Thesaurus Indogermanischer Text- und Sprachmaterialien
TITUS DIDACTICA
Indogermanische Völker und Sprachen / Indo-European Peoples and Languages

Altgermanische Textbeispiele / Old Germanic Sample Texts

Segen / Blessings

Bamberger Blutsegen

Crist unte Iudas spíliten mit spîeza. do wart der heiligo Xrist uund in sine sîton. do nâmer den dvmen. unte uor dûhta se uorna. So uer stant du bluod. só se Iordanis áha uerstunt. doder heiligo Iohannes den heilanden Crist iníro tovfta. daz dir zobvza.
Crist uuart hi erden uunt. daz uuart da ze himele chunt.
izne blŏtete. noch ne suuar. noch nechein eiter ne bar.
taz was ein file gŏte stunte. heil sis tû uunte.
In nomine Ihesu Xristi. daz dir zebvze. Pater noster. ter. Et addens hoc item ter. Ich besuere dich bi den heiligen fûf uunten. heil sis tu uunde. et per patrem. et filium. et spiritum sanctum. fiat. fiat. Amen.


"Christus und Judas wetteiferten mit Spießen. Da wurde der heilige Christ wund an seiner Seite. Da nahm er den Daumen und verpreßte sie vorne. So blieb das Blut stehen, (eben) so (wie) des Jordans Ache stehenblieb, als der heilige Johannes den Heiland Christus in ihr taufte. Das dir zur Buße:
Christ ward hie (zur) Erden wund. Das ward da im Himmel kund.
Es blutete nicht, noch schwärte es, noch trug es irgendwelchen Eiter.
Das war eine sehr gute Stunde! Heil seiest (auch) du, Wunde.
Im Namen Jesu Christi. Daß dir zur Buße. Vater unser, dreimal. Und das folgende füge ebenfalls dreimal hinzu: Ich beschwöre dich bei den heiligen fünf Wunden, heil seist du, Wunde. Und durch den Vater und den Sohn und den heiligen Geist sei es, sei es! Amen."



Pariser Blutsegen

Ad fluxum sanguinis narium.
Xpict unde Iohan giengon zuo der Iordan.
do sprach xpict: `stant, Iordan, biz ih unde Iohan uber dih gegan.'
also Iordan do stuont, so stant du .N. illivs bluot.
hoc dicatur ter et singulis uicibus fiat nodvs in crine hominis.
"Gegen das Nasenbluten.
Christus und Johannes gingen zum Jordan.
Da sprach Christus: Stehe, Jordan, bis Johannes und ich über dich gegangen sind.
So wie der Jordan da stehen blieb, so stehe (auch) du, jenes N. Blut.
So spreche man dreimal, und bei jedem einzelnen Mal mache man einen Knoten im Haupthaar des (betreffenden) Menschen.



Glossen


Kasseler Glossen (12,24-13,13,11):

Indica mih sagemir sage mir
Quomodo uueo wie
Nomen habet namun habet Namen hat
Homo iste deser man dieser Mann?
Unde es tu uuanna pistdu Wannen bist du?
Quis es tu uuerpistdu Wer bist du?
Unde uenis uuanna quimis Wannen kommst (du)?
De quale patria fona uueliheru lantskeffi Von welcher Landschaft
Pergite sindos kommst du / kommt ihr?
Transiui foor (ich) fuhr
Transierunt forun (sie) fuhren
Transiunt farant (sie) fahren
Uenistis quamut (ihr) kamt
Uenimus quamum (wir) kamen
Ubi fuistis uuaruuarut Wo wart (ihr)?
Quid quisistis uuazsohtut Was suchtet (ihr)?
Quesiuimus sohtum (Wir) suchten (etwas),
Quod nobis daz uns das uns
Necesse fuit durft uuas bedurft war.
Quid fuit uuaz uuarun Was war/en
Necessitas durfti die Bedürfnis/se?
Multum manago Viel
Necessitas est durftist Bedürfnis ist (gibt es),
Nobis uns (bei) uns,
Tua dina deine
Gratia huldi Huld
Habere zahapenne zu haben.
.. .. ..
Sic potest so mac So mag
Fieri uuesan (es) sein.
Sapiens homo spaher man (Ein) weiser Mann.
Stultus toler (Ein) toller.
Stulti sunt tolesint Toll sind
Romani uualha (die) Welschen,
Sapienti sunt spahesint weise sind
Paioari peigira (die) Bayern.
Modica est luzic ist Lausig ist
Sapienti[a] spahe (die) Weisheit
In romana inuualhum bei (den) Welschen;
Plus habent merahapent mehr haben (sie)
Stultitia tolaheiti Tollheit
Quam sapientia dennespahi denn Weisheit.



Althochdeutsche Dichtung / Old High German Poetry



Otfrid von Weißenburg

LUDOVVICO ORIENTALIUM REGNORUM REGI SIT SALUS AETERNA.
L údowig ther snéllo, thes wísduames fóllo,  
  er óstarrichi ríhtit ál, so Fránkono kúning sca L;
U bar Fránkono lant so gengit éllu sin giwalt,  
  thaz ríhtit, so ih thir zéllu, thiu sin giwált ell U.
T hémo si íamer héili joh sálida giméini,  
  druhtin hóhemo thaz gúat joh frewemo émmizen thaz múa T;
H óhemo gimúato io allo zíti guato,  
  er állo stunta fréwe sih! thes thígge io mánnogili H!
Ó ba ih thaz irwéllu theih sinaz lób zellu,  
  zi thíu due stúnta mino, theih scribe dáti sin O:
Ú bar mino máhti so íst al thaz gidráhti;  
  hóh sint, so ih thir zéllu, thiu sinu thíng ell U,
U uanta er ist édil Franko, wísero githánko,  
  wísera rédinu; thaz dúit er al mit ébin U.
I n sínes selbes brústi ist hérza filu fésti,  
  mánagfalto gúati; bi thiu ist sínen er gimúat I.
C léinero githánko so íst ther selbo Fránko,  
  so íst ther selbo édilinc; ther héizit avur Lúdowi C.
O fto in nóti er was in wár, thaz biwánkota er sár  
  mit gótes scirmu scíoro joh hárto filu zíor O.
Ó ba iz ward iowánne in not zi féhtanne,  
  so was er ío thero rédino mit gótes kreftin óbor O.
R iat gót imo ofto in nótin, in suaren árabeitin;  
  gigiang er in zála wergin thár: druhtin hálf imo sá R
I n nótlichen wérkon, thes scal er góte thankon;  
  thes thánke ouh sin githígini joh únsu smahu nídir I!
E r uns ginádon sinen ríat, thaz súlichan kúning uns gihíalt;  
  then spár er nu zi líbe uns állen io zi líab E!

Ludwig der `Schnelle', der der Weisheit volle,
er herrscht über das ganze Ostreich, wie es ein Frankenkönig solL;
Ueber die Franken Lande alle hin geht seine Gewalt,
über alles das herrscht, wie ich dir `erzähle', seine Gewalt.
Ihm sei `Jammer', Heil und auch allgemeines Glück,
dem Herrn, dem hohen, das Gut und immerdar dem freien der MuT
Hohen Muts und allerzeit guten (Muts)
erfreue er sich alle Stunde! Darum bitte ein jedermann!
Wenn ich das will, daß ich sein Lob erzähle,
meine `Stunde' dazu verwende, daß ich seine Taten aufschreibe,
so geht dieses Trachten über meine Macht;
(zu) hoch sind, wie ich dir `erzähle', alle seine `Dinge' ...



Althochdeutsche Übersetzungsliteratur / Old High German Translated Texts


Isidor von Sevilla, De fide catholica, Kap. I, 5:

(ISIDORI HISPALENSIS EPISCOPI DE FIDE CATHOLICA
EX VETERI ET NOVO TESTAMENTO CONTRA IUDAEOS
AD FLORENTINAM SOROREM)

11. Hec est causa natiuitatis christi, quem iudęi etsi patiantur natum scandalizantur tamen crucifixum et mortuum. Non intellegentes quia sicut propter redemptionem mundi illum dicit nasci ita et pati oportuit. Cuius passionem et mortem in suo loco scripturarum testimoniis adprobabimus. Nunc uero sequamur debitum ordinem, et cuius demonstrata est post gloriam deitatis humana natiuitas, demonstretur et genus et patria: Dhiz ist dhiu sahha christes chiburdi, dhen iudeoliudi, dhoh sie inan chiboranan chilauben, lastront inan dhoh dhiu huuedheru in cruci chislaganan endi dodan. Ni sindun firstandande dhazs so selp so ir dhurah uueraldi aloosnin uuardh chiboran chisaghet, so sama auh uuard chiquhedan dhazs ir bi mittingardes nara chirista chimartirot uuerdhan. Dhes martyrunga endi dodh uuir findemes mit urchundin dhes heilegin chiscribes, dhanne uuir in andreidim dhurahfaremes dhazs hear aer dhiu zi sagenne ist. Nu auur folghemes dhera bigunnenun redha. Endi dhes selben christes, dhes uuir iu sinera manniscnissa chiburt after dhera gotnissa guotliihhin chichundidom, chichundemes auh nu dhes ędhili endi odhil.
"Dies ist der Grund für die Geburt Christi, den die Juden, auch wenn sie zugeben, daß er geboren ist, doch als gekreuzigten und gestorbenen verhöhnen, (indem) sie nicht einsehen, daß er ebenso, wie es heißt, daß er wegen der Erlösung der Welt geboren werde, auch leiden müsse. Sein Leiden und seinen Tod werden wir an `ihrem' Platze in den Zeugnissen der (hl.) Schriften nachweisen. Nun aber laßt uns die angemessene Reihenfolge einschlagen, und es sei von dem, dessen `menschliche' Geburt von Gnaden der Gottheit (bereits) aufgezeigt wurde, auch Herkunft und Heimat aufgezeigt." "Dies ist die (Ur)sache (für) die Geburt Christi, den die Judenleute, obwohl sie ihn geboren glauben, doch wider ihn lästern (als) ans Kreuz geschlagenen und toten. Sie sind nicht verständig (dessen), daß ebenso, wie gesagt wird, er werde wegen der Erlösung der Welt geboren, so auch gesagt wird, daß er wegen der Erlösung der Welt (als) Christus gemartert werde. Dessen Martyrium und Tod finden wir in den Urkunden der Heiligen Schrift, aus der wir in Reihenfolge durchgehen, was hier zuvor zu sagen ist. Nun aber folgen wir der begonnenen Ordnung. Und von demselben Christus, von dem wir euch die (`seine') `menschliche' Geburt durch die Güte der Gottheit gekündet haben, künden wir nun auch die (`seine') edle Abstammung und Heimat."




Althochdeutsche Mythologie / Old High German Mythology


Das Wessobrunner "Gebet"

Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista   Das erfragte ich bei den Menschen (als) der Wunder größtes,
dat ero ni uuas noh ûfhimil   daß die Erde nicht war noch der Himmel oben,
noh paum [noh stein] noh pereg ni uuas   noch [auch nur ein] Baum noch ein Berg war,
ni [suigli sterro] nohheinîg noh sunna ni scein   noch auch nur ein [heller Stern] noch die Sonne schien,
noh mâno ni liuhta noh der mâręo sêo.   noch der Mond leuchtete noch der glänzende See.
Dô dâr niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo   Als da nicht irgendetwas war (an) Enden und Wenden —
enti do uuas der eino almahtîco cot   und doch war da der eine, allmächtige Gott,
manno miltisto enti dar uuarun auh manake mit inan   der Männer mildester, und da waren auch eine Menge dabei
cootlîhhe geistâ enti cot heilac ...   gütige Geister, und der heilige Gott ...
Cot almahtico, du himil enti erda gauuorahtôs   Gott, allmächtiger, (der) du Himmel und Erde schufst
enti du mannun sô manac coot forgâpi   und (der) du den Menschen so viel Gutes gabst,
forgip mir in dîno ganâda rehta galaupa   gib mir in deiner Gnade rechten Glauben
enti côtan uuilleon uuîstôm enti spâhida enti craft   und guten Willen, Weisheit und `Durchblick' und Kraft,
tiuflon za uuidarstantanne enti arc za piuuîsanne   (um) dem Teufel zu widerstehen und das Arge abzuweisen
enti dînan uuilleon za gauurchanne.   und deinen Willen zu `wirken'.


Altnordische und altenglische Parallelen / Old Norse and Old English parallels
 
Vǫluspa 1-3

Hlióþs biþ ek allar helgar kindir,   Um Gehör bitte ich aller heiligen Geschlechter,
meiri ok minni mǫgo Heimdalar.   größerer und kleinerer Heimdallskinder:
uildo, at ek Ualfǫþrs uél fyr telia,   Du willst, daß ich, Walvater, wohl erzähle,
forn spiǫll fira þau er fremst um man.   alte Sagen der Menschen, deren ich mich zuerst erinnere.
 
Ek man iǫtna ár um borna,   Ich erinnere mich an Riesen, die, vor langer Zeit geboren,
þá er forþom mik fǽdda hǫfþo.   einstmals mich aufgezogen haben.
nío man ek heima, nío íuiþi,   Ich erinnere mich an neun Heime, neun Urhölzer,
miǫtuiþ mǽran fyr mold neþan.   den glänzenden Maßbaum, bis hinunter in den Grund.
 
Ár uar alda, þar er Ymir bygþi,   Es war die Urzeit, als Ymir hauste,
uara sandr né sǽr né sualar unnir.   es gab weder Sand noch See noch kühle Wellen.
iǫrþ fannz ǽua né upphiminn —   Nicht fand sich die Erde unten noch oben der Himmel.
gap uar ginnunga — en gras huergi,   Es war (nur) ein gähnender Schlund, kein Grashalm irgendwo.
 
Áþr Burs synir biǫþom um ypþo   Da haben Būris Söhne die Erde erhoben,
þeir er Miþgarþ mǽran skópo   die drei haben Mittgart, die glänzende, geschaffen,
sól skein sunan á salar steina:   die Sonne schien von Süden, auf des Bodens Steine,
þá uar grund gróin grǽnom lauki.   da wurde der Grund bewachsen mit grünem Lauch.

Grimnismál 40-41:

Ór Ymis holdi uar iǫrþ um skǫpuþ,   Aus Ymirs Fleisch wurde die Erde erschaffen,
enn ór sueita sǽr biǫrg ór beinom   und aus Blut und Schweiß die See, aus den Knochen der Berg;
baþmr ór hári en ór hausi himin;   aus dem Haar der Baum, und aus dem Schädel der Himmel.
en ór hans brám gørþo blíþ regin   Und aus seinen Brauen machten wohlmeinende Götter
Miþgart manna sonom, enn ór hans heila   Mittelgart für die Menschensöhne, und aus seinem Gehirn
uóro þau in harþmóþgo ský ǫll um skǫpuþ.   wurden die hartmütigen Wolken alle geschaffen.


Altenglischer Schöpfungsmythos: Caedmons Hymnus

Nordhumbrisch   Altwestsächsisch   Übersetzung
Nū scylun hergan hefæn-rīcæs uard,   Nū wē sculon herian heofon-rīces weard,   Nun sollen wir hören vom `Wart' des Himmelreichs,
metudæs mæcti end his mōd-gidanc,   metodes mihte, and his mōd-geþanc,   der Macht des Gottes, und seinem Ratschluß,
uerc uulduur-fadur, suē hē uundra gihuæs,   weorc wuldor-fæder, swā hē wundra gehwilc,   den Werken des himmlischen Vaters, wie er aller Wunder,
ēci dryctin, ōr āstelidæ.   ēce drihten, ord āstealde.   der ewige Herr, Anfang erstellte.
Hē ǣrist scōp ælda bardnum   Hē ǣrest gescōp ylda bearnum   Zuerst erschuf er den Erdenkindern
heben til hrōfe, hāleg sceppend;   heofon tō hrōfe, hālig scyppend,   den Himmel als Dach, heilig schaffend
thā middun-geard mon-cynnæs uuard,   middan-earde mann-cynnes weard,   (dann) Mittelerde des Menschengeschlechts Wart,
ēci dryctin æfter tīadæ
  ēce drihten, æfter tīde   der ewige Herr, nach einer Zeit
fīrum foldun, frēa allmectig.   fīrum on foldum, frēa ælmihtig.   den Menschen auf Erden, der allmächtige Herr.


Altenglische Genesis:

Gen. 110-121:
  Übersetzung:
  Vgl. 1.Mos. I,1-2:
Hēr ǣrest gesceōp ēce drihten,   Zuerst erschuf der ewige Herr,   in principio creavit Deus
helm eallwihta heofon ond eorðan,   der allmächtige Schützer Himmel und Erde,   caelum et terram
rodor ārǣrde ond þis rūme land   er errichtete das Firmament, und dieses weite Land   terra autem
gestaþelode strangum mihtum   gründete er mit (seinen) starken Mächten,    
frea ælmihtig. Folde wæs þā gȳta,   der allmächtige Herr. Da war noch kein Feld,   erat inanis et vacua
græs ungrēne; gārsecg þeahte   das Gras ungrün; das Meer bedeckte   et tenebrae super faciem abyssi
sweart synnihte sīde ond wīde,   schwarze, ewige Nacht weit und breit,  
wonne wę̄gas. Þā wæs wuldortorht   schwarze Wogen. Da war der herrliche    
heofonweardes gāst ofer holm boren   Geist des Himmelwarts über die Flut getragen,   et spiritus Dei ferebatur super aquas
miclum spēdum ...     mit großem Sputen ...       ...




Avestischer Schöpfungsmythos: Yasna 44,3-5

tat̰. ϑβā. pərəsā. ərəš.mōi. vaocā. ahurā:   Das frage ich Dich, sage mir ehrlich, o Mazda:
kasnā. ząϑā. patā. aṣ̌ahiiā. pouruiiō.   Wer ist durch seine Zeugung(skraft) der Vater der ersten Wahrheit?
kasnā. xvə̄ṇg. starə̄mcā. dāt̰. aduuānəm.   Wer hat der Sonne und der Sterne Weg eingerichtet?
kə̄. yā. må̄. uxṣ̌iieitī. nərəfsaitī. ϑβat̰.   Wer ist es, durch den der Mond zu- und wieder abnimmt?
tācīt̰. mazdā. vasəmī. aniiācā. vīduiiē.   Das, oh Mazda, und anderes wünsche ich zu wissen.
tat̰. ϑβā. pərəsā. ərəš.mōi. vaocā. ahurā:   Das frage ich Dich, sage mir ehrlich, o Mazda:
kasnā. dərətā. ząmcā. adə̄. nabå̄scā.   Wer hält die Erde unten und die Himmel (oben davor zurück),
auuapastōiš. kə̄. apō. uruuarå̄scā.   herunterzufallen? Wer die Wässer und Weiden?
kə̄. vātāi. duuąnmaibiiascā. yaogət̰. āsū.   Wer hat dem Wind und den Wolken die raschen (Rösser) vorgespannt?
kasnā. vaŋhə̄uš. mazdā. dąmiš. manaŋhō.   Wer ist des Guten Geistes Schöpfer, Mazda?
tat̰. ϑβā. pərəsā. ərəš.mōi. vaocā. ahurā:   Das frage ich Dich, sage mir ehrlich, o Mazda:
kə̄. huuāpå̄. raocå̄scā. dāt̰. təmå̄scā.   Wer hat kunstvoll Lichter und Dunkel(heiten) eingesetzt?
kə̄. huuāpå̄. xvafnəmcā. dāt̰. zaēmācā.   Wer hat kunstvoll Schlaf und Wachen eingesetzt?
kə̄. yā. uṣ̌å̄. arə̄m.piϑβā. xṣ̌apācā.
  Wer ist es, durch den Morgenröte, Mittag und Nacht (sind),
yå̄. manaoϑrīš. cazdōṇghuuaṇtəm. arəϑahiiā.   die die Mahner des Verantwortlichen an seine Aufgabe sind?


Vedischer Schöpfungsmythos: RV 10, 129, 1-3

nā́sad āsīn nó sád āsīt tadā́nīṃ Weder das Nichtseiende noch das Seiende war zu jener Zeit,
nā́sīd rájo nó vyòmā paró yát weder der Luftraum noch der Himmel über ihm;
kím ā́varīvaḥ kúha kásya śármann Was hat sich bewegt? Von wo? In wessen Schutz?
ámbhaḥ kím āsīd gáhanaṃ gabhīrám Gab es das Wasser, den tiefen Abgrund?
ná mṛtyúr āsīd amṛ́taṃ ná tárhi Nicht war der Tod noch auch die Unsterblichkeit,
ná rā́tṛyā áhna āsīt praketáḥ nicht gab es der Nacht oder des Tages Erscheinen;
ā́nīd avātáṃ svadháyā tád ékaṃ Nur die Windstille hauchte durch sich selbst
tásmād dhānyán ná paráḥ kíṃ canā́sa und außer dieser gab es nichts darüber hinaus.
táma āsīt támasā gūḷhám ágre Am Anfang war (nur) Finsternis, durch Finsternis verhüllt,
'praketáṃ saliláṃ sárvam ā idám unsichtbar alles Wogen darum herum.
tuchyénābhv ápihitaṃ yád ā́sīt Was durch die Leere zugedeckt war,
tápasas tánmahinā́jāyataíkam wurde durch die Kraft der Hitze allein geboren.



Epische Dichtung / Epic Poetry


Das Hildebrandslied


Ik gihôrta ðat seggen,   Ich hörte das sagen,
ðat sih urhêttun ænon moutîn   daß sich herausforderten zum Einzelkampf (?)
Hiltibrant enti Haðubrant untar heriun tuêm   Hildebrand und Hadubrand, unter zwei Heeren,
sunufatarungô iro saro rihtun   Sohn und Vater. Ihre Rüstungen richteten sie,
garutun sê iro gûðhamun gurtun sih iro suert ana,   bereiteten ihre Kampfgewänder vor, gürteten ihre Schwerter,
helidos obar hringâ, dô sie tô dero hiltiu ritun.   die Helden, über die Ringe, als sie zu dem Kampfe ritten.
Hiltibrant gimahalta, Heribrantes sunu, her uuas hêrôro man,   Hildebrand sagte, Heribrands Sohn, er war der Bekanntere,
ferahes frôtôro her fragên gistuont   der Erfahrenere im Leben, begann zu fragen
fôhêm uuortum, hwer sîn fater wâri   mit knappen Worten, wer sein Vater wäre
fireo in folche ...   von den Männern im Volke, ... "...
"... eddo hwelîhhes cnuosles dû sîs,   "... oder aus welcher Sippe du bist,
ibu dû mî ę̂nan sagês, ik mî dê ôdre uuêt,   wenn du mir einen sagst, weiß ich mir die anderen,
chind, in chunicrîche: chûd ist mir al irmindeot."   Kind: im Königreiche ist mir alles Volk bekannt."
Hadubrant gimahalta, Hiltibrantes sunu:   Hadubrant sagte, Hildebrands Sohn:
"dat sagêtun mî ûsere liuti,   "Das sagten mir unsere Leute,
alte anti frôte, dea êrhina wârun,   alte und erfahrene, die (schon) vor (mir) lebten,
dat Hiltibrant hætti mîn fater; ih heittu Hadubrant.   daß mein Vater Hildebrand heiße; ich hieße Hadubrand.
forn her ôstar giweit, flôh her Ôtachres nîd,   Vormals ging er ostwärts, er floh vor Odoakers Neid
hina miti Theotrîhhe enti sînero degano filu.   hin mit Theoderich und seiner Degen vielen.
her furlaet in lante luttila sitten,   Er ließ im Lande als kleines sitzen
prût in bûre, barn unwahsan,   im Hause der Braut das unerwachsene Kind,
arbeo laosa: her ræt ôstar hina...   ohne Erbe: (so) ritt er ostwärts hin ...


Altenglisches Textbeispiel: Beowulf 1-25

hwæt, wē gārdena in gēardagum,   Fürwahr, wir hörten in früheren Tagen
þēodcyninga þrym gefrūnon,   von Volkskönigen, Scharen von Fürsten,
hū ðā æþelingas ellen fremedon!   und aller Arten von tapferen Edelingen.
oft scyld scēfing sceaþena þrēatum,   Oft hat Scyld, der Scēfing, feindliche Übeltäter,
monegum mǣgþum meodosetla oftēah,   viele mächtige von Metsitz verjagt,
egsode eorl[as], syððan ǣrest wearð   die Mannen in Angst versetzt. Im Anfang wurde er
fēasceaft funden; hē þæs frōfre gebād,   hilflos aufgefunden. Er bat um Hilfe,
wēox under wolcnum weorðmyndum þāh,   wuchs auf unter den Wolken, gedieh an Ruhm,
oð þæt him ǣghwylc ymbsittendra   bis daß ihm ein jeder untertan war und
ofer hronrāde hȳran scolde,   an der Walfischstraße gehören sollte,
gomban gyldan; þæt wæs gōd cyning!   (und) Zins schulden. Das war ein guter König!
ðǣm eafera wæs æfter cenned   Ihm wurde ein Nachkömmling später geboren
geong in geardum, ðone God sende   ein Junge, auf seinem Wohnsitz, den Gott sandte,
folce tō frōfre; fyrenðearfe ongeat,   dem Volk zur Hilfe; den erbarmte das Elend
þē hīe ǣr drugon aldor(lē)ase   das hier zu ertragen hatten die Herrscherlosen
lange hwīle; him þæs Līffrea,   eine lange Weile; ihm hat der Lebensherr,
wuldres Wealdend woroldāre forgeaf,   der Herr der Glorie, Würde verliehen:
Bēowulf wæs brēme — blǣd wīde sprang —   Beowulfs berühmter Ruf breitete sich weithin aus,
Scyldes eafera Scedelandum in.   des Nachfahren von Scyld, in Skandinaviens Landen.
Swā sceal (geong g)uma gōde gewyrcean,   So soll ein junger Mann gut wirken,
fromum feohgiftum on fæder (bea)rme,   mit herrlichen Gaben auf des Vaters Schoß,
þæt hine on ylde eft gewunigen   damit später im Alter wieder zu ihm stehen
wilgesīþas, þonne wīg cume,   willigen Gefährten, wenn ein Krieg komme,
lēode gelǣsten; lofdǣdum sceal   (und ihm) Geleit leisten; durch Lobestaten soll
in mǣgþa gehwǣre man geþeon.   überall unter der Gefolgschaft ein Mann gedeihen.



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