Remigius Geiser, Salzburg (Österreich/Austria)
Grundkurs in klassischem Zimbrisch:
Anhang:
diverse Texte
Course in Standard Cimbrian:
Supplementum: Miscellaneous Texts
Süüse gaséghe von pèrghen,
vrischar aatom von bèllarn, hòotare tiifekhot me hümmale, liichtar glisamo vomme grüün und vomme plaaben. |
Dolce profilo di monti,
fresco respiro di boschi, chiara profondità di cielo, luminose trasparenze di verde e di azzurro. | |
Nööte zo vorliiran-sich
in anlòanekhot hörtan gavàsset met sainan hia, in stille òften dorkhloopet von ruufen. Vèrre vomme stoobe dar valtzen dingar, vèrre vomme gatèkkalach dar dingar von nichtsame. |
Bisogno di perdersi
in solitudini colme di assidue presenze, in silenzi percorsi da ripetuti richiami. Lontano dalla polvere delle cose false, lontano dal frastuono delle cose da niente. | |
Und khèmman drau zo vènnan-sich mèeront baar,
mèeront lèntikh, mèeront nagane von sich sèlbort und von andarn. Hòrran-sich òonikh met allame und met allen, sobìa s gazìttarach, rénghe und stèrch, in-s galeebach dar bèlte. Galüst zo ziigan vüar naach disame trétta-bègale dar steeln, hörtan höögor, zon dèmme liichten glisamen vomme grüün und vomme plaaben ane riivan. |
E scoprire di trovarsi più veri,
più vivi, più vicini a noi stessi e agli altri. Sentirsi uniti a tutto e a tutti, come vibrazioni fragili e forti nella vita dell'universo. Voglia di andare avanti lungo questo sentiero di sassi, sempre più in su, verso quelle luminose trasparenze di verde e di azzurro senza fine. | |
gakhèart in zimbrisch vomme Remìgio Geiser | Sergio Bonato Kuns |
Baise pluuma-lööplen von haüsarn
bostràüpelt aus vor grüüne laiten ba möbarnt-sich abe in-s taal. |
Petali bianchi di case
sparsi su verdi pendii che muoiono giù nella valle. | |
Umme naach me stönnarn turm
ba luughet ane möbarn-sich und laütet obarndràu me dorgheenan dar taaghe. |
Attorno alla torre di pietra
che guarda immobile e scampana sull'andare dei giorni. | |
Zorrüüt von gadénkhen
gahàüfet züntarst me hèertze rastanten nia. |
Intrico di ricordi
che si addensano nel fondo del cuore mai quieto. | |
Ungapaitane schüttel me galeebach,
ba gavàlla-me nèt stérban galàsset naach in mìtten dar ööde. |
Sussulti improvvisi di vita
che non si rassegna a morire tra desolati abbandoni. | |
Khlòas léntle gadrùkhet iidar
gastrènzart und schiar tòat von lüstatar naidekhot. |
Piccolo paese assediato
nella morsa mortale di engordi egoismi. | |
Robaan, Roàna,
schaatom vorlóart, schiar ane naamen, ba bill nòch sainan haüsar, khindar, liidar, sbitze, gadìnghe, khèere, pluuma-lööplen amme langhese in diise grüün laiten ba gheent abar vomme Spitze dar Biisen und möbarnt-sich abe in-s Ass-taal, naach disame süüsen ròone dar sunnen. |
Robaan, Roana
ombra perduta, quasi senza nome, che vuole ancora essere case, bambini, canzoni, sudori, speranze, ritorni, petali di primavera su questi verdi pendii che scendono dallo Spitz della Bisa e muoiono nella valle dell'Assa, lungo questa dolce riviera di sole. | |
gakhèart in zimbrisch vomme Remìgio Geiser | Sergio Bonato Kuns |
In de sélbe èerda
sprósselnt schööne pluumen, draidar-hanne, vòll gasmékh un bool gavèrbet: Lass-se baksan mettanàndar, lass-se plüünan, lass-se smékhan, lass-se steenan na-me beeghe. Hakh-se nèt, se saint vomm alten stamme, stool-se nèt, se mögant-dar dorflàppan, lass-se steenan in de sélbe èerda ... lass-se raifan un de saamen beent dehiin. |
In der selben Erde
sprossen schöne Blumen, dreierlei, voll Duft und wohlgefärbt: Laß sie wachsen miteinander, laß sie blühen, laß sie duften, laß sie stehen entlang dem Wege. Schneid sie nicht, sie sind vom alten Stamme, stiehl sie nicht, sie können dir verwelken, laß sie stehen in der selben Erde ... laß sie reifen und die Samen wehen fort. | |
Hugo F. Resch | schriftdeutsche Übersetzung von Remigius Geiser |
Kommentar
Dieses Gedicht hat der unvergessene Hugo Resch als Herausgeber dem gleichnamigen Gedichtband vorangestellt, der melancholische Liebesgedichte des zimbrischen Poeten Edoardo Bertizzolo enthält. Da meines Wissens noch nie eine schriftdeutsche Version dieses Gedichtes publiziert wurde, habe ich das hiermit nachgeholt.
Die Frage nach der Autorenschaft des Gedichtes wirft einige Probleme auf. Hugo Resch hat das Gedicht mit "HUGO F. RESCH" unterschrieben. Es kann also sehr gut sein, daß es sich um die zimbrische Originalversion handelt, die von ihm selbst so gedichtet wurde. Die zimbrische Sprachkompetenz dazu hatte er auf jeden Fall.
Andererseits jedoch stammt die zimbrische Fassung aller übrigen Gedichte dieses Bandes von Bèrto Martalar. Es könnte also ebenso sein, daß dieser auch das Gedicht "In de sélbe èerda" (aus dem Schriftdeutschen von Hugo Resch) ins Zimbrische übertragen hat. Immerhin wird der Bèrto Martalar auf dem Frontispiz als verantwortlicher Autor der zimbrischen Fassung von "In de sélbe èarda" genannt.
Weiterhin ist es möglich, daß das Gedicht, wie alle übrigen auch, von Edoardo Bertizzolo stammt und von Hugo Resch ins Zimbrische übertragen und daher in dieser Fassung mit "HUGO F. RESCH" unterschrieben wurde.
Zur Interpretation:
Es liegt nahe, die dreierlei schönen Blumen als die drei zimbrischen Dialekte aufzufassen: Sieben Gemeinden, Dreizehn Gemeinden, und Lusern.
Man würde aber vermutlich beim Hugo Resch zu kurz greifen, wenn man ihm nur diese vordergründige Sichtweise unterstellte. In dem Brief an Edoardo Bertizzolo, den er gleichsam als Vorrede den Gedichten vorangestellt hat, erklärt er, daß er unter dem Begriff "in der selben Erde" den "alpinen Raum zwischen Donau und Adria" meint.
Demnach wären also mit den "dreierlei schönen Blumen" die drei Sprachen Italienisch, Deutsch und Zimbrisch-Bairisch gemeint. Als bairischer Patriot, der er war, könnte er damit die vermittelnde Rolle des zimbrisch-bairischen Kulturraumes in der Kontaktzone zwischen Romania und Germania ("entlang dem Wege") im Auge gehabt haben.