Die Welt, 19.9.1997

Prof. Dr. Bernfried Schlerath, Berlin


Geschadet


Zu: "Wie `modern' ist die neue Rechtschreibung?"; WELT vom 9. September 2000


Als Sprachwissenschaftler empfindet man tiefe Scham, daß Kollegen es gewagt haben, ein in den Grundtendenzen so verfehltes und mit peinlichen Fehlern behaftetes Machwerk zu präsentieren. Sie haben damit dem ganzen Fach geschadet. Der Plan einer solchen "Reform" hätte eine breite und grundsätzliche Diskussion unter den Fachleuten erfordert. Eine solche hat aber nicht stattgefunden, und damit wurde gegen eine selbstverständliche Erfordernis wissenschaftlicher Arbeit verstoßen. Wahrscheinlich wäre das Ergebnis einer solchen Diskussion die Erkenntnis gewesen, daß eine grundsätzliche Reform weder möglich noch erforderlich ist. Auf dieser Ebene ist man genauso vorgegangen wie auf der politischen, wo die Kultusminister den Überraschungscoup vorgezogen haben und die offene Auseinandersetzung umgehen wollten.

Ein Gesichtspunkt ist bei den Äußerungen zur Rechtschreibreform, soweit ich sehe, bisher noch gar nicht zur Geltung gekommen: Für Ausländer, die sich der deutschen Sprache lesend oder schreibend bedienen, sind auch schon kleine Änderungen eine bedeutende Erschwerung und können zu Mißverständnissen führen. Wenn uns daran gelegen ist, daß die deutsche Sprache international nicht noch weiter an Boden verliert, sollten wir alles daransetzen, daß diese laienhafte "Reform" im Papierkorb landet.



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