BRIEFE AN DIE SZ | Samstag, 24. Februar 2001 |
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Vom lettischen Sumpf zum Main
Orts- und Gewässernamen: Es gab nie einen Arno in Arnstadt / SZ vom 16. Januar
Die Vorfahren der Basken hätten die Ortsnamen in ganz Europa geprägt, berichtet Elisabeth Hamel. Zu Recht betont der in dem Artikel zitierte Münchner Linguistik-Professor Theo Vennemann die große Bedeutung der Gewässer- und Ortsnamen für die Frage nach den alten Siedlungsverhältnissen in Europa. Seine Kritik an dem Tübinger Indogermanisten Hans Krahe und dessen alteuropäischer Hydronymie krankt allerdings in einem entscheidenden Punkt: Parallelen für deutsche Gewässernamen finden sich kaum im Süden und im Südwesten Europas (auch nicht bei den Basken), sondern im östlichen Mitteleuropa.
Vor allem in den von slawischen und baltischen Völkern bewohnten Gebieten verbergen sich die entscheidenden Hinweise. Nur ein Beispiel: Der Main hat zwar auch einen Verwandten im Miño in Spanien, aber mehr als ein Dutzend Vettern in Polen, Litauen, Weißrussland und in anderen Staaten, in Mien, Mienia, Minia, Minina, Mianka samt Minsk. Auch das entscheidende Wort zur Deutung der Namen liefert der Osten: Es ist lettisch maina und bedeutet Sumpf.
Die Zweifel am indogermanischen Charakter der europäischen Gewässernamengebung, die Vennemann vorgebracht hat, überzeugen in keiner Weise. Die Vergleiche aus dem Baskischen oder Vaskonischen können allenfalls für den Raum um die Pyrenäen herangezogen werden: Kein einziger Name in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Benelux-Ländern, in Böhmen, Mähren, der Slowakei, in Polen, dem Baltikum, der Ukraine und Weißrussland um nur von dem zentralen und östlichen Mitteleuropa zu sprechen, kann mit einiger Sicherheit diesem angeblichen Substrat zugeordnet werden. Im Gegenteil: Es hat sich in letzter Zeit immer mehr gezeigt, dass das Germanische auch in seinem Namenbestand auf eine kontinuierliche Entwicklung aus einem indogermanischen Dialektbereich hinweist.
Der Weg, den Vennemann mit der Annahme eines vaskonischen oder baskischen Substrats beschritt, ist methodisch nicht von dem einer Überbetonung des Keltischen oder Illyrischen entfernt. Vennemann sollte sich den viel gescholtenen Hans Krahe zum Vorbild nehmen: Dieser hatte nach Erkennen der überspannten Illyrierthese sozusagen die Notbremse gezogen und begriffen, dass ein falscher Weg eingeschlagen worden war. Es ist an der Zeit, dass dieses auch im Fall der baskischen oder vaskonischen Theorie geschieht. Zur näheren Begründung sei auf einen jüngst erschienenen Beitrag hingewiesen: Gewässernamen Deutschlands, in: Namenkundliche Informationen, Band 77/78, Leipzig 2000, Seite 41 bis 52.
Prof. Dr. Jürgen Udolph, Leipzig
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