Prof. Dr. Bernfried Schlerath, Berlin
Zu: "Wie `modern' ist die neue Rechtschreibung?"; WELT vom 9. September 2000
Als Sprachwissenschaftler empfindet man tiefe Scham, daß Kollegen es gewagt
haben, ein in den Grundtendenzen so verfehltes und mit peinlichen Fehlern behaftetes
Machwerk zu präsentieren. Sie haben damit dem ganzen Fach geschadet. Der Plan einer
solchen "Reform" hätte eine breite und grundsätzliche Diskussion unter den Fachleuten
erfordert. Eine solche hat aber nicht stattgefunden, und damit wurde gegen eine
selbstverständliche Erfordernis wissenschaftlicher Arbeit verstoßen. Wahrscheinlich
wäre das Ergebnis einer solchen Diskussion die Erkenntnis gewesen, daß eine grundsätzliche
Reform weder möglich noch erforderlich ist. Auf dieser Ebene ist man genauso vorgegangen
wie auf der politischen, wo die Kultusminister den Überraschungscoup vorgezogen
haben und die offene Auseinandersetzung umgehen wollten.
Ein Gesichtspunkt ist bei den Äußerungen zur Rechtschreibreform, soweit
ich sehe, bisher noch gar nicht zur Geltung gekommen: Für Ausländer, die sich der
deutschen Sprache lesend oder schreibend bedienen, sind auch schon kleine Änderungen
eine bedeutende Erschwerung und können zu Mißverständnissen führen. Wenn uns daran
gelegen ist, daß die deutsche Sprache international nicht noch weiter an Boden verliert,
sollten wir alles daransetzen, daß diese laienhafte "Reform" im Papierkorb landet.