Regensburg (mli). Zum Ende des Wintersemesters 2001 soll der Magisterstudiengang
Sprachwissenschaft in ein Studium der Medienwissenschaften umgewidmet werden. Rund
200 Studenten sehen sich nun mit einem ungewissen Ende ihres Studiums konfrontiert.
Obwohl der Studiengang der Allgemeinen Sprachwissenschaft seit Jahren steigende
Studentenzahlen und mit 28,6 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Zahl an ausländischen
Studenten aufweist, soll er durch das "zeitgemäßere" Studium der Medienwissenschaften
ersetzt werden. So entschied zumindest der Fachbereichsrat der Fakultät Vier bei
seiner Sitzung am 18. Oktober. Die endgültige Entscheidung über die Zukunft des
Studienganges liegt aber in den Händen des Senats, dessen Entscheidung in den nächsten
zwei Monaten ansteht.
Eine überzeugende Begründung für die Umwidmung des Magisterstudiengangs
scheint es bisher nicht zu geben. "Wir wollen mal was anderes, was gerade modern
ist", lautet die Erklärung, die zwei Studentinnen auf Anfrage erhielten. Erst zum
Sommersemester 2000 hatte der Studiengang durch die Einführung der Neurolinguistik
einen neuen Schwerpunkt erhalten. In ganz Bayern existiert mit dieser Schwerpunktbesetzung
kein vergleichbares Studium. Aus diesem Grund ist es für die Studierenden auch nicht
möglich, in eine andere Universität zu wechseln. Neurolinguistik wird zwar neben
Regensburg auch in Bielefeld und Potsdam angeboten, Quereinsteiger werden hier jedoch
nicht angenommen.
Darüber, wie das neue Studium der Medienwissenschaften aussehen soll, ist
bis jetzt noch nichts bekannt. "Wir können nicht verstehen, warum man ein Fach durch
ein anderes ersetzt, das noch nicht einmal ein Konzept vorlegen kann", ärgern sich
die Studentinnen. Kein Verständnis haben die beiden auch für Rektur Helmut Altner,
der sie trotz eines vorher vereinbarten Termins nicht empfangen wollte.
Auch Professor Herbert Brekle, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Sprachwissenschaft,
erhielt über die Konzeption des geplanten Studiums "keine zufriedenstellenden Auskünfte".
In seinen Augen wird durch die Umwidmung "ein Fach in seiner Blüte getötet".
Die Regensburger Universität würde sich durch die Einführung des Medienstudiums
in die Reihe von 26 anderen Hochschulen in Deutschland einreihen, die eine solche
Ausbildungsmöglichkeit bereits anbieten. Nach Ansicht des Professors könne sich
ein Land wie Bayern den vollkommenen Verzicht auf ein Studienfach, das sich mit
der Entwicklung von Sprache beschäftigt, nicht leisten. Bis vor kurzem konnte er
noch damit rechnen, daß das Fach, das er bereits seit 31 Jahren unterrichtet, weitergeführt
wird. Seine Pensionierung Ende 2001 löste die Diskussion über eine Veränderung des
Lehrstuhls aus. Daß man etwas "zeitgemäßeres" an die Stelle der Sprachwissenschaften
setzen möchte, ist für ihn nicht nachzuvollziehen, da sich die Allgemeine Sprachwissenschaft
vor allem durch ihr wissenschaftliches und innovatives Potential und ihre Nähe zur
Berufspraxis auszeichnet. "Ich erhalte regelmäßig Anfragen von Kliniken, ob bei
mir nicht Studenten fertig werden. Vor allem im Bereich der Sprachtherapie besteht
schon seit längerer Zeit große Nachfrage", so Brekle.
Der Bedarf an klinischen Linguisten wird sich laut Angaben von Krankenhäusern
und Rehabilitationszentren in Zukunft weiter erhöhen. Die Absolventen sind aber
nicht auf eine Tätigkeit in der Klinik beschränkt. Linguisten können unter anderem
auch in PR-Abteilungen, Verlagen oder in Presse- oder Forschungsbereichen arbeiten.
Sollte der Senat im Dezember nicht in seinem Sinne entscheiden, brauchen
die Studenten laut Professor Brekle nicht um ihren Abschluß zu fürchten: "Es wird
sich mit Sicherheit eine Übergangslösung finden". Die personelle Veränderung wird
für die Studenten aber natürlich einen großen Einschnitt bedeuten. Er selbst wird
sie auch nach dem Wintersemester 2001 weiterhin betreuen.
Von Harald Raab, MZ
Regensburg. Gut ein Drittel der 15000 Studierenden der Regensburger
Universität wird in der späteren beruflichen Praxis informations- und medienwissenschaftliche
Qualifikationen benötigen, gestützt durch eine entsprechende Praxis-Ausbildung.
In Wissenschaft, Lehre und Praktika sich auf diese Situation einzustellen,
its Hintergrund der größten Umorientierung, die zurzeit im Bereich der Geisteswissenschaften
an der Regensburger Universität im Gang ist.
Das große Ziel ist die Schaffung eines Instituts für Medien, Information
und Kultur. Die zusätzlichen Studienangebote erweitern die Möglichkeiten der modularisierten
Studiengänge um Medien- und Informationskompetenz, ohne die selbst ein Lehrer heute
nicht mehr sinnvoll im Schulunterricht eingesetzt werden kann.
Es sind vor allem jüngere Professoren wie der Romanist Jochen Mecke, der
Germanist Georg Braungart, der Amerikanist Udo Hebel, der Informationswissenschaftler
Rainer Hammwöhner und andere, die über Fachgrenzen hinaus planen. Kulturwissenschaften
in all ihren Zweigen zu vernetzen ist das Ziel. Es geht um ein flexibles Lehrangebot
für junge Menschen, die später einmal ebenso vielseitig im Beruf agieren müssen.
Der Ansatz dabei ist in der deutschen Universitätslandschaft ziemlich neu:
kulturwissenschaftlich Ausgebildete sollen in der Anwendung von Medien und Informatik
so qualifiziert sein, dass die Inhaltskompetenz und -priorität bei Arbeitsprozessen
erhalten bleibt und nicht von technisch-organisatorischer Seite dominiert wird.
Der Informationswissenschaftler Hammwöhner: "Es ist wichtig, dass Geisteswissenschaftler
auch in Informatik gut ausgebildet sind, um ihre Inhalte qualifiziert transportieren
zu können. An anderen Universitäten geht man den umgekehrten Weg, Informatiker auch
mit geisteswissenschaftlicher Materie vertraut zu machen. Ich glaube, dass unser
Ansatz für die Sache der bessere ist. Medieninformatik vermittelt eine breite Kompetenz
im Beruf."
"Wir betreiben hier kein privates Hobby und auch nicht Fachegoismus", weist
Prof. Mecke Vorbehalte derer zurück, die am liebsten alte Strukturen perpetuieren
wollen.
Der Amerikanist Hebel: "Ohne medienwissenschaftliche Elemente geht in den
Kulturwissenschaften heute gar nichts mehr. Wir haben diesbezüglich einen großen
Nachholbedarf, wenn wir die jungen Leute auf ihre späteren beruflichen Einsatzsähigkeiten
vorbereiten wollen. Ob in Germanistik oder Jura, ob in Wirtschaft oder Romanistik,
Amerikanistik, Anglistik, Medienkompetenz gehört unbedingt dazu."
Der Germanist Braungart warnt davor, diesen Zug zu verpassen: Sowohl im
Bereich der Lehrenden als auch in dem der Studierenden gingen der Universität Regensburg
gute Leute verloren, wenn hier Medienwissenschaften nicht angeboten werden. Schon
jetzt gibt es 40 Veranstaltungen mit medienwissenschaftlichem Bezug in der Philosophischen
Fakultät IV - Sprach- und Literaturwissenschaften.
Prof. Mecke: "In Verbindung mit der Modularisierung der Ausbildung können
wir es uns leisten, auch mehr Praxis-Elemente einzuführen, ohne dass darunter die
wissenschaftlich-theoretische Ausbildung leiden muss. Beides gehört unabdingbar
zusammen."
"Es geht um eine inhaltliche Neuorientierung mit Ausstrahlung auf die ganze
Universität", urteilt Prof. Hebel. "Wenn wir das versäumen, droht später einmal
in den Kulturwissenschaften Provizialität. Jetzt haben wir die Chance, das zu verhindern."
Die Neubestimmung des Profils der gesamten Fakultät wird sicher von der
Universitätsleitung mit Interesse und Wohlwollen beobachtet. Das Problem dabei ist
freilich, dass Profilbildung von Bayerns Universitäten zwar mit Nachdruck gefordert
wird, sie aber den Staat nichts kosten soll. Die einzige Lösung ist: vorhandene
Kapazitäten umzuschichten. Im Klartext: Es konnte ohne Umwidmung freier Lehrstühle
in der Fakultät nicht gehen. Zur Vollendung des Institutsprojekts setzt man auf
die Einwerbung zusätzlicher Kapazitäten. Eine Möglichkeit wäre, eine Stiftungsprofessur
einzurichten.
Das Konzept für das Institut für Medien, Information und Kultur ist aus
Machbarkeitsüberlegungen deshalb auch als Stufenprogramm vorgesehen. Am Ende soll
es fünf Lehrstühle geben. Der für Informationswissenschaften mit Prof. Dr. Rainer
Hammwöhner besetzt. Das Berufungsverfahren für den Lehrstuhl für vergleichende Kulturwissenschaften
läuft bereits. Als Kernfach und Novum innerhalb der Fakultät ist ein Lehrstuhl für
Medienwissenschaften vorgesehen. Nach Fakultätsbeschluss soll dafür der Lehrstuhl
für Allgemeine Sprachwissenschaften umgewidmet werden. Der derzeitige Lehrstuhlinhaber
geht im nächsten Jahr in den Ruhestand. Die Chancen stehen gut, dass der Senat der
Universität dieser Umwidmung zustimmt und im Jahr 2002 der medienwissenschaftliche
Lehrstuhl seine Arbeit aufnehmen kann.
Um die Forschungs- und Lehrpalette abzurunden, sind dann noch ein Lehrstuhl
für Medieninformatik als Bindeglied zwischen Medienwissenschaft und Informationswissenschaft
und ein Lehrstuhl für Medienästhetik geplant.
Die Initiatoren des Konzepts argumentieren weiter: Aufgrund des beschleunigten
Wandels der Medienentwicklung biete ein derartiges Institut eine ganze Reihe neuer
Forschungsgebiete, auf denen wesentliche Innovationen zu erwarten seien. Außerdem
sei bereits jetzt das Interesse der Studierenden an medienbezogenen Lehrveranstaltungen
groß. Das Fach Informationswissenschaften allein hat in diesem Wintersemester 120
Anfänger zu verzeichnen.