FAZ Nr. 34, Mittwoch 10.2.1999
Mit der Baltistik geht es in Deutschland zu Ende
In seinem Artikel "Warte nur, Balte Die Wissenschaft entdeckt dich wieder, nicht nur in Eichstätt" hat Martin Peters aus Anlaß des von Alfred Bammesberger (Eichstätt) 1998 herausgegebenen Bandes: "Baltistik: Aufgaben und Methoden" informativ über die Gegenstände und die Situation des Universitätsfachs Baltistik in Deutschland und Europa berichtet (F.A.Z., "Neue Sachbücher" vom 28. Januar). Er sieht die Disziplin im Zeichen wiedererlangter Unabhängigkeit der baltischen Länder in einem "neuen Aufschwung". Leider trifft diese Feststellung für Deutschland infolge Sparens an falscher Stelle nur noch bedingt zu und ist in den angeführten Details zum Teil nicht mehr aktuell.
Peters erwähnt an den Universitäten Greifswald, München und- Münster angebotene Studiengänge für Baltistik sowie entsprechende eigene Einrichtungen (Institute) in Greifswald und Münster. Meines Wissens hat das Fach in Münster nach der Emeritierung seines dortigen Sachwalters aus der Slavistik mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. In München liegen die Dinge neuerdings noch schlimmer. Hier war es mir in den frühen achtziger Jahren unter manchen Widrigkeiten (zum Beispiel das Scheitern von Verhandlungen mit einem Vertreter der damals zuständigen sowjetischen Botschaft in Bonn zwecks Gewinnung eines Lektors aus Litauen gemäß der bayerischen Lektorenordnung) gelungen, einen vollwertigen und vergleichsweise auch gut von Ausländern in Anspruch genommenen Studiengang "Baltologie" mit bescheidenen Mitteln (eine BAT-IIa-Stelle, umgewandelt aus dem vorhandenen Lektorat) im Rahmen des Instituts für Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft einzurichten. Gestützt auf einen baltistisch qualifizierten, aus der BAT-Stelle dotierten Mitarbeiter, konnten wir ihn dann zusätzlich anbieten.
Aber vor anderthalb Jahren ist das Fach an der Münchner Universität wieder abgeschafft worden. Anlaß dazu bot die Berufung des erwähnten, mittlerweile für Baltistik habilitierten Mitarbeiters auf den freigewordenen Lehrstuhl des Fachs an der Universität Greifswald. Anstatt nun dies und weitere Umstände als Zeichen erfolgreicher Entwicklung der Baltistik in München zu nehmen, zog die Spitze der Universitätsverwaltung flugs die bisherige BAT- Stelle des nach Greifswald berufenen Mitarbeiters ein. Folgerichtig unterband sie zugleich - trotz aller triftigen Gegenargumente auch von offizieller litauischer Regierungsseite - die Fortführung des wenig aufwendigen Fachs. Studienanfänger für Baltologie werden seither nicht mehr zugelassen.
Wenn infolge solcher Wissenschaftspflege in München und womöglich in Münster Baltistik- Studiengänge nicht mehr bestehen, dürfte hinfort mittelfristig in Greifswald die Professur für Baltistik ihrerseits nicht mehr - wie üblich - mit einem andernorts im deutschen Sprachgebiet ausgebildeten Kandidaten zu besetzen sein.. Damit könnte dem Fach - früher eine Domäne nicht zuletzt der deutschen Wissenschaft - in absehbarer Zeit das Ende jedenfalls in Deutschland drohen. Derlei ist auch - wenngleich weniger bekannte - deutsche Universitätswirklichkeit von heute.
Professor Dr. Klaus Strunk München