TITUS
Ulrich von Eschenbach, Alexander
Part No. 4
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Chapter: 7  
Neptânabus täuscht Olimpiadis


Verse: 293        der gast lange bleip,
Verse: 294    
gemach und fröide im sorge vertreip.

Verse: 295    
der frouwen güete und ir tugent,
Verse: 296    
ir schœne, ir wunneclîche jugent

Verse: 297    
begunde in sêre twingen.
Verse: 298    
er jach im müeste gelingen

Verse: 299    
an der frouwen oder er wære tôt
Verse: 300    
ir minne in brâht in grôʒe nôt.

Verse: 301    
vrou Amor was niht laʒ.
Verse: 302    
sie twanc des hêrren herze daʒ

Verse: 303    
er umb ir minne sîn leben
Verse: 304    
williclîchen wolde geben,

Verse: 305    
mohteʒ anders niht gewesen.
Verse: 306    
in dûhte er solde niht genesen,

Verse: 307    
im wær ouch daʒ leben unmære,
Verse: 308    
ob er ir minne enbære.

Verse: 309    
in brâht die minne dar zuo
Verse: 310    
daʒ er spâte unde fruo

Verse: 311    
der clâren niht moht vergeʒʒen.
Verse: 312    
alsô hete in beseʒʒen

Verse: 313    
mit ir süeʒen minne
Verse: 314    
die edle küniginne.

Verse: 315    
frou Minne ist doch wunderlich
Verse: 316    
daʒ sie niht versinnet sich

Verse: 317    
sie enkunne werden man
Verse: 318    
mit irm gewalt bringen dar an,

Verse: 319    
daʒ er sinne verphligt
Verse: 320    
unde gar sich bewigt

Verse: 321    
êren guotes unde lîbes
Verse: 322    
durch minne fremdes wîbes.

Verse: 323       
Waʒ sol ich von sprechen ?
Verse: 324    
mir ist ouch selben ê

Verse: 325    
liep unde leide
Verse: 326    
die zwei beide

Verse: 327    
von der minne worden kunt.
Verse: 328    
sie het mich alsô sêre verwunt

Verse: 329    
und gevangen ûf den lîp,
Verse: 330    
wan daʒ mich ein sælic wîp

Verse: 331    
mit minneclîchem trôste
Verse: 332    
von senender nôt erlôste.

Verse: 333    
die eine hât an mir getân
Verse: 334    
daʒ alle frouwen müeʒen hân

Verse: 335    
mîn dienst mîn lop vil bereit.
Verse: 336    
mir ist ir aller swære leit.

Verse: 337    
wer niht enweiʒ waʒ minne ,
Verse: 338    
der ist grôʒer sorgen frî.

Verse: 339    
minne kan gewalten
Verse: 340    
an jungen und an alten,

Verse: 341    
ir kan nieman wider gesîn,
Verse: 342    
künec oder künegîn.

Verse: 343    
wen sie gesliuʒet in ir bant,
Verse: 344    
grôʒer swære sie den gemant.

Verse: 345    
wîp oder man,
Verse: 346    
wem Amor gesiget an,

Verse: 347    
der darf niht sorgen mêre,
Verse: 348    
swen sie mit minnen gêre

Verse: 349    
in sîn herze schiuʒet
Verse: 350    
und mit gewalt besliuʒet.

Verse: 351       
Alsô het sie disem man,
Verse: 352    
den ich ê genennet hân,

Verse: 353    
sîn herze mit kraft durchgangen
Verse: 354    
und in ir bant bevangen,

Verse: 355    
daʒ er niuwan trahte
Verse: 356    
wie er daʒ geahte,

Verse: 357    
daʒ er sîn dinc an vienge
Verse: 358    
daʒ sîn wille an ir ergienge.

Verse: 359    
beide naht unde tac
Verse: 360    
niht wan gedanke er phlac,

Verse: 361    
waʒ im dar zuo tohte
Verse: 362    
unde wie er mohte

Verse: 363    
die frouwen an gekêren,
Verse: 364    
daʒ ergienge nâch êren.

Verse: 365    
'ist daʒ daʒ ich sie bite,
Verse: 366    
hât sie alsô kiusche site

Verse: 367    
ir ist ouch liep ir man,
Verse: 368    
daʒ sie ims niht verswîgen kan,

Verse: 369    
bin ich der verlorne
Verse: 370    
schier von sîme zorne.

Verse: 371    
Er hât mir êren vil erboten:
Verse: 372    
des dank ich im und ouch den goten,

Verse: 373    
die ze helfe mir des gedâhten
Verse: 374    
daʒ sie mich her brâhten.

Verse: 375    
zwâr mir wære geschehen wol,
Verse: 376    
wan daʒ ich grôʒen kumber dol

Verse: 377    
durch diz minniclîche wîp,
Verse: 378    
die quelet mînen lîp.

Verse: 379    
ôwê mir vröudelôser man,
Verse: 380    
wie sol ich daʒ gevâhen an

Verse: 381    
daʒ mir engestlîchen stât
Verse: 382    
und michʒ ir minne doch niht erlât ?

Verse: 383    
ich enweiʒ waʒ ich armer tuo,
Verse: 384    
ichn bite der gote helfe dar zuo.

Verse: 385    
ei Kâûn, mîn werder got,
Verse: 386    
du maht mir wol helfen von der nôt.

Verse: 387    
Apollo unde Tervigant
Verse: 388    
die sîn ouch dar umbe gemant.

Verse: 389    
mich sol der heilege Mahmet
Verse: 390    
wol erhœren an mîme gebet.

Verse: 391    
waʒ werder gote ,
Verse: 392    
der helfe muoʒ mir wesen .

Verse: 393    
Vênus die gotinne
Verse: 394    
die kêre gegen mir ir sinne

Verse: 395    
und füege daʒ an ir ergê
Verse: 396    
mîn wille, wie dar nâch gestê.'

Verse: 397       
moht er lenger niht gesparn,
Verse: 398    
an der guoten er wolt ervarn

Verse: 399    
ob er erwerben kunde
Verse: 400    
daʒ er genâde an ir funde.

Verse: 401    
het sich gefüeget daʒ alsô
Verse: 402    
daz der alte von Macedô

Verse: 403    
nâch sîner gewonheit
Verse: 404    
sîn lant beschowende reit.

Verse: 405    
dem ie valsches gebrast
Verse: 406    
der frowen dem gesinde bevalh den gast.

Verse: 407    
sîn wirdikeit im daz riet.
Verse: 408    
mit fröiden er von der frouwen schiet,

Verse: 409    
gegen sînen vînden kêrter .
Verse: 410    
sîner ûʒvart wart der trûrege frô.

Verse: 411    
sîn swære begunde ringen.
Verse: 412    
er hofte im solde gelingen.

Verse: 413    
er tet als er wol kunde:
Verse: 414    
schrîben er begunde

Verse: 415    
einen brief gap er ir in die hant.
Verse: 416    
dar an sie geschriben vant

Verse: 417    
als im was ze muote.
Verse: 418    
die reine die guote

Verse: 419    
den brief an gesach,
Verse: 420    
die schrift ir dirre worte verjach.

Verse: 421       
'Frouwe mîn, ich bite dich
Verse: 422    
durch dîne zuht erhœre mich.

Verse: 423    
ich tuo dir kunt mit senender klage
Verse: 424    
den kummer, den ich alle tage

Verse: 425    
hân nâch dîner minne.
Verse: 426    
süeʒe küniginne,

Verse: 427    
du wîplîcheʒ wîp,
Verse: 428    
trœste mînen senenden lîp.

Verse: 429    
dîn schœne an mir hât gesiget.
Verse: 430    
mîn herze verkastet liget

Verse: 431    
nâch dir in ganzen sorgen.
Verse: 432    
geruoche mir fröude borgen

Verse: 433    
und mir trûren swinden.
Verse: 434    
wilt du, mac ich vinden

Verse: 435    
hôhen muot, den ich habe verlorn.
Verse: 436    
für lachen ich siufzen habe erkorn.

Verse: 437    
des tôdes kan ich mich niht erwern,
Verse: 438    
mich welle dîn wîplich güete nern.

Verse: 439    
sît ich dich, frouwe, alrêst an sach,
Verse: 440    
hân ich grôʒ ungemach

Verse: 441    
von dîner schœne gedolt.
Verse: 442    
süeʒeʒ wîp, bis mir holt.

Verse: 443    
erzeige an mir den guoten site,
Verse: 444    
des man giht der volge mite

Verse: 445    
tugenthaften wîben.
Verse: 446    
mich frô belîben.

Verse: 447    
du maht mir fügen beide
Verse: 448    
liep unde leide,

Verse: 449    
du maht mich bringen in den tôt:
Verse: 450    
wilt du, du hilfest mir ûʒ nôt,

Verse: 451    
in dînen gnâden bin ich.
Verse: 452    
ô werder lîp, trœste mich.

Verse: 453    
ich wil dir immer sîn bereit
Verse: 454    
dienstes unde stætikeit:

Verse: 455    
des gib ich dir mîn triuwe.
Verse: 456    
unwendic ist mîn riuwe,

Verse: 457    
wilt du, frouwe, aleine.
Verse: 458    
du bist die ich meine

Verse: 459    
in mîme herzen immer.
Verse: 460    
von dir kom ich nimmer.

Verse: 461    
ich wil alhie ersterben
Verse: 462    
oder ich muoʒ erwerben

Verse: 463    
dîner süeʒen minne lôn,
Verse: 464    
enlâʒ ich niht von.

Verse: 465    
frouwe, mîner sælden hort,
Verse: 466    
ich bite dich daʒ du mîne wort

Verse: 467    
rehte wellest verstên,
Verse: 468    
du lâʒ sie in dîn herze gên.

Verse: 469    
dîn güete an mir erblüen.
Verse: 470    
reine fruht, dich sol niht müen

Verse: 471    
daʒ ich vil wider dich
Verse: 472    
gereden tar: gewere mich.

Verse: 473    
dich dunket der rede lîhte ze vil,
Verse: 474    
du hâst, frouwe, waʒ ich wil

Verse: 475    
und treist des mîn herze gert:
Verse: 476    
würd ich des von dir gewert

Verse: 477    
bin ich tôdes frî genesen
Verse: 478    
und muoʒ in fröiden immer wesen.'

Verse: 479       
die künigîn gelas
Verse: 480    
als vor ir geschriben was,

Verse: 481    
ir kiusche herze sêre erschrac.
Verse: 482    
sie sprach 'nieman enmac

Verse: 483    
guoteʒ verdienen umb den man,
Verse: 484    
der ganze triuwe nie gewan.

Verse: 485    
waʒ man im ze êren tuot
Verse: 486    
daʒ wær gelâʒen alsô guot

Verse: 487    
niht anders ist sîn widergelt,
Verse: 488    
wan der ûf ein bœseʒ velt

Verse: 489    
guoten sâmen rêret,
Verse: 490    
daʒ im niht wider kêret

Verse: 491    
niuwan distel unde dorn.
Verse: 492    
ist zwâre gar verlorn

Verse: 493    
swaʒ dem bœsen guotes geschiht:
Verse: 494    
ern hât guotes lônes niht.

Verse: 495    
solt ein bœser guoteʒ nemen ?
Verse: 496    
wie mohte sîn herze des gezemen?

Verse: 497    
hât mîn vil werder man
Verse: 498    
disem ungetriuwen vil getân

Verse: 499    
liebes und erboten michel êre,
Verse: 500    
trahtet er sêre

Verse: 501    
wie er daʒ kunne erdenken
Verse: 502    
daʒ er in muge gekrenken,

Verse: 503    
den werden, den guoten,
Verse: 504    
den süeʒen wol gemuoten.

Verse: 505    
zwâr wie grâ man in siht,
Verse: 506    
er sol des engelten niht.

Verse: 507    
ich wil gen valsche den laʒʒen
Verse: 508    
nimmer dar umbe gehaʒʒen,

Verse: 509    
den tugentlîchen alten,
Verse: 510    
den reinen einvalten.

Verse: 511    
mich fröwet noch sîn alte tagent
Verse: 512    
dan eines jungen swache jugent.

Verse: 513    
sîn triuwe ist gegen mir stæte,
Verse: 514    
ê daʒ ich des iht tæte

Verse: 515    
daʒ wære wider sîn gebot,
Verse: 516    
ich wolt ê kiesen den tôt:

Verse: 517    
ob sîn halt niht enwære,
Verse: 518    
dannoch ich wol enpære

Verse: 519    
sus getâner dinge.
Verse: 520    
got gebe daʒ im gelinge,

Verse: 521    
dem vil trût gesellen mîn;
Verse: 522    
er sol des gar âne sorge sîn.'

Verse: 523       
Dar nâch saʒ die guote
Verse: 524    
in trûrigem muote,

Verse: 525    
waʒ sie tuon wolde.
Verse: 526    
ob sie solde

Verse: 527    
irn hêrren wiʒʒen lân ?
Verse: 528    
sie jach wære missetân ?

Verse: 529    
sie vorht daʒ er den lîp verlür,
Verse: 530    
von sie schand und schaden kür.

Verse: 531    
die clâre des niht enlieʒ,
Verse: 532    
einen boten sie hieʒ

Verse: 533    
nâch im gâhen in die stat,
Verse: 534    
der in vür sie komen bat.

Verse: 535    
der bote zuo im kam
Verse: 536    
und er sîne rede vernam,

Verse: 537    
der hêrre was der rede frô.
Verse: 538    
niht ensûmet er sich ,

Verse: 539    
er huop sich des endes dar.
Verse: 540    
er wânde daʒ gar

Verse: 541    
sîn dinc wære geschaffet:
Verse: 542    
nein, er was geaffet.

Verse: 543    
er vür die vrouwen gienc
Verse: 544    
zühticlich sie in enphienc.

Verse: 545    
wie sie im wære gehaʒ,
Verse: 546    
dar umbe sie doch niht vergaʒ

Verse: 547    
wîplîcher gebære.
Verse: 548    
uns sagt von ir diz mære,

Verse: 549    
sie hieʒ in zuo ir sitzen.
Verse: 550    
die süeʒe kunde mit witzen

Verse: 551    
und mit guoten sinnen
Verse: 552    
ir worte wol beginnen.

Verse: 553    
sie sprach 'sagt mir, hêrre guot,
Verse: 554    
nâment ir unwîsen muot,

Verse: 555    
daʒ ir des schaden werben wolt,
Verse: 556    
der iu ist von herzen holt?

Verse: 557    
mîn hêrre und ouch mîn werder man
Verse: 558    
hât iu êren vil getân:

Verse: 559    
sol er des engelten,
Verse: 560    
daʒ ist doch vil selten

Verse: 561    
von getriuwem man geschehen.
Verse: 562    
ich hân alsô hœren jehen,

Verse: 563    
daʒ man guot mit guote lônen sol.
Verse: 564    
daʒ zimt getriuwen herzen wol.

Verse: 565    
ir solt michs, hêrre, erlâʒen,
Verse: 566    
solicher rede gegen mir mâʒen,

Verse: 567    
und stünd mir niht übel an,
Verse: 568    
zwâr ich sagt mînem man.

Verse: 569    
den weiʒ ich von dem muote,
Verse: 570    
daʒ iu ze keime guote

Verse: 571    
nimmer ûʒ gegienge,
Verse: 572    
swie erʒ an gevienge.

Verse: 573    
ir sult die rede lâʒen varn.
Verse: 574    
got sol mich vor bewarn,

Verse: 575    
daʒ ich des iht gedenke
Verse: 576    
von sich mîn êre krenke.

Verse: 577    
lâʒet iuwern tumben muot
Verse: 578    
geloubent, hêrre, ist iu guot.'

Verse: 579       
Neptânabus sêre erkam,
Verse: 580    
er die rede alsô vernam.

Verse: 581    
er sprach 'neinâ, sælic wîp,
Verse: 582    
mich guot unde lîp,

Verse: 583    
frouwe, in dîn genâde geben,
Verse: 584    
hilf mir daʒ ich müeʒe leben.

Verse: 585    
hân ich dîner hulde niht,
Verse: 586    
enruoch ich waʒ mir geschiht;

Verse: 587    
sol ich dîner minne enbern
Verse: 588    
wil ich niuwan tôdes gern.'

Verse: 589       
wart der frouwen güete
Verse: 590    
verkêret in ungemüete.

Verse: 591    
zorniclîche sie sprach
Verse: 592    
'ôwê daʒ mir ie geschach

Verse: 593    
daʒ mich dirre ungetriuwe man
Verse: 594    
solicher rede niht wil erlân.

Verse: 595    
lâʒent noch die rede sîn,
Verse: 596    
ir behert mich niht der êren mîn.

Verse: 597    
ich wil mit werden wîben
Verse: 598    
in irme lobe belîben.

Verse: 599    
ir mugt mich niht betœren.
Verse: 600    
ich wil iuch nie hœren.

Verse: 601    
kunt ir vor tumpheit iuch bewarn,
Verse: 602    
lâʒent soliche rede varn:

Verse: 603    
entriuwen wolt ir niht gedagen,
Verse: 604    
ich beginn mîme hêrren clagen.'

Verse: 605       
Neptânabus hôrt ir stætikeit.
Verse: 606    
er sprach 'frouwe, ist mir leit,

Verse: 607    
hân ich gegen iu iht missetân.
Verse: 608    
mich hât betrogen ein bœser wân.

Verse: 609    
zürnent niht sêre,
Verse: 610    
ich gedenke es nimmer mêre.

Verse: 611    
frouwe, lât âne haʒ.
Verse: 612    
ich wil iu geloben daʒ

Verse: 613    
ich hie schiere rûme.
Verse: 614    
niht lenger ich daʒ sûme.

Verse: 615    
ich muoʒ aber immer lîden nôt
Verse: 616    
nâch iuwer minne an mînen tôt.'

Verse: 617    
die frowe nam daʒ gelübde sân.
Verse: 618    
waʒ solt tuon der ellende man,

Verse: 619    
ern redete nâch irm willen
Verse: 620    
wie er sie mohte gestillen?

Verse: 621    
mit er von der guoten schiet.
Verse: 622    
sîn senendeʒ herʒe im dannoch riet

Verse: 623    
daʒ er von niht enlieʒ.
Verse: 624    
einen trôst er im gehieʒ.

Verse: 625       
kunde der êren rouber
Verse: 626    
ein teil liste von zouber.

Verse: 627    
vil künste von nigromancî
Verse: 628    
wonten dem hêrren ,

Verse: 629    
die er zehant ane vienc
Verse: 630    
und stæte mit umbegienc,

Verse: 631    
unz daʒ er an der frouwen
Verse: 632    
sînen willen mohte schouwen.

Verse: 633    
vor sînen zouberlisten
Verse: 634    
kunde sie sich niht gevristen.

Verse: 635    
mit zouberlîchen sachen
Verse: 636    
macht er sich ze eime trachen:

Verse: 637    
als in die küniginne sach
Verse: 638    
in irm slâfe. sît (eʒ geschach

Verse: 639    
aber von zoubers gewalt)
Verse: 640    
kam er in der selben gestalt

Verse: 641    
die küniginne saʒ
Verse: 642    
mit dem künege unde .

Verse: 643    
er brâhte an der stunde
Verse: 644    
einen brief in sînem munde.

Verse: 645    
daʒ houbt leit er in ir schôʒ,
Verse: 646    
des durch vorhte verdrôʒ

Verse: 647    
daʒ vil minneclîche wîp.
Verse: 648    
er druct vaste an ir lîp.

Verse: 649    
dar nâch als er von danne gie,
Verse: 650    
den brief er der vrouwen lie,

Verse: 651    
den sie gar heimelîche nam.
Verse: 652    
der trache danne kam,

Verse: 653    
der künec sprach ze der künegîn
Verse: 654    
'frouwe guot, waʒ mac diz sîn?

Verse: 655    
ich hielt den næsten strît,
Verse: 656    
der trache mir half an aller sît.'

Verse: 657    
die fürstinne dem fürsten verjach
Verse: 658    
'hînt ich in in dem slâfe sach.

Verse: 659    
mich dûhte er spræche wider mich
Verse: 660    
vil rede, der hân vergeʒʒen ich.

Verse: 661    
ja enweiʒ ich waʒ meinet
Verse: 662    
oder waʒ uns bescheinet.'

Verse: 663    
sprach der künic hôchgemuot
Verse: 664    
'eʒ sol uns vüegen alleʒ guot.'

Verse: 665    
sprach die küniginne clâr
Verse: 666    
'hêrre, daʒ müeʒe werden war.'

Verse: 667       
Die küniginne rîche
Verse: 668    
den brief gar heimelîche

Verse: 669    
nâch dem künige besach,
Verse: 670    
der ir vremder mære jach.

Verse: 671    
'ich bin ein brief und ein bote
Verse: 672    
von Jovî, dem hœhsten gote.

Verse: 673    
daʒ ist sînes herzen ger
Verse: 674    
daʒ dîn schœne minne in wer.

Verse: 675    
er sol dînen werden lîp
Verse: 676    
umbevâhen, sælic wîp,

Verse: 677    
mit minneclîcher liebe craft.
Verse: 678    
daʒ haben die gote alsô geschaft,

Verse: 679    
dich mac minne wol gezemen.
Verse: 680    
du solt fruht von im nemen.'

Verse: 681    
verstê ich mich alsô,
Verse: 682    
die künigîn wær der rede vrô

Verse: 683    
durch die seltsæne,
Verse: 684    
ale ich rehte wæne.

Verse: 685    
twanc frouwe Minne
Verse: 686    
der küniginne sinne

Verse: 687    
und ir gemüete in fremde ger
Verse: 688    
gegen dem gote Jupiter.

Verse: 689       
der künic von hûse reit
Verse: 690    
in die lant nâch gewonheit,

Verse: 691    
des êrsten nahtes sie lac
Verse: 692    
an irm gemache und slâfes phlac,

Verse: 693    
wie besloʒʒen was die tür,
Verse: 694    
der frouwen kam der trache vür.

Verse: 695    
dûhte die küniginne
Verse: 696    
in slâfendem sinne

Verse: 697    
wie sie minne næme,
Verse: 698    
die ir eben kæme.

Verse: 699    
ale diz vernam der êren diep
Verse: 700    
daʒ in die frouwe hæte liep

Verse: 701    
und er minne hete genomen,
Verse: 702    
lieʒ er sie ze sinnen komen.

Verse: 703    
er sprach 'ei süeʒe künigîn,
Verse: 704    
ist an dir der wille mîn

Verse: 705    
minniclîch ergangen.
Verse: 706    
frowe, du hâst enphangen

Verse: 707    
von rehter liebe einen suon.'
Verse: 708    
waʒ solde die guote tuon?

Verse: 709    
diz alsô waʒ geschehen,
Verse: 710    
sie muoʒte im vürbaʒ verjehen

Verse: 711    
mit liebe werder minne
Verse: 712    
herze unde sinne.

Verse: 713    
der künic gar sie an sich twanc,
Verse: 714    
daʒ sie nâch im in sende ranc.

Verse: 715    
durch ein scheiden ûf den morgen
Verse: 716    
begunde die frouwe sorgen:

Verse: 717    
daʒ fuogte starker liebe kraft
Verse: 718    
und ouch der minne meisterschaft.

Verse: 719    
ze dem künge Neptânabô
Verse: 720    
sprach die künegîn alsô

Verse: 721    
'hêrre, solt du füegen daʒ
Verse: 722    
ich des belîbe âne haʒ

Verse: 723    
gegen dem künge, dem hêrren mîn.'
Verse: 724    
er sprach 'frouwe, daʒ sol sîn.'

Verse: 725    
sie sprach 'dîn langeʒ mîden
Verse: 726    
mac ich niht wol erlîden.

Verse: 727    
geselle, sol ich dîn enbern,
Verse: 728    
daʒ muoʒ mich ganzer sorge wern.'

Verse: 729    
er sprach 'vil süeʒe künigîn,
Verse: 730    
ich dir hie daʒ herze mîn.'

Verse: 731    
sie sprach 'friunt und lieber man,
Verse: 732    
daʒ mîn ich dir gegeben hân

Verse: 733    
und mînen vrîen lîp vür eigen,
Verse: 734    
daʒ wil ich dir erzeigen,

Verse: 735    
wie du, hêrre, gebiutest mir.'
Verse: 736    
wart nâch der minne gir

Verse: 737    
bêhurtet ûf der minne schilt
Verse: 738    
ze rehter vuoge gezilt.

Verse: 739    
ein minneclîcheʒ ringen,
Verse: 740    
ein kiuschlîcheʒ twingen,

Verse: 741    
ein hurtlich umbevâhen
Verse: 742    
mit blanken armen nâhen

Verse: 743    
gedruct an die bruste
Verse: 744    
nâch der minne luste;

Verse: 745    
ein minneclîcheʒ scheiden
Verse: 746    
ergienc von in beiden.

Verse: 747    
von minne und rehter liebe kraft
Verse: 748    
wart die frouwe berhaft.

Verse: 749    
nâhete dem morgen:
Verse: 750    
daʒ bôt ir senedeʒ sorgen.

Verse: 751    
man mit sorgen tougen
Verse: 752    
minnet ûf ein lougen,

Verse: 753    
reiʒet die minne
Verse: 754    
herze unde sinne

Verse: 755    
und liebet dar zuo den muot,
Verse: 756    
dan man âne sorge tuot.

Verse: 757       
Zehant der künic heim kam,
Verse: 758    
urloup er ze dem fürsten nam.

Verse: 759    
sînes dankens was vil,
Verse: 760    
daʒ ich durch kürze lâʒen wil.

Verse: 761    
im was êren gnuoc erboten,
Verse: 762    
künec gesinde bevalh er den goten,

Verse: 763    
ze hant schiet er von dan.
Verse: 764    
er tet als ein wîse man.

Verse: 765    
wie gar wær verborgen,
Verse: 766    
die frowe was doch in sorgen.

Verse: 767    
irn hêrren sie sêre widersaʒ.
Verse: 768    
sie sprach 'wâ mite hân ich daʒ

Verse: 769    
mîn got verdienet wider dich,
Verse: 770    
daʒ du unsælic mich

Verse: 771    
der werlde hâst gemachet?
Verse: 772    
mîn hôhe wirde swachet,

Verse: 773    
mir wil daʒ vil leide schamen
Verse: 774    
verdrucken mînen werden namen.

Verse: 775    
ich sol mich jâmers vlîʒen.
Verse: 776    
mîn wâre vröide sol rîʒen,

Verse: 777    
sien wirt in mînem herzen ganz.
Verse: 778    
ich sol der wernden sorgen kranz

Verse: 779    
ûf mîn houbt binden.
Verse: 780    
mîn tage suln mir swinden

Verse: 781    
mit leide und mit riuwen.
Verse: 782    
sich sol vil stæte erniuwen

Verse: 783    
in mîme herzen jâmer grôʒ.
Verse: 784    
wie bin ich worden sælden blôʒ.

Verse: 785    
mir selber ich niht guotes gan.
Verse: 786    
waʒ touc ich werdem man

Verse: 787    
vürbaʒ ze wîbe
Verse: 788    
mit swachem lîbe?

Verse: 789    
ich hân verworht sîn hulde,
Verse: 790    
ist doch ân mîn schulde:

Verse: 791    
solt ichs mit willen hân verjehen,
Verse: 792    
wær nimmer geschehen.

Verse: 793    
müeʒe mir komen ze trôste
Verse: 794    
des helfe, der erlôste

Verse: 795    
die werden Susannen
Verse: 796    
von den zwein ungetriuwen mannen,

Verse: 797    
sie vür gerihte stunt:
Verse: 798    
er tuo mir sîne helfe kunt.'

Verse: 799       
ir rede begund sich mischen
Verse: 800    
mit weinen und mit hischen.

Verse: 801    
'ôwê er gar vervluochter man,
Verse: 802    
daʒ ich sîn kunde ie gewan.

Verse: 803    
die gote haben in her gesant
Verse: 804    
ûf mîn laster in diz lant,

Verse: 805    
sie haben mich des engelten lân
Verse: 806    
daʒ ich sie verkorn hân

Verse: 807    
und daʒ ich zuo dem suoche rât,
Verse: 808    
der himel und erde geschaffen hât.

Verse: 809    
hân ich fruht von dir genomen,
Verse: 810    
wie sol mir die ze vröiden komen?

Verse: 811    
sol ich mînem hêrren liegen,
Verse: 812    
den werden alsô betriegen ?

Verse: 813    
daʒ hât er gegen mir niht verschult.'
Verse: 814    
michel was ir ungedult.

Verse: 815    
'ôwê, daʒ ich ie wart geborn!
Verse: 816    
hân ich armeʒ wîp verlorn

Verse: 817    
mîn kiusche und ouch mîn êre.
Verse: 818    
mîn leben touc niht mêre.

Verse: 819    
mich sol vürbaʒ nieman loben.
Verse: 820    
mir ist in mîn herze geschoben

Verse: 821    
des jâmers gruntveste.
Verse: 822    
got wîse mich daʒ beste,

Verse: 823    
war nâch ich mich rihten müge,
Verse: 824    
daʒ mir armem wîbe tüge.

Verse: 825    
hêrre schepher, mîn got du bist,
Verse: 826    
ich weiʒ daʒ dir niht verborgen ist,

Verse: 827    
ob ich dich hêrre biten tar,
Verse: 828    
nim mîn mit dîner helfe war.

Verse: 829    
geschach ân mîne schulde.
Verse: 830    
du gip mir dîne hulde

Verse: 831    
nâch dîner barmherzikeit:
Verse: 832    
ist mir von herzen leit

Verse: 833    
daʒ mir die sünde ist geschehen,
Verse: 834    
des wil ich, hêrre, dir verjehen.'

Verse: 835       
Alsus saʒ die reine
Verse: 836    
clagende alterseine

Verse: 837    
in irm heimlîchen gemache
Verse: 838    
berette sie die sache.

Verse: 839    
sie ze den liuten kam,
Verse: 840    
von ir nieman vernam

Verse: 841    
daʒ sie wære unfrô.
Verse: 842    
kunde sie gebâren ,

Verse: 843    
wie ir leit wære manicvalt,
Verse: 844    
ir hêrre ninder des engalt.

Verse: 845    
sie grôʒen began
Verse: 846    
und gefriesch ir werder man,

Verse: 847    
er was sîn frô und gemeit.
Verse: 848    
er sprach 'nû wellen mîne leit,

Verse: 849    
süeʒeʒ wîp, ein ende hân.
Verse: 850    
swaʒ ich clage habe getân,

Verse: 851    
der wilt du mir genâde tuon.
Verse: 852    
frouwe, du treist einen suon,

Verse: 853    
Wol mich der lieben mære.
Verse: 854    
ringent sich mîn swære.

Verse: 855    
got gebe (sprach der alte frome)
Verse: 856    
daʒ er uns ze frühte kome.'

Verse: 857    
die frouwe irm hêrren lac,
Verse: 858    
grôʒer sorgen sie phlac.

Verse: 859    
sie sprach 'waʒ gotes wille ,
Verse: 860    
des müeʒ ich nimmer werden frî'

Verse: 861    
alsô lebten sie beide,
Verse: 862    
er mit liebe, sie mit leide.




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This text is part of the TITUS edition of Ulrich von Eschenbach, Alexander.

Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 12.9.2008. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.