǯruč̣i (936), P̣arxali (973) und Bertay (988) bieten, bildet
als eine Art "Protovulgata" die Grundlage für spätere Überarbeitungen des georg.
Evangelientexts
1.
0.4.
Zu den genannten Handschriften treten als ältere Textzeugnisse noch die
Evangelienzitate hinzu, die in einigen Handschriften liturgischen Charakters, sog.
Lektionarien, enthalten sind. Hierunter fallen die wichtigsten der sog.
Xanmeṭi- und
Haemeṭi-Handschriften, die sich durch sprachliche bzw. graphische Archaismen im
Bereich der Verbalflexion auszeichnen und die gemeinhin in das 6. bis 8. Jh. datiert
werden. Die wohl bedeutendste dieser Handschriften ist das Sinai-Lektionar, das heute
in der Grazer Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. Die
Xanmeṭi- und
Haemeṭi-Texte,
deren Wortlaut dem der "Protovulgata" sehr nahesteht, besitzen aufgrund ihres Alters
naturgemäß eine besondere Aussagekraft für sprachhistorische Fragestellungen.
2
1.
Der griechische Text der vier Evangelien enthält an insgesamt 26 Stellen
3 das
Wort πάσχα, das als Bezeichnung des jüdischen Pessach-Fests sowie als Benennung
des bei diesem Fest geschlachteten Opferlamms aus der aramäischen Namensform
/pasxā, pisxā/ entlehnt wurde. In den ageorg. Evangelientexten wird das Wort auf sechs
verschiedene Weisen wiedergegeben:
1.1.
Als genaue Reproduktion des griech. πάσχα begegnet in der "Protovulgata" vierzehnmal eine Form des Wortstammes
ṗaska- (Nom.Sg.
ṗaskay) wie z.B. in Lk. 22,11
4:
.. romelsa ṗaskay ese moc̣apetay čemta tana vč̣amo? — "(Wo ist die Herberge,) in der ich mit
meinen Jüngern das Opferlamm essen soll?" (Vgl. griech.: .. ὅπου τὸ πάσχα μετὰ τῶν
μαϑητῶν μου ϕάγω;)
In der armenischen Bibelübersetzung entspricht dem georg.
ṗaska- genau die Form
paskՙay, die allerdings innerhalb des Neuen Testaments ein hapax legomenon ist: sie
erscheint ausschließlich in Lk. 22,1
5.
1.2. Ebenfalls in der "zweiten" Redaktion tritt, ohne daß eine äußerliche Verteilungsratio erkennbar wäre, sechsmal der Stamm
ṗasek- (Nom. Sg.
ṗaseki) auf wie z.B.
an der Parallelstelle zu dem oben behandelten Lk. 22,11 aus dem Markusevangelium
(Mk. 14,14)
6:
.. sada ṗaseki moc̣apetay čemta tana vč̣amo? – "(Wo ist die Herberge,) wo ich mit meinen
Jüngern das Opferlamm essen soll?" (Vgl. griech.: .. ὅπου τὸ πάσχα μετὰ τῶν μαϑητῶν
μου ϕάγω;)
Auch diese Variante hat ein armen. Gegenstück in der Form
pasekՙ, die in Lk. 22,7-15
erscheint
7. Grundlage beider dürfte das — allerdings nur in der Septuaginta bezeugte —
gr. ϕασέκ, ϕασέχ sein, das auf eine Vorform des hebr. פֶּסַח /pǟsax/ zurückgeht
8.
1.3. Nur in der Adiši-Handschrift, also dem Vertreter der "ersten" Redaktion, wird das
Wort
zaṭiḳ- (Nom.Sg.
zaṭiḳi) verwendet, und zwar an insgesamt elf Stellen; so z.B. Mt.
26,17
9:
sada gnebavs, da gimzadot šen č̣amad zaṭiḳi ese? — "Wo willst du, daß wir dir das Opferlamm zum Mahl bereiten?" (Vgl. griech.: Ποῦ ϑέλεις ἑτοιμάσωμέν σοι ϕαγεῖν τὸ πάσχα;)
Dieses Wort deckt sich genau mit dem armen.
-i/a- Stamm
zatik, der innerhalb des
armen. Evangelientextes als die Normalwiedergabe von griech. πάσχα gelten kann. Das
Wort dürfte trotz innerarm. Anschlußmöglichkeiten
10 eher aus dem Iran. stammen, wo
es zu der mpers. Form
zat11 < airan.
ǰata-, PPP der Wz.
ǰan- < idg.
*g�ʰen- "schlagen"
gestellt werden kann
12; Benennungsgrundlage wäre dann wohl das "Schlachten" beim
Opfer. Die Annahme einer solchen Entlehnung ist allerdings nicht unproblematisch, da
die genaue iran. Vorform nicht verifiziert werden kann; hierzu bedarf es noch eingehender Untersuchungen, zumal das Wort innerhalb des Georgischen und Armenischen eine
weitere Bedeutungssphäre hat (s. dazu weiter unter 4.1.1. ff).
1.4. Fünfmal gebraucht die "Protovulgata" des georg. Tetraevangeliums als direkte
Wiedergabe des griech. πάσχα das Wort
vneba- (Nom. Sg.
vnebay) wie z.B. an der
ebengenannten Stelle Mt. 26,17
13:
sada gnebavs, da mza-giq̇ot šen č̣amad vnebay ese? — "Wo willst du, daß wir dir das Opferlamm zum Mahl bereiten?" (Vgl. griech.: Ποῦ ϑέλεις ἑτοιμάσωμέν σοι ϕαγεῖν τὸ πάσχα;)
Dieses Wort ist identisch mit dem Verbalnomen der georg. Wurzel
vn-, die soviel wie
"quälen, Böses antun" bzw. — im passivischen Sinne — "leiden" bedeutet.
1.5. Als Gegenstück zu dem
vnebay der "zweiten" Redaktion steht in der Adiši-Handschrift viermal die Wortform
vnebata- (Nom.Sg.
vnebatay) wie z.B. in Mk. 14,14
14:
sada vnebatay igi moc̣apetay čemta tana ševč̣amo? — "(Wo ist die Herberge,) wo ich mit
meinen Jüngern das Opferlamm essen soll?" (Vgl. griech.: .. ὅπου τὸ πάσχα μετὰ τῶν
μαϑητῶν μου ϕάγω;)
Hierbei handelt es sich um eine — für das Georgische typische — hypostatische Bildung,
die vom Gen.Pl. des Verbalnomens
vnebay ausgeht; die wörtliche Bedeutung kann mit
"das, sc. Fest bzw. Tier, der Quälungen bzw. Leiden" wiedergegeben werden.
1.6. Ebenfalls in der Adiši-Handschrift wird das griech. πάσχα zweimal durch das
Wort
dġesasc̣aul-i wiedergegeben wie in Jo. 2,13
15:
da iq̇o dġesasc̣auli igi huriatay moaxlebul .. — "Und das Pessach(-Fest) der Juden war nahe
.." (Vgl. griech.: Καὶ ἐγγὺς ἦν τὸ πάσχα τῶν ᾽Ιουδαίων ..)
dġesasc̣auli ist das übliche Wort für "Fest-, Feiertag" im Georgischen; als solches
übersetzt es regelmäßig griech. ἑορτή. So auch an zwei Stellen, wo das letztere
explikativ neben πάσχα erscheint wie in Jo. 13,1
16:
c̣inaysc̣ar dġesasc̣aulsa mis zaṭiḳisasa uc̣q̇oda iesu .. — "Vor dem Feiertag des Pessach
(-Fests) erkannte Jesus .." (Vgl. griech.: Πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα εἰδῶς ὁ ᾽Ιησοῦς ..)
dġesasc̣auli ist ein Kompositum aus den genuin georg. Wörtern
dġe- "Tag" und
sasc̣aul-i "wunderbar, Wunder".
2. Es fragt sich nun, welche Hintergründe die heterogene Wiedergabe des gr. πάσχα in
der georg. Übersetzung hat. Diese Frage kann zunächst einmal eine textgeschichtliche
sein:
Aus welcher Sprache sind die georg. Texte
übersetzt worden? Aussagekräftig ist
hierbei vor allem das Wort
zaṭiḳi das in der gegebenen Bedeutung für das georg. Tetraevangelium eben ausschließlich in der "ersten" Redaktion bezeugt ist
17. Da das Wort
eine genaue armen. Entsprechung hat, scheint sich die schon früher geäußerte Ansicht
zu bewahrheiten, daß diese Redaktion auf einer arm. Vorlage beruht
18; eine Ansicht,
die allerdings noch einer eingehenden Überprüfung anhand des Gesamtmaterials bedarf.
Immerhin gibt es eine auffällige Übereinstimmung, die diese These untermauert: Wie
ebenfalls schon früher erkannt wurde
19, stimmt der Text der Adiši-Handschrift in zwei
größeren Bereichen des Lukas-Evangeliums (3,9-15,7 und 17,25-23,2) ausnahmsweise
genau mit dem der "zweiten" Redaktion überein. Hier findet sich auch der einzige
Beleg des Wortes
ṗaskay innerhalb der Adiši-Handschrift, nämlich in Lk. 22,15:
(gulis siṭq̇wt guli mi)tkumida ṗaskasa amas č̣amad tkuen tana vidre vnebadmde čemda. —
"Mir hat das Herz (danach) verlangt (wtl. `mit dem Herzenswort zu mir gesprochen'), dieses
Opferlamm mit euch zu essen vor meinem Leiden". (Vgl. griech.: ᾽Επιϑυμίᾳ ἐπεϑύμησα
τοῦτο τὸ πάσχα ϕαγεῖν μεϑ' ὑμῶν πρὸ τοῦ με παϑεῖν·)
Man nimmt an, daß die Vorlage der Handschrift in diesen Bereichen lückenhaft war
und daß die Lücken für das Adiši-Manuskript aus einer Handschrift der "zweiten" Redaktion ergänzt wurden
20. Innerhalb des armen. Tetraevangeliums ist es nun gerade das
22. Kapitel des Lukasevangeliums, wo nicht das übliche
zatik, sondern
pasekՙ bzw.
paskՙay erscheint
21; die betreffenden Stellen liegen also genau innerhalb der Lücke, die für
die Vorlage des Adiši-Evangeliums postuliert wird. Diese Übereinstimmung könnte so
gedeutet werden, daß in der Vorlage des überkommenen arm. Lukasevangeliums dieselbe Lücke bestand wie in der Vorlage der Adiši-Handschrift, was sich am einfachsten
erklären würde, wenn beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen würden. Auch
hierzu bedarf es noch weitergehender Untersuchungen.
3. Keine zwingenden überlieferungsgeschichtlichen Gründe kann ich für den Wechsel
von
ṗaskay und
ṗaseki sowie für das Auftreten der genuin georg.
vnebay bzw.
vnebatay
und
dġesasc̣auli anführen; einige Beobachtungen zu den einzelnen Formen seien jedoch
mitgeteilt.
3.1. Was zunächst das Nebeneinander der beiden semitischen Termini betrifft, so liegt
die Vermutung nahe, daß sich darin eine Unterscheidung zwischen dem Pessach-Fest
und dem Pessach-Opfer(tier) widerspiegeln könnte. Dies würde sich mit den heutigen
Gegebenheiten decken, wonach
ṗaseki offenbar nur das erstere (und dann auch das
christliche Osterfest) benennt, während
ṗaska ein Ostergebäck bezeichnet
22. Dagegen
sprechen jedoch die o.g. Belege
23, bei denen das Lukas- und das Markusevangelium für
den gleichen Sachverhalt, das Verzehren des Pessach-Lammes, einmal
ṗaskay und
einmal
ṗaseki verwenden. Die heutige Unterscheidung scheint also sekundär zu sein.
3.2. Die Verwendung von
dġesasc̣auli in der Adiši-Handschrift erklärt sich am ehesten
durch eine gegenseitige Beeinflussung ähnlich lautender Stellen, bei denen πάσχα teils
mit und teils ohne ἑορτή neben sich erscheint. So gesellen sich zu den o.g. Belegen
zwei Stellen, bei denen der griech. Text sowohl πάσχα als auch ἑορτή bietet, die
georg. Version jedoch lediglich
dġesasc̣auli hat, wie z.B. Jo. 6,4
24:
da iq̇o moaxlebul dġesasc̣auli igi huriatay. — "Und das Fest der Juden war nahe." — Vgl.
griech.: ἦν δὲ ἐγγὺς τὸ πάσχα, ἡ ἑορτὴ τῶν ᾽Ιουδαίων — "Und das Pessach, das Fest der
Juden war nahe."
In den Ausgangsbelegen dürfte πάσχα also nur
scheinbar durch
dġesasc̣auli übersetzt
sein, stattdessen ist auch dort nur das Explicans des Fremdworts erwähnt, der "Festtag
der Juden".
3.3. Im Falle des Verbalnomens
vnebay ist vorrangig zu fragen, wie ein Wort für "Qual"
bzw. "Leiden" dazu gekommen sein kann, als Übersetzung des griech. πάσχα zu dienen.
3.3.1. Das Wort tritt im Evangelientext tatsächlich auch in seiner ursprünglichen
Bedeutung noch auf; so z.B. an der bereits besprochenen Stelle Lk. 22,15 (s.o. unter 2.)
als Wiedergabe des "Leidens Christi", griech. παϑεῖν.
3.3.2. Im Sinne von "Leiden" begegnet das Wort ferner in altgeorg. Originalliteratur
wie z.B. dem Martyrium der hl. Šušaniḳ, das als der älteste erhaltene georg. Originaltext überhaupt gilt (Ende 5. Jh.); die Stelle lautet:
aramed q̇ovlad savseman krisṭeman aġgavsenin tkuen q̇ovlita ḳetilita, romelni-ese čemtws
mošuerit da eziarenit vnebata amat čemta da č̣irta da ṭanǯvata. "Jedoch Christus in seiner
Allmacht möge euch anfüllen mit allem Guten, die ihr euch um mich bemühtet und Anteil
nahmt an meinen Leiden und Schmerzen und Qualen"25.
3.3.3. Außer παϑεῖν kann
vnebay auch anderen griech. Wörtern entsprechen wie z.B.
ἀδικία / ἀδικεῖν an der Stelle Gen. 26,20 in der Ošḳi-Bibel (AD 978), der ältesten
georg. Handschrift, die das Alte Testament enthält
26:
da uc̣oda saxeli ǯurġmulsa mas vnebay, rametu avnes mas. — "Und er nannte diese
Wasserstelle `Unrecht', denn sie hatten ihm (dort) Unrecht zugefügt". (Vgl. griech.: καὶ
ἐκάλεσεν τὸ ὄνομα τοῦ ϕρέατος ᾽Αδικία· ἠδίκησαν γὰρ αὐτόν.)
3.3.4. Es ergeben sich zwei Möglichkeiten,
vnebay als Wiedergabe von πάσχα zu
motivieren: Entweder das Wort für "Quälen, Unrecht antun" konnte über die Vorstellung des "gequälten" Opfertiers zu einer Bezeichnung des Pessach-Opfers werden; dagegen spricht allerdings, daß
vnebay in dieser Bedeutung der ageorg. Übersetzung des
Alten Testaments ursprünglich offenbar fremd ist
27: Ich finde es lediglich in der
Mcxeta-Bibel, die erst an der Schwelle vom 17. zum 18. Jh. entstanden ist und zumindest teilweise als eine Neuübersetzung gelten kann
28; bezeichnenderweise tritt es dabei
gerade an solchen Stellen auf, wo die Ošḳi-Bibel Lücken hat wie z.B. in Num. 9,2
29:
q̇on ʒeta israelisata vnebay žamsa twssa. — "Zu seiner Zeit sollen die Söhne Israels das
Opfer verrichten". (Vgl. griech.: ποιείτωσαν οἱ υἱοὶ Ισραηλ τὸ πάσχα καϑ' ὥραν αὐτοῦ·)
3.3.5. Wahrscheinlicher ist deshalb, daß das Wort
vnebay als Bezeichnung der "Passio
Domini" zu einer prägnanten Benennung des
christlichen Osterfestes wurde, die dann
retrograd auch auf das jüd. Pessach-Fest übertragen werden konnte. Dabei dürfte der
lautliche Anklang von griech. πάσχα an πάσχω "leiden" eine katalysierende Rolle gespielt haben
30. Tatsächlich ist πάσχα schon in der Frühzeit des Christentums volksetymologisch auf πάσχω bezogen worden, wie z.B. eine einschlägige Stelle in den "Divinae institutiones" des Lactanz (Anfang 4. Jh.) zeigt:
Denique immolatio pecudis ab iis ipsis, qui faciunt, pascha nominatur, ἀπὸ τοῦ πάσχειν,
quia passionis figura est, quam Deus praescius futurorum tradidit per Mosen populo suo
celebrandam. — "Schließlich wird die Opferung des Viehs von jenen selbst, die sie ausführen,
Pascha genannt, von dem (Worte) πάσχειν her, weil sie ein Sinnbild des Leidens ist, die
Gott, das Zukünftige vorher wissend, durch Moses seinem Volk festlich zu begehen auftrug."31
Dabei wird ebenso eindeutig der Bezug zwischen dem jüd. Fest und der "Passio
Christi" hergestellt wie schon ein Jahrhundert zuvor in der Schrift "Contra Haereses"
des Irenäus:
Et non est numerum (sc. scripturarum) dicere in quibus a Moyse ostenditur Filius Dei, cuius
et diem passionis non ignoravit; sed figuratim praenuntiavit eum, Pascha nominans: et in
eadem ipsa, quae ante tantum temporis a Moyse praedicata est, passus est Dominus
adimplens Pascha.32 — "Und man kann gar nicht sagen, wie oft (sc. in den Schriften) Moses
auf den Gottessohn hinwies, von dem er sogar den Leidenstag kannte; kündigte er ihn doch
sinnbildlich an, indem er ihn `Pascha' nannte: und während eben dieses (Pascha-Fests), das
so lange Zeit zuvor von Moses vorherbestimmt worden war, hat der Herr gelitten, das Pascha(-Opfer) vollziehend."
3.3.6. Für diese Annahme spricht auch, daß
vnebay im Evangelientext der "Protovulgata"
fünfmal im Sinne einer
Glossierung neben
ṗaskay bzw.
ṗaseki erscheint wie z.B. in Mt.
26,19; hier steht dem griech. καὶ ἠτοίμασαν τὸ πάσχα folgender Text gegenüber
33:
da mza-uq̇ves mas ṗaskay igi, romel ars vnebay. — "Und sie bereiteten ihm das Pascha,
welches `ist Leiden'."
Georg.
vnebay kann hier also durchaus als eine "Lehnübersetzung" des griech. πάσχα
aufgefaßt werden.
4.
Wenn
vnebay auf diese Weise als eine mit genuinem Wortmaterial gebildete
altgeorg. Bezeichnung des christlichen Osterfestes bestimmt werden kann, so ist es
doch keinesfalls die einzige oder auch nur die meistgebrauchte Bezeichnung dafür
gewesen. Stattdessen begegnen uns meist zwei andere georg. Wörter: Sehr häufig ist
zunächst
aġdgoma-y, das wörtlich übersetzt "Auferstehung" bedeutet und in den Evangelien durchweg als Übersetzung von griech. ἀνάστασις dient.
aġdgoma ist auch der
heute übliche Name des Osterfests. Daneben tritt schon sehr frühzeitig das Wort
aġvseba-y auf, das als Verbalnomen zu der georg. Wurzel
vs- wörtlich "Erfüllung,
Anfüllung" bedeutet.
4.1. Der wohl älteste Beleg dieses Wortes in der Bedeutung "Ostern" dürfte im Grazer
Xanmeṭi-Lektionar vorliegen, wo die Lesung aus Jo. 20,19-25 mit den folgenden
Worten eingeleitet wird
34:
(dġe)sa axusebasa mc̣uxri `nateli mxiaruli'-ġa c̣artkuan; xitkuas psalmuni `xugalobdit upalsa
galobiti axlita, kebay misi eḳlesiasa c̣mi(datas)a' — "Am Ostertage (wtl. am Tage
`Erfüllung'), Abenddämmerung: man rezitiert noch (das Lied) `Ein freudiges Licht'; der
Psalm (149) `Singet dem Herrn ein neues Lied, die Gemeinde der Heiligen soll ihn loben'
wird gesungen (eigtl. gesprochen)."
Daß es sich bei dem "Tage `Erfüllung"' tatsächlich um Ostern gehandelt haben muß,
erweist sich nicht zuletzt daran, daß die hierauf folgende Stelle Jo. 20,19 ff. gerade den
Abend
nach der Auferstehung zum Inhalt hat.
4.1.1. Im Grazer Lektionar findet sich noch ein zweiter, allerdings nicht so unproblematischer Beleg des Wortes
aġvseba-y35 wo dieses neben dem bereits oben behandelten
zaṭiḳ-i erscheint:
dġesa axusebisa zaṭiḳsa mc̣uxrisa (...)sa žamsa psalmuni r̃mt: `xugalobdit upalsa galobiti
axlita, kebay misi eḳlesiasa c̣midatasa' — "Am Tage zaṭiḳ- des Osterfestes (wtl. "der
Erfüllung") zur (...)ten Stunde der Abenddämmerung, der Psalm 149: "Singet ..." (Es folgt die
Lesung aus Jo. 20,26-31).
Daß durch die Kombination von
aġvseba-y (im Gen.Sg.) und
zaṭiḳ-i nicht einfach wieder das Osterfest selbst gemeint sein kann, läßt sich wahrscheinlich machen, wenn man
auch hier den Inhalt der Lesung berücksichtigt; danach müßte der "Tag
zaṭiḳ- der Erfüllung" eher mit dem Sonntag
nach Ostern identisch sein. In diesem Sinne äußerte sich
auch der Herausgeber des Lektionars, A.
Šaniʒe, der zur Stützung auf eine Stelle in
dem hagiographischen Originaltext Mokcevay kartlisay, d.h. "Die Bekehrung
Georgiens" verwies
36; hier wird der Termin, an dem der georgische König Mirian das
"Kreuz von Mcxeta" errichten ließ
37, als
aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳsa bestimmt:
aġhmartes borcusa mas zeda mʒlē niši ǯuarisay mcxetasa maxlobelad, martl c̣inaše
aġmosavalit, dġesa ḳwriaḳesa, aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳsa. .. da q̇o mirean mepeman da
q̇ovelman erman mcxetisaman šesac̣iravi didi mas dġesa šina ṗaṭiosnisa ǯuarisa. da daac̣eses
dġesasc̣auli ʒlevit šemosilisa ǯuarisay aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳsa, dġesa ḳwriaḳesa, q̇ovelman
kartlman, vidre dġendelad dġedmde da vidre uḳunisamde. — 38 "Und sie errichteten das
siegreiche Zeichen des Kreuzes nahe Mcxeta, geradewegs davor von Osten her, am Sonntag,
am zaṭiḳ- des zaṭiḳ-s der aġvseba-. .. Und der König Mirian und das ganze Volk von Mcxeta
veranstalteten ein großes Opfer an dem Tage des ehrwürdigen Kreuzes. Und sie begingen den
Feiertag des sieghaften Kreuzes am zaṭiḳ- des zaṭiḳ-s der aġvseba-, am Sonntag, ganz
Kartli, bis auf den heutigen Tag und in Ewigkeit."39
Nach
Šaniʒe ist auch hier der ("Weiße") Sonntag nach Ostern gemeint; das
axusebisa
zaṭiḳsa des Grazer Lektionars hält er offenbar für aus
aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳsa verkürzt.
4.1.2. Es erhebt sich also die Frage, welche Bedeutung den Elementen
aġvsebay und
zaṭiḳi in diesen Wendungen zukommt; hier können ja nicht beide Wörter einfach mit
"Ostern" wiedergegeben werden. Keinen klärenden Hinweis dazu geben uns die späteren, vollständigeren Niederschriften des altgeorg. liturgischen Kalenders, in denen das
"Osterfest" selbst eindeutig nur mit
aġvsebay benannt wird, während
zaṭiḳi den
gesamten Zeitraum von Ostern bis Pfingsten bezeichnet. Hier lauten zunächst die im
Zusammenhang mit dem Grazer Lektionar interessierenden Stellen:
(Für den Ostersonntag:) dġesa aġusebasa c̣midasa dġesasc̣aulsa adġomasa uplisasa .. q̇on
mc̣uxrisa žami: .. psalmuni: ugalobdit upalsa galo(..): .. saxarebay iovanes tavisay .. "Am
Tage aġuseba, am heiligen Feiertage, zur Auferstehung des Herrn, .. halten sie die
Abendandacht: .. den Psalm: `Singet dem Herrn ein ..'; .. das Evangelium nach Johannes .."
(Es folgt die Lesung aus Jo. 20,19-25). — (Für den Sonntag nach Ostern:) c̣midasa ḳwriaḳesa
a zaṭiḳsa: romeli ars axali ḳwriaḳe: .. žamsa mecxresa q̇oveli c̣esi aġvsebisa mc̣uxrisay
aġasrule merme (?) .. psalmuni ..: ugalobdit upalsa galobita axlita: .. saxarebay iovanes
tavisay .. — "Am ersten Sonntag im zaṭiḳ- (-Zeitraum), welcher der `Neue Sonntag' ist: .. Zur
neunten Stunde40 vollziehe man die gesamte Ordnung der Abendandacht der aġvsebay noch
einmal (?) .. den Psalm .. `Singet dem Herrn ein neues Lied' .. das Evangelium des Johannes
.." (Es folgt die Lesung aus Jo. 20, 26-31).41
Die Bedeutung von
zaṭiḳi ergibt sich unzweifelhaft daraus, daß so, wie hier von dem
"ersten Sonntag" (wtl. "Sonntag
a") der
zaṭiḳ-Zeit die Rede ist, auch die weiteren Sonn-
und Wochentage für die sieben Wochen zwischen Ostern und Pfingsten
durchgezählt
werden. Dabei tritt
zaṭiḳ- seltener auch in
pluralischer Form auf wie bei den Angaben
für den 14. Januar, wo auf den "2. Mittwoch der
zaṭiḳni" verwiesen wird
42:
q̇oveli hṗoo zaṭiḳta b otxšabatsa. — "Alles findest du unter dem 2. Mittwoch der zaṭiḳni."
4.1.3. Auch dies dürfte keine genuin georgische Verwendung des Wortes gewesen sein.
Oben wurde bereits die Hypothese vertreten, daß
zaṭiḳi im Adiši-Evangelium über das
Armenische ins Georgische gelangt sei; auch hier ist also eine Konsultierung der entsprechenden armen. Zeugnisse geboten. Dabei ergibt sich, daß auch hier
zatik nicht einfach "Ostern" bedeutet, sondern ebenfalls den Zeitraum
mehrerer Wochen, die mit
dem Ostersonntag beginnen. So enthält das armen. Lektionar z.B. folgende Einträge
43:
(Für den Ostersonntag:) "At dawn, of the congregation on the holy kiriaké of Zatik: .. On
the same kiriaké of Zatik they go up at the ninth hour to the holy Mount of Olives, and
there sing a psalm; and go down with psalms to the holy Anastasis. And thence they proceed
at eventide to holy Sion, and this canon is performed: Ps. 1491: John 2019-25." — (Für den
ersten Sonntag nach Ostern:) "Kiriaké. To-day they assemble in the holy shrine .. On the
same day of kiriaké they go up to the Mount of Olives at the ninth hour, and there sing
psalms for a space. And thence they go down with psalms to the holy Anastasis, and this
canon is performed: Ps. 1491: John 2026-31 ... — (Für einen späteren Sonntag:) "The kiriaké at
the close of Zatik. He reads in the holy Anastasis during the administration of the mystery
1 Pet. 21-10."44
Mit dem letztgenannten "Sonntag am Ausgang des
zatik" kann nicht wie im
Georgischen der Pfingstsonntag gemeint sein, da dieser im folgenden eigens behandelt
wird:
"On the day of holy Pentecost, the kiriaké, they assemble in the holy shrine ..45
4.1.4. Damit sind aber die Wendungen
aġvsebisa zaṭiḳ- und
aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳ-
keineswegs klarer geworden: Erst wenn
zaṭiḳi als ein Appellativum bestimmbar ist,
wird der Genetiv
aġvsebisa verständlich. Es ist zu erwägen, ob das Wort ursprünglich
einmal generell "Festzeiten" bezeichnet haben könnte, so daß mit
aġvsebisa zaṭiḳ- die
"Osterfestzeit" im speziellen benannt worden wäre. Allerdings müßte man dann immer
noch annehmen, daß die Angabe
aġvsebisa zaṭiḳsa des Grazer Lektionars verkürzt für
ḳwriaḳesa a° z° stünde, während das
aġvsebisa zaṭiḳis zaṭiḳsa der "Bekehrung
Georgiens" aus
aġvsebisa zaṭiḳis ḳwriaḳesa entstellt sein müßte. Denkbar wäre auch,
daß
zaṭiḳi im letzteren Fall sowohl die "(Oster-)
Festzeit" als auch ein
Fest innerhalb
derselben benannt haben könnte. Immerhin erscheint die Doppelnennung auch in einer
Parallelüberlieferung der Legende von der Errichtung des Kreuzes in Mcxeta, wenn
auch nicht im völlig identischen Wortlaut:
46
.. da aġhmartes .. niši ǯuarisay .. dġesa ḳwriaḳesa aġvsebisa šemdgomad zaṭiḳis zaṭiḳsa. .. da
daac̣eses dġesasc̣auli .. ǯuarisay uḳuana47 zaṭiḳis zaṭiḳsa, dġesa ḳwriaḳesa ..48 — ".. Und sie
errichteten .. das Zeichen des Kreuzes .. am Sonntag nach der aġvsebay, an dem zaṭiḳi des
zaṭiḳis. .. Und sie setzten den Feiertag .. des Kreuzes fest (für die Zeit) nach (Ostern, an?)
dem zaṭiḳi des zaṭiḳis, am Sonntag .."
4.1.5. Eine zusätzliche Komplikation erbringt ein Beleg aus den Fastenvorschriften in
dem "Nomokanon" des Athoniten Eptwme (10.-11. Jh.), wo mit
zaṭiḳi ein Zeitraum vor
Ostern, etwa die Karwoche selbst, bezeichnet zu sein scheint:
xolo marxvay da muqltadreḳay miec̣es esret: oršabatsa da otxšabatsa da ṗarasḳevsa c̣uelasa
da qorcsa ara č̣amden, aramed zetsa da tevzsa; xolo samšabatsa da xutšabatsa c̣uelasaca da
tevzsa iqmarebden; xolo šabatsa da ḳwriaḳesa q̇ovelsave zeda č̣amadsa qsnil iq̇vnen: qorcsa
da c̣uelasa da ġwnosa. egretve sauplota dġesasc̣aulta; da c̣midisa ġmrtismšoblisata; da
c̣midata 12 mocikultasa, odesca daxudes titoeulisa dġesasc̣auli; da c̣midisa iovane natlismcemelisa; da atormeṭta mat dġeta krisṭes šobitgan vidre gancxadebadmdis da šemdgomad
gancxadebisa zaṭiḳsa; da aġusebitgan axal ḳwriaḳedmde; da msgepssa mas sulisa c̣midisa
moslvisasa marṭwliitgan vidre ḳwriaḳedmde twnier otxsabat-ṗarasḳevtasa. — "Und Fasten und
Kniebeugen soll(en) so bestimmt sein: Am Montag und Mittwoch und Freitag soll man keine
Milchprodukte und kein Fleisch essen, sondern Olivenöl und Fisch; und am Dienstag und
Donnerstag soll man wiederum Milchspeisen und Fisch zu sich nehmen; und am Samstag und
Sonntag ist man frei, alles zu verspeisen: Fleisch und Milchprodukte und Wein. Ebenso an
den Feiertagen des Herrn; und an denen der hl. Gottesmutter; und an dem der hll. 12 Apostel,
(und) auch wenn ein Feiertag für einen einzelnen (derselben) anfällt; und (an dem) des hl.
Johannes des Täufers; und an den zwölf Tagen von Christi Geburt bis Epiphanie und nach
Epiphanie in der zaṭiḳ- (-Zeit); und von aġusebay bis zum `Neuen (= Weißen) Sonntag';
und in der Woche der Herabkunft des hl. Geistes von Pfingsten bis zum (folgenden) Sonntag
außer am Mittwoch und Freitag."49
Die Bestimmung hängt hier allerdings einzig und allein von dem auf
zaṭiḳsa folgenden
da "und" ab; ohne dieses könnte
zaṭiḳsa durch das folgende "von
aġusebay bis zum
`Neuen' Sonntag" appositiv erklärt sein, wodurch sich eine Bedeutung "Osterwoche"
ergäbe: "nach Epiphanie in der Osterwoche, (d.h.) von Ostern bis zum `Neuen'
Sonntag". Für eine solche Analyse spricht, daß im folgenden auch die "Woche des hl.
Geistes" durch eine Apposition "von Pfingsten bis zum Sonntag (danach)" erläutert
wird. Außerdem stünde die Vorschrift ansonsten im Widerspruch zu den Angaben in
dem dem Johannes Nesteutes zugeschriebenen griech. Nomokanon, der als eine Vorlage
für den georg. Text gilt
50; hier lautet die Regel:
.. σάββατον δὲ καὶ κυριακὴν πάντα ἐσϑίειν ἀκωλύτως ... ὁμοίως καὶ εἰς πᾶσαν ἑορτὴν
δεσποτικὴν καὶ τῆς παναγίας ϑοτόκου, καὶ τοῦ προϕρόμου καὶ τῶν δώδεκα ἀποστόλων
.. ὁμοίως καὶ τὸ δωδεκαήμερον καὶ τὴν ἑβδομάδα τοῦ πάσχα ἀπολελυμένον εἶναι εἰς πᾶν
βρῶμα. ..51 ".. am Samstag und Sonntag ungehindert alles zu essen .. ebenso auch an jedem
Feiertag des Herrn und der hl. Gottesmutter, und (dem des Johannes) des Präkursors und der
zwölf Apostel .. ebenso auch in den zwölf Tagen und in der Osterwoche für jegliche Speise
frei zu sein."
So wie hier die "Osterwoche" direkt nach den "zwölf Tagen" (zwischen Weihnachten
und Epiphanie) genannt wird, dürfte dies auch für den ursprünglichen Text des georg.
Nomokanons vorauszusetzen sein.
zaṭiḳi ist auch hier also als
mit dem Osterfest
beginnender Zeitraum bestimmbar; trotz des rel. jüngeren Alters der Schrift könnte
dabei eine ältere Verwendung durchschimmern, wonach der Terminus für die Osterwoche mit dem für das Osterfest identisch war: dies würde sich mit dem Gebrauch des
griech. πάσχα decken, das ja ebenfalls zunächst nur das jüd. Pessachfest, dann aber
auch die Verbindung dieses Festes mit den direkt darauffolgenden Tagen des "ungesäuerten Brotteigs" bezeichnete
52.
4.1.6. Ob
zaṭiḳi darüber hinaus im Georgischen jemals als einfaches Appellativ in der
Bedeutung "Fest, Feiertag" gebraucht worden ist, bleibt fraglich; das normale Wort
dafür ist das oben behandelte
dġesasc̣auli, das in dieser Bedeutung ja z.B. auch in dem
Beleg aus der "Bekehrung Georgiens" erscheint. Die Annahme wurde zwar von
Ḳ. Ḳ
eḳeliʒe propagiert
53, die zur Stützung vorgebrachten Belege sind jedoch kaum
tragfähig. Dies gilt zunächst für 1.Kor. 5,8, wo das griech. ἑορτάζωμεν "wir sollen
feiern" durch eine denominale Ableitung von
zaṭiḳ-, vzaṭiḳobdet übersetzt wird
54; hier
geht es aber eben ausdrücklich um Pessach und das "Ungesäuerte". Ḳ
eḳeliʒes zweites
Beispiel stammt aus einer dem Kaiser Justinian zugeschriebenen Schrift über die Feiertage; hier heißt es:
da amas gamoačinebs leviṭeltay da ricxutay, rametu atxutmeṭit dġitgan vidre ocdameored
dġedmde zaṭiḳobed ttuesa seḳdenbersa .. — "Und das geht hervor aus (den Büchern) Leviticus
und Numeri, daß sie vom 15. Tage bis zum 22. Tage im Monat September feierten .."55.
Auch hier geht es natürlich um ein
jüdisches Fest, das Laubhüttenfest, so daß wir eher
von einer übertragenen Bedeutung "jüdischer Feiertag i.a." auszugehen haben, die auf
einer ursprünglichen Gleichsetzung
zaṭiki = "Pessachfest" beruhen könnte.
4.1.7. Wenn
zaṭiḳi außerhalb des Adiši-Evangeliums also nur als Benennung der
Osterwoche (entsprechend der Woche des "Ungesäuerten Brotes") und der sich daran
anschließenden Festzeit gesichert werden kann, bedeutet das für unsere Belege aus dem
Grazer Lektionar und der "Bekehrung Georgiens", daß der darin enthaltene Gen.
aġvsebisa am ehesten als ein exegetischer Zusatz aufzufassen ist; die Notwendigkeit,
ein Wort für "Sonntag" zu ergänzen bzw. zu restituieren, bleibt in beiden Fällen
bestehen.
4.2. Für
aġvsebay selbst wird der Bedeutungsansatz "Ostern" vor allem dadurch
gesichert, daß es auch direkt als Übersetzung von griech. πάσχα vorkommt; so z.B. in
der Homilie "Über die Taufe" des Basilius von Caesarea, die wiederum von dem georg.
Athos-Mönch Eptwme übersetzt wurde:
Τί δ'ἂν γένοιτο τῆς ἡμέρας τοῦ Πάσχα συγγενέστερον πρὸς τὸ βάπτισμα; / da ḳualad,
dġisa mis aġvsebisa raymca umaxlobeles iq̇o natlisġebad? — "Und weiter, was käme dem
Ostertage näher als die Taufe?"56
Einen anderen Beleg liefert eine Predigt über den "Verlorenen Sohn", die ursprünglich
dem georg. Bischof Ioane von Bolnisi zugeschrieben wurde, inzwischen aber als
(freiere) Übersetzung einer Schrift des Johannes Chrysostomus erkannt worden ist
57;
hier heißt es im Hinblick auf 1 Kor. 5,7:
Παῦλος ὁ τῶν ϑείων μυστηρίων ἐξηγητὴς ἀναβοᾷ καὶ λέγει· Τὸ πάσχα ἡμῶν ὑπὲρ ἡμῶν
ἐτύϑη Χριστός.58 — "Paulus, der Ausdeuter der göttlichen Mysterien, ruft aus und sagt: `Als
unser Opferlamm ist Christus für uns geopfert worden'."
Der georg. Text führt aus:
P̣avle sašinelsa saidumlosa iṭq̇ws "aġvsebay č(ue)ni dġes ars da šeic̣irvis k(risṭ)e .."59.
"Paulus spricht das furchtgebietende Mysterium: `Heute ist unsere aġvsebay, und Christus
wird geopfert .."'.
Auch wenn der Text an der gegebenen Stelle in nennenswerter Weise vom griech.
Original abweicht, wird doch klar, daß
aġvsebay hier zur Wiedergabe des griech.
πάσχα dient. Die entsprechende Passage im Korintherbrief verwendet übrigens wieder
zaṭiḳi:
rametu zaṭiḳad čuenda daiḳla krisṭē.60 — Denn als unser zaṭiḳi ist Christus getötet worden."
4.3. Die Verbreitung von
aġvsebay als Name des Osterfestes zeigt sich nicht zuletzt
daran, daß es so auch in georg. Originaltexten belegbar ist. Mit einer bemerkenswerten
Gleichsetzung von
aġdgomay und
aġvsebay tritt uns z.B. das "Martyrium des hl. Habo
von Ṭpilisi" entgegen, das aus dem ausgehenden 8. Jh. stammen dürfte:
xolo c̣midata mat dġeta didisa mis marxvisata, šwdta mat šwdeulta, ḳwriaḳesa da dġesa
šabatsa xolo mi-ray-iġis c̣miday igi saidumloy, qorci da sisxli krisṭēsi, mašinġa naḳlulevanad
miiġis sazrdeli, vidremdis miic̣ia igi c̣midasa mas dġesa, didsa dġesasc̣aulsa aġvsebasa,
aġdgomasa krisṭēs ġmrtisa čuenisasa, mašinġa daacada picxeli igi marxvay da ganhqsna
enayca twsi uṭq̇uebisagan da adidebda ġmertsa. — "Und an den heiligen Tagen des Großen
Fastens, in den sieben Wochen, nahm er das heilige Mysterium zu sich, das Fleisch und Blut
Christi, und nur mangelhafte Nahrung, bis er an jenem heiligen Tag ankam, dem großen
Feiertag Ostern (`Erfüllung'), der Auferstehung Christi, unseres Herrn, da beendete er
dieses strenge Fasten und erlöste seine Zunge vom Schweigen und pries Gott."61
In den georgischen Bergdialekten Pšavisch und Xevsurisch ist
aġvseba sogar bis heute
das übliche Wort für "Ostern" geblieben
62.
4.4. Auch im Falle von
aġvsebay "Erfüllung" erhebt sich wieder die Frage, wie seine
Verwendung als Bezeichnung des Osterfestes motiviert werden kann. Nach der Ansicht
des georg. Philologen Aḳaḳi
Šaniʒe ist die Benennungsgrundlage in dem Frühlingsvollmond zu suchen, nach dem der Ostertermin errechnet wurde
63. Eine andere Lösung
könnte davon ausgehen, daß das Verb
aġvseba- "erfüllen" in der Bibelübersetzung
häufig im Sinne des "Sich-Erfüllens der Tage bis zu einem bestimmten Ereignis"
benutzt wird; eine solche Stelle ist z.B. Lk. 2,6:
da iq̇o vidre iq̇vnes igini mun, aġivsnes dġeni igi šobisa misisani. — "Und während sie dort
waren, erfüllten sich die Tage (bis zu) ihrer Niederkunft." (Vgl. griech.: ἐγένετο δὲ ἐν τὦ
εἶναι αὐτοὺς ἐκεῖ ἐπλήσϑησαν αἱ ἡμέραι τοῦ τεκεῖν αὐτήν.)
Als die wahrscheinlichste Lösung erscheint mir der Vorschlag des georg. Gelehrten
Ḳ. Ḳ
eḳeliʒe, der "erfüllen" als prägnante Bezeichnung für den
Abschluß der dem
Osterfest vorausgehenden (Großen) Fasten ansieht
64. Man kann in diesem
Zusammenhang auf die soeben besprochene Stelle aus dem "Martyrium des hl. Habo"
verweisen, wo die Aufeinanderfolge der Fastenzeit und des Osterfests ausdrücklich
thematisiert ist. Die Verwendung eines Wortes für "erfüllen" kann im gleichen Sinne
auch für das Griechische belegt werden wie z.B. in einer Liedstrophe des Andreas
Cretensis:
τὴν ψυχωϕελῆ πληρώσαντες τεσσαρακοστήν .. — "Das den Geist stärkende vierzigtägige
Fasten vollendet habend ..."65
5.
Mit wieder einem ganz anderen Wort bezeichnen die westlichen Schwestersprachen
des Georgischen, Megrelisch und Svanisch, das Osterfest. Daß für Westgeorgien einmal
eine eigene kirchliche Terminologie existiert haben muß, nahm schon G.
Deeters an;
er verwies u.a. auf megr.
ṗaṗa, svan.
baṗ, ṗaṗ < griech. πάππας "Priester", die dem
georg. genuinen Terminus
mġ(v)deli gegenüberstehen, sowie auf das svan.
sṭarün līri
"das Kreuzzeichen machen (wtl. `schreiben')" mit
sṭārün < griech. (akk.) σταυρόν
gegenüber georg.
ǯuari(s c̣era).
66 Auch das megr. Osterwort erwähnte Deeters in
diesem Zusammenhang; es heißt
tanapa.
67
5.1. Megr.
tanapa, das — ebenso wie das Wort für den "Priester" — weiter auch ins
Svanische entlehnt wurde und dort
tanap lautet
68, wird von Deeters mit "Erleuchtung"
übersetzt. Diese Übersetzung scheint mir nur schwer zu rechtfertigen; sie dürfte allein auf
onomasiologischen Überlegungen Deeters' beruhen. Megr.
tanapa bildet zunächst eine
Identitätsgleichung mit dem altgeorg.
(gan-)teneba-, das soviel wie den "Tagesanbruch"
bedeutet. Zugrunde liegt eine Verbalwurzel
ten-, die von G.A.
Klimov in seinem
etymologischen Wörterbuch der Kartvelsprachen mit dem Bedeutungsansatz "рассвет",
i.e. "Morgendämmerung, Morgengrauen, Tagesanbruch" versehen wird
69. Zu einfachem
t- weiter reduziert findet sich die Wurzel bei A.
Čikobava in seinem Vergleichenden
lazisch-megrelisch-georgischen Wörterbuch mit der Übersetzung "светать", i.e.
"dämmern, hell werden; tagen"
70. Eine entsprechende Verwendung zeigt das altgeorg.
ganteneba- z.B. als Übersetzung des griech. τὸ πρωῒ ἐγενήϑη in Ex. 10,13:
da vitar gantena, karman kueaġmoman aġmoiġo mḳali .. — "Und als es tagte, führte der
Südwind die Heuschrecken herauf .." (Vgl. griech.: τὸ πρωῒ ἐγενήϑη, καὶ ὁ ἄνεμος ὁ νότος
ἀνέλαβεν τὴν ἀκρίδα.)
5.2. Wenn die ursprüngliche Bedeutung von megr.
tanapa also richtig mit "Herandämmern des Tages, Tagesanbruch" erfaßt ist, stellt sich auch bei diesem Wort die
Frage, wie es zur Bezeichnung des Osterfestes werden konnte. Ich schlage vor, daß der
"Tagesanbruch" hier im Einklang mit den Aussagen der Evangelien selbst den
Zeitpunkt der Auferstehung Christi als den "eigentlichen" Ostertermin meint.
5.2.1. Wie wichtig die exakte Bestimmung des Ostertermins in der Frühzeit des
Christentums genommen wurde, zeigt deutlich ein Brief des Bischofs Dionysius von
Alexandrien aus dem 3. Jh., der auf dem 6. Ökumenischen Konzil, dem sog. Trullanum,
sogar zum Bestandteil des kanonischen Rechts erklärt wurde (und als solcher auch ins
Georgische übersetzt wurde). Dabei ist der Auferstehungszeitpunkt nicht etwa aus sich
selbst heraus thematisiert, sondern vielmehr als Zeitpunkt des Abschlusses der vorösterlichen Fastenzeit. Dionysius führt aus
71:
᾽Επέστειλάς μοι, πιστότατε καὶ
λογιώτατε υἱέ μου, πυνϑανόμενος καϑ' ἣν ὥραν ἀκονηστίζεσϑαι δεῖ τῇ τοῦ πάσχα περιλύσει. τινὰς μὲν γὰρ τῶν ἀδελϕῶν λέγειν ϕῄς, ὅτι χρὴ τοῦτο
ποιεῖν πρὸς τὴν ἀλεκτοροϕωνίαν· τινὰς δὲ, ὅτι ἀϕ' ἑσπέρας χρή. οἱ μὲν γὰρ ἐν ῾Ρώμη
ἀδελϕοί, ὥς ϕασι, περιμένουσι
τὸν ἀλέκτορα· περὶ δὲ τῶν
ἐνταῦϑα ἔλεγες ὅτι τάχιον.
ἀκριβῆ δὲ ὅρον ἐπιτιϑέναι
ζητεῖς, καὶ ὥραν πάνυ μεμετρημένην· ὅπερ καὶ δύσκολον
καὶ σϕαλερόν ἐστι. τὸ μὲν γὰρ
ὅτι μετὰ τὸν τῆς ἀναστάσεως
τοῦ κυρίου ἡμῶν καιρὸν χρὴ
τῆς ἑορτῆς καὶ τῆς εὐϕροσύνης
ἐνάρχεσϑαι, μέχρις ἐκείνου τάς
ψυχὰς ταῖς νηστείαις ταπεινοῦντας, ὑπὸ πάντων ὁμοίως
ὁμολογηϑήσεται. κατεσκεύασας
δὲ δι' ὧν ἔγραψάς μοι πάνυ
ὑγιῶς καὶ τῶν ϑείων εὐαγγελίων ᾐσϑημένως, ὅτι μηδὲν
ἀπηκριβωμένον ἐν αὐτοῖς περὶ
τῆς ὥρας καϑ' ἣν ἀνέστη ϕαίνεται. διαϕόρως μὲν γὰρ οἱ
εὐαγγελισταὶ τοὺς ἐπὶ τὸ μνημεῖον ἐλϑόντας ἀνέγραψαν
κατὰ καιροὺς ἐνηλλαγμένους,
καὶ πάντες ἀνεστηκότα ἤδη
τὸν κύριον ἔϕασαν εὑρηκέναι·
καὶ ὀψὲ σαββάτων, ὡς ὁ Ματϑαῖος εἶπε· καὶ πρωίας ἔτι
σκοτίας οὔσης, ὡς ὁ ᾽Ιωάννης
γράϕει· καὶ ὄρϑρου βαϑέος ὡς
ὁ Λουκᾶς· καὶ λίαν πρωὶ ἀνατείλαντος τοῦ ἡλίου, ὡς ὁ
Μάρκος. καὶ πότε μὲν ἀνέστη,
σαϕῶς οὐδεὶς ἀπεϕήνατο· ὅτι
δὲ ὀψὲ σαββάτων τῇ ἐπιϕωσκούσῃ μιᾷ σαββάτων μεχρις
ἀνατολῆς ἡλίου τῆς μιᾶς σαββάτων οἱ ἐπὶ τὸ μνημεῖον παραγενόμενοι οὐκέτι κείμενον
αὐτὸν ἐν αὐτῷ κατέλαβον, τοῦτο ἀνωμολόγηται ... ὁ βαϑὺς
ὄρϑρος ἴσως προυποϕαινομένην αὐγὴν ἑωϑινὴν ἐμϕανίζει
τῆς μιᾶς τῶν σαββάτων ... Τούτων οὕτως ἐχόντων, τοῦτο τοῖς
ἀκριβολογουμένοις ἀποϕαινόμεϑα κατὰ ποίαν ὥραν, ἢ καὶ
ποῖον ἡμιώριον, ἢ ὥρας τέταρτον, ἄρχεσϑαι προσῆκε τῆς ἐπὶ
τῇ τοῦ κυρίου ἡμῶν ἐκ νεκρῶν
ἀναστάσει χαρᾶς· τοὺς μὲν
λίαν ἐπιταχύναντας καὶ πρὸ
νυκτὸς ἐγγὺς ἤδη μεσούσης ἀνιέντας ὡς ὀλιγώρους καὶ ἀκρατεῖς μεμϕόμεϑα, παρ' ὀλίγον
προκαταλύοντας τὸν δρόμον
.. τοὺς δὲ ἐϕυστερίζοντας καὶ
διαρκοῦντας ἐπὶ πλεῖστον καὶ
μέχρι τετάρτης ϕυλακῆς ἐγκατεροῦντας, καϑ' ἣν καὶ τοῖς
πλέουσιν ὁ σωτὴρ ἡμῶν περιπατῶν ἐπὶ τῆς ϑαλάσσης ἐπεϕάνη, ὡς γενναίους καὶ ϕιλοπόνους ἀποδεξόμεϑα. τοῖς δὲ
μεταξὺ ὡς ἐκινήϑησαν ἢ ὡς
ἠδυνήϑησαν ἀναπαυσαμένοις
μὴ πάνυ διοχλῶμεν ...
| mosc̣ere čemda, uproysad sarc̣munoo da q̇ovlad siṭq̇wero švilo čemo,
da iḳitxe, tu romelsa žamsa ǯer-ars
ganqsnay marxvisay dġesasc̣aulsa
aġvsebisasa, rametu vietme ʒmata
tkumulad getkua, vitarmed katmisa
qmobasa ǯer-ars amisi kmnay, xolo
vietdame — moc̣evnasa mc̣uxrisasa,
rametu hroms uḳue šina mq̇opni
ʒmani hgebeno katmisa qmobasa.
xolo akatatws iṭq̇ode, vitarmed adre
hq̇open amas, da uctomelisa sazġvrisa dadebasa eʒieb da žamisa
q̇ovlad ganzomilisasa, romeli ʒnelca
ars da sactomelca, rametu vitarmed
šemdgomad žamsa uplisa čuenisa
aġdgomisasa ǯer-ars dac̣q̇ebay
dġesasc̣aulobisay da sixarulisay,
vidre munamde marxvita damdablebulta sultagan ertṗirad aġiarebis
q̇ovelta mier. xolo gamoc̣ulilvit
dagemṭḳica, romeltatws mogec̣/era
čemda priad uctomelobit da c̣midata
saxarebata mecnierebit, vitarmed
araray icnobebis mat šina zedamic̣evnit žamisatws, romelsa šina
aġdga upali, rametu tws-twsad
aġc̣ernes maxarebelta sxuasa da
sxuasa žamsa kmnilni saplavad mislvani menelsacxebletani da q̇oveltagan aġdgomilisa ṗovnay tkues uplisay: "mc̣uxri šabattasaca", vitarca
mate tkua, da "gantiad, vidre
bnelġa iq̇o", vitarca ioane dasc̣ers,
da "cisḳars mstuad" — vitarca luḳa,
da "da niad gantiad aġmoslvasa
tana mzisasa", vitarca marḳoz
iṭq̇ws. da tu odes aġdga, cxadad
aravin c̣armoačina. da rametu
mc̣uxritgan šabattayt, romeli gantendeboda ertšabattad vidre aġmoslvadmde mzisa ertisa šabattaysa
saplavad mic̣evnulta mat arġara
mdebared ṗoves igi mas šina, ese
aġsarebul ars da arca orqmaobasa
... mstuay cisḳari nuuḳue gantenebisa c̣inays aġmonatebulsa mas sacisḳrosa haersa cxad hq̇ops ertisa
šabattaysasa. ... amatsa esret q̇opasa šina amas gamovačinebt gamrc̣ulilvit meṭq̇uelebisa mier, tu romelsa žamsa anu romelsa ḳerʒosa
žamisasa, garnatu meotxesa žamsa
ǯer-ars dac̣q̇ebay sixarulsa uplisa
čuenisa mḳudretit aġdgomisasa. da
priad mstuad damc̣q̇ebelta*** uḳue
da uc̣inares ġamisa daaxlebisa
nac̣ilta šina dġisa ganzogebisata,
vitarca sulmoḳleta da daumč̣irvelta
braleul vhq̇opt mcired c̣inac̣ar cnobit daqsnisatws sarbielsa marxvisasa ... xolo uproys motmineta da
momč̣irneta da vidre meotxed saqumilavadmde ġamisa ganḳrʒalulta,
romelsa žamsa navit mavalta moc̣apeta zġuasa zeda slvit gamoučnda
macxovari čueni, vitarca mqneta da
šromismoq̇uareta ševic̣q̇narebt. xolo
sašuval amatsa, vitarca aġʒrul
ikmnes, anu vitarca šemʒlebel ikmnes egret gansuenebulta da nugešiniscemulta ara priad braleul vhq̇opt
...
| "Du hast mir einen Brief geschrieben,
mein äußerst gläubiger und kluger
Sohn, und gefragt, zu welcher Stunde
man das Fasten vor dem Osterfest
beenden solle. Du sagst, einige der
Brüder seien der Meinung, man solle
dies mit dem ersten Hahnenschrei,
andere jedoch, man solle es (bereits)
am Abend (vorher) tun. Die Brüder in
Rom nämlich warten, wie sie sagen,
bis zum Hahnenschrei; über die Leute
bei Dir hast Du berichtet, daß sie
früher (aufhören). Du bittest mich nun,
eine genaue Abgrenzung vorzunehmen
und eine exakt festgelegte Stunde (zu
bestimmen), was jedoch schwierig und
riskant ist. Denn daß nach der Auferstehung unseres Herrn der Zeitpunkt
ist, an dem das Fest und die Freude
beginnen sollen, bis zu diesem
Zeitpunkt jedoch `die Seelen sich mit
Fasten demütigen', wird von allen in
gleicher Weise bekannt. In Deinem
Brief an mich aber hast Du ganz einwandfrei und mit tiefer Einsicht in die
göttlichen Evangelien herausgestellt,
daß in ihnen keine präzise Auskunft
über die Stunde seiner Auferstehung
enthalten ist. Denn die Evangelisten
haben unterschiedlich beschrieben, wie
jene (Leute) zu verschiedenen Zeitpunkten zum Grabe kamen; alle aber
berichten, sie hätten den Herrn als
bereits Auferstandenen vorgefunden —
`spät am Sabbat', wie Matthäus sagt,
und `früh am Morgen noch während
der Dunkelheit', wie Johannes
schreibt; `beim ersten Morgengrauen', wie Lukas, und `sehr früh
am Morgen, als die Sonne gerade
aufgegangen war', wie Markus berichtet. Wann er jedoch auferstanden ist,
hat keiner genau bestimmt. Es wird
aber übereinstimmend bekannt, daß
jene, die spät am Sabbat, als der
erste Tag der Woche anbrach, bis
zum Sonnenaufgang am ersten Tag
der Woche zum Grabmal kamen, ihn
nicht mehr dort liegen fanden. .. Das
erste Morgengrauen bedeutet
vielleicht den Schimmer der
Morgenröte, der zuerst sichtbar wird,
am ersten Tag der Woche. .. Da die
Dinge sich so verhalten, bestimmen wir
folgendes für die, die genau wissen
wollen, zu welcher Stunde — oder
welcher Halb- oder gar Viertelstunde —
man mit dem Jubel über die Auferstehung unseres Herrn von den Toten
beginnen soll: Jene, die es sehr eilig
haben und bereits vor der nahen Mitternacht ausgelassen werden, tadeln wir
als Nachlässige und Unbeherrschte,
weil sie kurz vor (dem Ziel) ihren Lauf
abbrechen ... Jene, die später aufhören
und bis zuletzt warten und sogar bis
zur vierten Nachtwache ausharren, zu
der unser Erlöser den bootfahrenden
(Jüngern) auf dem Meer wandelnd
erschien, die wollen wir als Treffliche
und Tüchtige betrachten. — Jene aber,
die in der Zeit dazwischen das Fasten
beenden -je nachdem, wie sie dazu
bewegt oder imstande sind -, wollen
wir nicht allzusehr beunruhigen ..." |
5.2.2. Betrachten wir nun die angeführten Stellen aus den vier Evangelien in ihrer
georg. Version, so stellen wir fest, daß als Wiedergabe des griech. ἐπιϕωσκούσῃ in Mt.
28,1 gerade das Verb erscheint, das als Entsprechung von megr.
tanapa zu gelten hat,
nämlich
ganteneba- (in der Form der 3.Sg. Impf.
ganteneboda "er dämmerte heran").
Im Markus- und im Johannesevangelium finden wir für griech. πρωΐ das Adverb
gantiad, das sich über einen Wurzelansatz
t-, wie ihn A.
Čikobava vorschlug,
ebenfalls mit
tanapa verbinden läßt
72. Auch die Angabe im Lukasevangelium, das von
"früh zur Morgenröte" spricht
73, steht der hier vorgeschlagenen Motivierung von megr.
tanapa "Tagesanbruch" = "Ostern" wohl nicht entgegen. Die betr. Stellen lauten im
Überblick:
Mt. 28,1
᾽Οψὲ δὲ σαββάτων, τῇ
ἐπιϕωσϰούσῃ εἰς μίαν
σαββάτων, ἦλϑεν
Μαρία ἡ Μαγδαληνὴ
ϰαὶ ἡ ἄλλη Μαρία
ϑεωρῆσαι τὸν τάϕον.
ϰαὶ ...
Georg. "Protovulgata":
| Jo. 20,1
Τῇ δὲ μιᾷ τῶν σαββάτων Μαρία ἡ Μαγδαληνὴ ἔρχεται πρωὶ
σϰοτίας ἔτι οὔσης εἰς
τὸ μνημεῖον, ϰαὶ βλέπει
τὸν λίϑον ἠρμένον ἐϰ
τοῦ μνημείου. τρέχει ...
| Lk. 24,1
τῇ δὲ μιᾷ τῶν σαββάτων ὄρϑρου βαϑέως ἐπὶ
τὸ μνῆμα ἦλϑον ϕέρουσαι ἃ ἡτοίμασαν ἀρώματα. εὗρον δὲ ...
| Mk. 16,1-2
Καὶ διαγενομένου τοῦ
σαββάτου Μαρία ἡ
Μαγδαληνὴ ϰαὶ Μαρία
ἡ ᾽Ιαϰώβου ϰαὶ Σαλώμη ἠγόρασαν ἀρώματα
ἵνα ἐλϑοῦσαι ἀλείψωσιν αὐτόν. ϰαὶ λίαν
πρωὶ τῇ μιᾷ τῶν σαββάτων ἔρχονται ἐπὶ τὸ
μνημεῖον ἀνατείλαντος
τοῦ ἡλίου. ϰαὶ ... |
mc̣uxri šabatsa, romeli
ganteneboda ertšabatad,
movida mariam magdaleneli da sxuay igi mariam xilvad saplavisa mis.
da ..
Grazer Lektionar:
| ertsa mas šabatsa mariam magdaleneli movida
gantiad, vidre bnel-ġa
iq̇o, saplavsa mas da
ixila ..
| xolo ertsa mas šabatsa,
cisḳarsa mstuad movides
saplavsa mas da moakunda ray-igi moemzada
sulnelebi da sxuani vinme mat tana. da ṗoves ..
| da vitarca gardaqda šabati igi, mariam magdanelman da mariam iaḳobisman da salome iq̇ides
nelsacxebeli, rayta mividen da hcxon mas, da
niad gantiadsa mas
ertšabatisasa movides
saplavsa mas zeda
merme aġmoslvasa oden
mzisasa da .. |
(lac.)
| [er]tsa ma[s ša]battasa
mariam magdaneli movida gantiad, vidre bnel-ġa (x)iqo, saplavsa mas
da ixila lodi igi aġebuli
ḳarisa misgan saplavisa;
| xolo ertsa mas šabata(s)a
cisḳarsa mstuad movides
sap(l)avsa mas, da mo(x)akunda ray-igi moxemzada sulnelebi, da sxuani vinme mat tana. da ..
| [16,2:]
da niad gantiadsa mas
ertšabatisasa movides
saplavsa mas zeda
merme aġmoslvasa oden
mzisasa. da.. |
5.2.3. Daß die "frühe Morgenstunde" als Auferstehungstermin einen festen Platz auch
in der volkstümlichen Überlieferung der österlichen Begebenheiten einnahm, zeigt z.B.
eine Stelle aus dem georg. Originaltext "Das Martyrium des hl. Evsṭati von Mcxeta"
(ca. 7. Jh.), das eine kurze Zusammenfassung der neutestamentlichen Geschichte
enthält
74:
da mesamesa dġesa mstuad cisḳarsa oden angelozi gardamoqda zecit da gardaagorva lodi
igi mis saplavisagan. da krisṭē aġdga da gamovida mier samarit, da ečuena orta moc̣apeta
da mariams magdanelsa da sxuata dedata75. — "Und am dritten Tage, früh zur Morgenröte
kam ein Engel vom Himmel herab und rollte den Stein vom Grabe weg. Und Christus erstand
auf und ging fort aus der Gruft, und er erschien den zwei Jüngern und der Maria Magdalena
und den anderen Frauen."
5.2.4. Im gleichen Sinne sind ferner gewisse Bräuche zu beurteilen, die sich z.B. bei
den Svanen bis ins letzte Jahrhundert gehalten haben, und die E.
Gabliani referiert:
aġdgoma dġes gatenebamde "baṗebi" eḳlesiaši midiodnen. .. šemdeg šediodnen eḳlesiaši da
šeudgeboden cisḳars. cisḳris šemdeg erti "baṗi" dadgeboda eḳlesiis ḳarebtan da iṭq̇oda
maġali xmit: "krisṭe aġsdga, gixarodet .."76. "Am Ostertage kamen die svan. Priester vor dem
Heranbrechen (des Tages) zur Kirche. .. Dann gingen sie in die Kirche hinein und `traten'
der Morgenröte entgegen. Nach (dem Erscheinen) der Morgenröte stellte sich ein Priester
an der Pforte der Kirche auf und sprach mit lauter Stimme: `Christ ist auferstanden, freuet
euch ..'"77.
Nicht zuletzt ist so wohl auch die georg. Redewendung
aġdgoma gautenda zu deuten
78, die wörtlich übersetzt "(Jemandem) ist Ostern angebrochen" bedeutet, als bildliche
Ausdrucksweise für "jemandem ist ein Freudentag angebrochen".
6.
Die hier vorgetragene Interpretation des megr.
tanapa in der Bedeutung "Ostern"
gestattet abschließend auch einen Ausblick auf unseren eigenen, germanischen Namen
für den christlichen Hauptfeiertag. Im deutschen etymologischen Wörterbuch von
Kluge-Mitzka wird das Wort "Ostern" wie folgt abgehandelt:
"Ostern .. wird zu aind. usrā́ `Morgenröte' gestellt .. Man meinte, Aurōra sei den Germanen
wenigstens teilweise aus der Tageslichtgöttin zur Lichtgöttin des Frühlings geworden. Ihr
westsächs. Name *Eastre sei durch Eostrae bei Beda .. gesichert. Aber eine solche germ.
Göttin ist nicht erwiesen, und die Bedeutung `Frühling' gibt es im (!) keiner idg. Sprache.
Ostern ist gallo-fränk. Prägung zu *austrō `Morgenrot' .. nach lat. albae (paschales),
alba `Morgenrot', von da aus ags. frühahd. (obd.) Auferstehungsliturgie am Morgen.
J. Knobloch in: Die Sprache 1959, 27. .."79.
6.1. Der hier referierte Ansatz von J.
Knobloch verdient es, etwas genauer gefaßt zu
werden. Der Autor argumentiert wie folgt: Das lateinische
albae (paschales) sei
ursprünglich ebenso wie die
hebdomada in albis, die "Woche in den weißen (Taufgewändern)", die Bezeichnung der gesamten Osterwoche gewesen. Als solche sei der
Begriff zunächst "in den romanisch sprechenden Teilen des Frankenreiches" zu
albae
verkürzt, dann auch als Name des Osterfestes selbst verwendet worden. Als dieser
wiederum sei er irrtümlich auf
alba "Tagesanbruch, Morgenröte" bezogen worden,
bevor er die Grundlage für die
Lehnübersetzung ahd.
ōstarūn, ae.
ēastrōn gebildet
habe.
6.2. Im Lichte des megr.
tanapa, das sich ohne weiteres als eine
onomasiologische
Parallele zu ahd.
ōstarūn auffassen läßt, wird
Knoblochs Annahme einer volkssprachlichen Umdeutung des lat.
albae, die er ja allein aus der "Lehnübersetzung"
ōstarūn zurückgeschlossen hatte, nunmehr überflüssig. Der frühmorgendliche Auferstehungszeitpunkt und die entsprechenden Osterbräuche innerhalb des germanischen
Sprachgebiets, auf die
Knobloch selbst als Stütze seiner Argumentation hinweist,
können auch für das ahd.
ōstarūn bzw. ae.
ēastrōn eine
unmittelbare Benennungsgrundlage darstellen. Dadurch, daß das Megrelische als der Lieferant der Parallele
natürlich dem Bereich der Ostkirche zuzurechnen ist
80, erhebt sich sogar erneut
81 die
Frage, ob der Name "Ostern" nicht doch ebenso wie der des "Pfingstfests" von Südosten aus aufgekommen sein könnte.