Achtung!
Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.

Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






vešaṗ-:

1. In der Bibelübersetzung Bezeichnung verschiedener, v.a. schlangenartiger "Untiere" als regelmäßige Entsprechung von gr. δράκων (z.B. Ex. 7,9-12 {1.}: vešaṗ / vešaṗ-eb). In der armen. Bibel steht dem gr. δράκων ebenso regelmäßig das Wort višap gegenüber, das aufgrund seiner lautlichen Ähnlichkeit mit georg. vešaṗ- identifiziert werden kann. Den biblischen Belegen schließen sich weiter zahlreiche Textstellen aus der hagiographischen und homiletischen Literatur an, die sich teilweise direkt auf bestimmte Bibelpassagen beziehen wie z.B. die Schrift Hippolyts über den "Antichrist", die sich ausführlich mit dem Text der Johannes-Apokalyse auseinandersetzt (z.B. 288,21 {10a} ≈ Ap.Jo. 12,4 {10.}: -i), oder das Martyrium des hl. Habo von Ṭpilisi, das einmal (54,26-29 {5a}) den Text von Hiob 40,20 ({5.})1, zweimal (54,29-30 / 68,5-7 {31a / b}) den von Ps. 73,14 verwendet ({31.}: -is-a-y). Auf Ez. 29,3 {26.} und 32,2 {27.} dürfte sich das Traktat über den Ichneumon im Physiologus beziehen (188,29-33 {16.}), wo mit einem δράκων bzw. arm. višap / georg. vešaṗ- der "an dem Fluß Ägyptens sitzende" Pharao gleichsetzt wird2; und ebenfalls auf Ez. 32,2 scheint die Ninolegende anzuspielen, wo von dem "sich im Meer rührenden vešaṗ-" die Rede ist (Mokc.A 341,17-19 / B 133,16-21 / L.Mr. 107,12-14 {13.})3. Auch ohne direkten Bezug zum Bibeltext sind in diesen Zusammenhang weiter einige in der übersetzten und einheimischen Hagiographie begegnende Drachensagen zu stellen wie z.B. die Drachentötungslegende aus dem Martyrium des hl. Theodor (ed. Xaxanov, 2,20-3,7 {14.}: -i), deren griech. Fassung ebenfalls das Wort δράκων gebraucht, oder die Erzählung aus der Vita des hl. Davit von Garesǯa, die als georg. Originaltext gilt (Dav.Gar.A 231,25-232,28 {2.}: -i; eine Anspielung auf diese Erzählung findet sich auch in der Vita des hl. Šio Mġwmeli, B 229,8-9 {2a}); ferner gehört in diesen Bereich ein Beleg aus dem Bericht über die "Zerstörung Jerusalems", wo die in die Stadt einfallenden Perser mit "Bestien und Drachen" (mqec-ni/vešaṗ-ni) verglichen werden (20,8-11 {44.}; keine der verfügbaren arab. Versionen hat etwas Vergleichbares).
Bei der Wiedergabe von gr. δράκων sind innerhalb der georg. Bibel nur vier Ausnahmen zu konstatieren, nämlich Esth. 10,8 {55a} und 11,6 {55.} in der Mcxeta-Hs. sowie Weish.Sal. 16,10 {56.} und Mi. 1,8 {57.} in der älteren Redaktion (O / IO); der armen. Text hat auch hier überall višap. Die Sonderbehandlung mag in den ersten drei Fällen damit zusammenhängen, daß diese Verse die einzigen apokryphen AT-Passagen sind, die δράκων enthalten, und für die eine georg. Version verfügbar ist4; eine konkrete Erklärungsmöglichkeit ergibt sich daraus allein jedoch nicht. Aufschlußreich ist eventuell aber das Zeugnis des vierten Ausnahmefalls, Mi. 1,8 IO. Wie in Weish.Sal. 16,10 O erscheint hier an der Stelle von δράκων das Wort dev-, das ansonsten innerhalb der älteren Bibelübersetzung nur noch in dem Kompositum vir-dev- vorkommt, durch das in Jes. 13,22 {59.} und 34,11-15 {59a} gr. ὀνοκένταυρος übersetzt wird; die Mcxeta-Bibel hat dafür die Bildung vir-ḳenṭavros-, die ohne weiteres als Zusammenrückung von vir- "Esel" und ḳenṭavros- = gr. κένταυρος zu erkennen ist und damit ein Muster für die Analyse von vir-dev- abgibt. Das Simplex dev- ist darüber hinaus z.B. in dem Martyrium der hl. Šušaniḳ zu notieren (IV.: 15,8 {58.}), wo es als Gegensatz zu c̣mida- "Heiliger" gebraucht ist; dabei ist eine Bedeutung wie "böser Geist" oder sogar "Teufel" anzunehmen, die das Wort mit arm. dew in Übereinstimmung bringt, das in der Bibelübersetzung als regelmäßige Wiedergabe von gr. δαίμων und δαιμόνιον dient, und dem in der georg. Bibel ebenso regelmäßig das Wort ešmaḳ- gegenübersteht. Ein solcher Fall ist innerhalb der hier interessierenden Textstellen z.B. für Jes. 13,21 {59.} zu notieren, wo die im griech. Text erscheinenden δαιμόνια in der armen. Bibel durch dew-kՙ, in der georg. durch ešmaḳ-ni wiedergegeben sind; im Physiologus hingegen, der die Jesaiaspassage in dem Traktat über "Sirenen und Onokentauren" zitiert, erscheint statt dessen auch im georg. Text das Wort dev-, wodurch die Gleichsetzung mit arm. dew, seinerseits Entlehnung eines miran. dēv ≈ avest. daēuua-, gesichert ist. — Für die hier angesprochene Problematik um die Vertretung von δράκων in Mi. 1,8 IO {57.} ist nun weiter zu beachten, daß in diesem Vers auch das Wort auftritt, das in Esth. 10,8 {55a} und 11,6 M {55.} an der Stelle von δράκων erscheint, nämlich určxul-; als Entsprechung im griech. Text kommen hierfür nur die σειρῆνες in Betracht, die im armen. Text durch hambar übersetzt sind. Als Wiedergabe von σείρην ist určxul- daneben noch in Hiob 30,29 M {60.} zu notieren, während es in Jer. 50,39 {60b} die Stelle von gr. ἴνδαλμα innezuhaben scheint. Auch in Jer. 50,39 ist aber von "Sirenen" die Rede: Im georg. Text werden diese offenbar durch deda-č̣uav- (bzw., in der Mcxeta-Hs., durch das griech. Lehnwort sirinos-) wiedergegeben, im armen. Text wieder durch hambar; mit dieser Wortwahl stimmt wiederum Jes. 43,20 {60a} überein. Einen letzten Beleg für určxul- innerhalb der Bibelübersetzung enthält Jes. 35,7 I {61.}, wo weder der griech. noch der armen. Text eine Entsprechung zu bieten scheinen; zumindest paßt nach dem bisherigen weder das griech. κάλαμος, das mit lerc̣am- "Rohr" zu identifizieren ist, noch das arm. xašn "Schafherde", das sein Vorbild in dem ποιμνίον des Codex Sinaiticus findet und mit dem samc̣q̇so-ta der Mcxeta-Hs. äquivalent ist. Motivierbar wird der Wortlaut der Jerusalemer Bibel jedoch, wenn man ihn auf die hebr. Bibel bezieht: Hier erscheint das Wort תַּנִּים tannīm, das in Hiob 30,29 {60.} und Jes. 43,20 {60a} gerade an der Position der gr. σειρῆνες steht, und in Mi. 1,8 {57.} an der der gr. δρακόντων. Nun ist die Wiedergabe von tannīm durch gr. δράκων auch sonst mehrmals festzustellen, nämlich z.B. in den oben erwähnten Versen Ez. 29,3 {26.} und 32,2 {27.}; die häufigste Entsprechung von δράκων im hebr. Text ist jedoch das Wort תַּנִּין tannīn (z.B. Ex. 7,9-12 {1.}), das mit tannīm synchron nicht identifiziert werden kann. Ungeachtet der Frage, ob die beiden hebr. Termini etymologisch, etwa über die Annahme einer Dissimilation, zu vereinigen sind (vgl. dazu z.B. Lam.Jer. 4,3 [= 4,69 georg.] {47.}, wo sich tannīm und tannīn als Lesarten gegenüberstehen; der griech. Text hat hier wieder δράκοντες, die Mcxeta-Bibel vešaṗ-ta-ca), ist diese Differenzierung für unsere Problematik von Bedeutung, da sich die Trennung zwischen tannīm und tannīn im syr. Text konsequent widerspiegelt: Für das letztere erscheint ܬܰܢܺܝܢܳܐ tanīnā, das sich auch im NT als Normalentsprechung von gr. δράκων erweist (z.B. Ap.Jo. 12,3 ff.{10.}), für hebr. tannīm hingegen ܝܳܪܘܪܴܐ yārōrā. Dieses yārōrā, dessen Bedeutung bei Brockelmann, Lex.Syr. 308 b durch "canis aureus" wiedergegeben wird, ist nun auch in Mi. 1,8 {57.} verwendet, und zwar gleich zweimal: es vertritt nicht nur hebr. tannīm ≈ gr. δρακόντων ≈ georg. dev-, sondern, in Abhängigkeit von ܒܪܬ bart "Töchter", auch hebr. בְּנוֹת יַעֲנָה bənōṯ yaՙănāh ≈ gr. σειρήνων ≈ georg. určxul-. Es erhebt sich also der Verdacht, daß sich sowohl in der Verwendung von dev- als auch in der von určxul- in der georg. AT-Übersetzung ein Syriazismus manifestiert, der die ansonsten festzustellende Abhängigkeit vom griech. Text überlagert. Dabei müßten dev- und určxul- für syr. yārōrā eingetreten sein und sich zueinander wie Synonyme verhalten haben. Ein Indiz dafür, daß diese Anschauung zutrifft, ergibt sich in Esth. 10,8 {55a} sogar noch aus der Mcxeta-Bibel. Hier ist gemäß der Ausgabe von E. Dočanašvili hinter určxul-ni ein Wort devna zu lesen, das allerdings "durch Radierung getilgt" sei ("ჩაშლილია"). Im Zusammenhang mit den hier vorgetragenen Beobachtungen spricht alles dafür, daß in der Hs. anstelle von devn-a-, was soviel wie "Verfolgung" bedeuten würde, dev-ni gestanden hat: Das wäre der zu určxul-ni genau parallel gebaute Nom.Pl. von dev-, der hier als eine Art Synonymglosse in den Text geraten wäre (diese Lösung bleibt aufgrund der sonstigen Verwendung der beiden Wörter allerdings auch ohne die Annahme eines Syriazismus wahrscheinlich). Nun gibt es für eine direkte Übersetzung von Bibeltexten aus dem Syrischen ins Georgische bisher keine Indizien; der hier erwogene Einfluß der syr. Bibel würde vielmehr ein armen. Medium voraussetzen, das mit dem überlieferten armen. Text in den betr. Passagen nicht identisch gewesen wäre. Daß ein vom Griechischen weiter abstehender armen. Text einmal existiert hat, läßt sich zumindest für die Sapientia Salomonis zeigen, und zwar wiederum durch ein indirektes Zeugnis der georg. Ošḳi-Bibel. In Weish.Sal. 17,3 {60c} erscheint an der Stelle von gr. ἴνδαλμα, das neben Jer. 50,39 {60b} innerhalb der Bibel nur hier bezeugt ist, das Wort hambav-, das gemeinhin soviel wie "Bericht, Erzählung" bedeutet und mit arm. hambaw "id." zu identifizieren ist5. Ausgehend von der Äquivalenz der ἰνδάλματα mit den σειρῆνες in Jer. 50,39, die in der georg. Bibel durch die Verwendung von určxul- für das erstere zu erkennen ist, läßt sich nun wahrscheinlich machen, daß in Weish.Sal. 17,3 O nicht das mit ἴνδαλμα semantisch unvereinbare hambav- gemeint ist, sondern ein im Georgischen sonst unbekanntes *hambar-, das seinerseits das arm. hambar als Normalentsprechung von gr. σειρήν (s.o.) reflektieren würde. Vorausgesetzt würde also, daß für Weish.Sal. 17,3 einmal ein armen. Text existiert hat, der hambar an der Stelle von ἴνδαλμα verwendet hätte; vom überlieferten Text, der statt dessen das Partizip xowčapeal "verwirrt, durcheinandergebracht" bietet, hätte dieser natürlich weit abgestanden.
Zu beachten sind im gegebenen Zusammenhang letztlich noch Jer. 14,6 {39.} und 51,37 (≈ 28,37 LXX {46.}), wo arm. višap und georg. vešaṗ- (-ni / -ta) an der Stelle von hebr. tannīm und syr. yārōrā auftreten, ohne daß der griech. Text eine Entsprechung aufweist. Dies könnte so gedeutet werden, daß bei der Übersetzung des Buches Jeremia eine unmittelbare Äquivalenz zwischen višap / vešaṗ- und diesen Termini bestanden hat. Dagegen sprechen jedoch Jer. 10,22 {62.} und 49,33 (≈ 30,28 LXX {63.}), wo für hebr. tannīm und syr. yārōrā gr. στρουϑός gebraucht ist, das durch arm. ǰaylam und georg. sir- (bzw. sir-aklem-) übersetzt ist. Diese Frage bedarf also noch weitergehender Untersuchungen, die sich auf die Textgeschichte des Buches Jeremia im Armenischen und Georgischen und auf das gegenseitige Verhältnis der Termini σειρήν, ὀνοκένταυρος, ἱπποκένταυρος, ἴνδαλμα, στρουϑός etc. insgesamt beziehen muß.
2. Ebenfalls regelmäßig vertritt georg. vešaṗ- in der Bibelübersetzung gr. κῆτος als Bezeichnung eines großen Meerestieres, etwa des Wals. Ein solcher Fall ist zunächst für das NT zu notieren, und zwar für Mt. 12,40 {32.}, das seinerseits auf der Erzählung vom Propheten Jonas im Bauch des Walfischs basiert (Jon. 2,1ff. {33.}). Auch diese Verwendung wird durch Belege aus der hagiographischen oder homiletischen Literatur gestützt; dies gilt z.B. für die Schrift Hippolyts über die Segnungen Jakobs, wo der Wortlaut von Mt. 12,40 zitiert wird (235,5-7 {32a}), oder das Traktat des Epiphanius von Zypern über die "Maße und Gewichte", das sich auf Gen. 1,21 {41.} mit der Schöpfung des κῆτος am fünften Tage bezieht (38,10-12 {41a}). Anders als bei der unter 1. behandelten Verwendung deckt sich der georg. Text in der Wiedergabe von κῆτος durch vešaṗ- im Normalfall nicht mit der armen. Bibel, da diese hierfür gemeinhin das Wort kēt gebraucht, das direkt auf sein griech. Pendant zurückzuführen ist6. Lediglich in Hiob 3,8 {21.} und Jon. 2,11 {24.} erscheint auch im armen. Text anstelle von kēt das mit dem georg. vēšaṗ- übereinstimmende višap. Dabei ist der letzte Beleg besonders bemerkenswert, und zwar in zweierlei Heinsicht: Zum einen, weil bei der Einführung des "Walfischs" in Jon. 2,1-2 {33.} noch dreimal das Wort kēt gebraucht ist, und zum anderen, weil hier višap nicht allein steht, sondern in einer kompositalenVerbindung mit jowkn "Fisch". Beides läßt sich dahingehend interpretieren, daß kēt im Armenischen ein Fremdwort geblieben ist und durch das geläufigere višap mit jowkn als zusätzlicher Bestimmung periphrasiert werden konnte. In diese Richtung weisen zunächst zwei weitere Belege aus dem AT, nämlich Esth. 14,5 {66a} und 3.Makk. 6,8 {66.}, wo in Anspielung auf die Jonaslegende einmal die appositionelle Fügung kēt jowkn, einmal sogar einfaches jowkn erscheint (ein entsprechender griech. Text steht nur für 3.Makk. 6,8 zur Verfügung, wo wiederum κῆτος erscheint). In dieselbe Richtung weist weiter eine Textstelle aus dem Physiologus, die sich ebenfalls auf die Jonaslegende beziehen dürfte: In dem Traktat über die Meeresschildkröte, deren armen. Name vahanakreay in georg. vahanaḳra- übernommen ist, wird diese mit einem "großen Fisch" verglichen, der in der armen. Version teilweise wieder die Bezeichnungen višap und višapajowkn trägt, teilweise aber auch in appositiver Kombination durch kēt višapajowkn bzw. višapajowkn kēt benannt ist. In Anlehnung an den armen. Text bietet hier auch die georg. Version neben einfachem vešaṗ- zunächst das Kompositum vešaṗ-tevz-višapajowkn (mit tevz- "Fisch", vgl. Ez. 29,4 {26.}), dann aber auch ḳeiṭ-vešaṗ- tevz-kēt višapajowkn und vešaṗ-ḳeṭ-višap(ajowkn) kēt (Physiol. 184,23-185,3 {54.}). Diese Belege sind dann zugleich die einzigen für georg. Wortformen, die dem arm. kēt entsprechen, wobei die außergewöhnliche Graphie ḳeiṭ- mit -ei- für arm. -ē- besonderes Interesse verdient, da sie für den Zeitraum der Übernahme eine Aussprache [-ei̯-] des armen. <ē> bezeugt.
Einer besonderen Erklärung bedarf wiederum ein Ausnahmefall, und zwar Hiob 26,12 {67.}, wo dem gr. κῆτος in der armen. Bibel das Wort hamatarac gegenübersteht, das wörtlich soviel wie "ausgebreitet" bedeutet, während der georg. Text (OM) mit ġelva- "Woge, Wallung, Welle" operiert. Wie bereits die Bearbeiter des Venediger Wörterbuchs richtig andeuten (2,21c s.v. hamatarac), liegt dem armen. Wortlaut eine griech. Textvariante zugrunde, die anstelle von κῆτος das Wort κύτος enthält; κύτος wird zwar an seinen übrigen drei Belegstellen in der Bibel nicht durch hamatarac übersetzt, sondern durch mecowtՙiwn "Größe" (Ps. 64,8 {68.}) oder laynowtՙiwn "Breite" (Dan. 4,8 {69.} und 17 {70.} ≈ Dan. 4,11 und 20 der Theodotischen Rezension), beide Begriffe stehen ihm jedoch nahe genug, um die Annahme zu stützen. Dabei entspricht der armen. Text in Hiob 26,12 mit dem Partizip taraceal solchen Septuaginta-Hss., die mit ἔστρωται "ist ausgebreitet" (Codex Vaticanus und Sinaiticus) oder allenfalls ἔστρωσε "hat ausgebreitet" (Codex Alexandrinus) eine Form von στορέννυμι verwenden, nicht jedoch solchen, die das in der Edition Rahlfs vorgezogene ἔτρωσε "hat zerstört" (zu τιτρώσκω) bieten; zu vergleichen ist dazu Hiob 17,13 {71.}, wo dieselbe Entsprechung taraceal / ἔστρωται zu notieren ist. Etwas anders ist der georg. Wortlaut zu beurteilen. Auch hier erscheint mit da-rec-il arian, wtl. "sind ausgebreitet", zunächst ein Verb, das dem gr. ἔστρωται entspricht und ebenso auch in Hiob 17,13 begegnet. Eine Gleichsetzung von ġelva- "Welle" mit gr. κύτος ist ansonsten hingegen wohl nicht bekannt; in Ps. 64,8 {68.} erscheint dafür simdidre- "Größe" und in Dan. 4,8 und 17 {69., 70.} teils si-vrc-e- "Breite", teils das wie dieses zu dem Adjektiv vrc-el- gehörende Verbum gan-vrc-en-eb-a- "aus-breiten" (neben gan-vs-eb-a- "auffüllen"). Deshalb ist zu erwägen, ob der georg. Übersetzer des Buches Hiob das seltene griech. Wort eventuell mit dem anklingenden κῦμα "Welle" verwechselt (oder identifiziert) hat, wobei das Nebeneinander von κύτος und κῦμα in Ps. 64,8 eingewirkt haben mag. Auf jeden Fall bleibt festzuhalten, daß in Hiob 26,12 sowohl die armen. als auch die georg. Bibel auf einer bestimmten Tradition des griech. Textes beruhen; denn die syr. und die hebr. Bibel verwenden mit ܡܚܐ məḥā und מָחַץ māḥaṣ übereinstimmend ein Verb der Bedeutung "zerstören", das sich mit dem gr. ἔτρωσε deckt. Für die an der Stelle von κῆτος bzw. κύτος erscheinenden hebr. רָהַב rāhaḇ bzw. syr. ܣܓܐܐ sagīyā՚ā ist noch Hiob 9,13 {36.} zu vergleichen, wo denselben Wörtern im griech. Text ebenfalls κῆτος entgegensteht, was die armen. und georg. Bibel wieder in "regelmäßiger" Weise durch kēt bzw. vešaṗ- (-ni) wiedergeben.

Unter der Bedeutungsangabe "Drache" wurde arm. višap bei Hübschmann, AG 247, 620. versuchsweise mit avest. višāpa- verknüpft, das er als "Beiwort des aži-" aus der Erstausgabe des Frahang-ī ōīm anführen konnte (ZPGl. 76). Hübschmann räumte dabei ein, daß er "armen. *všap erwarten" würde; er ging also davon aus, daß das Wort bei einer Entlehnung aus dem Iranischen der armen. Vokalreduktion hätte unterliegen müssen, bei der ein -i- in vortoniger Silbe synkopiert worden wäre.
Ohne sich mit Hübschmanns Etymologie auseinanderzusetzen, schlug Riabinin, Notes 21 vor, das arm. višap "dragon, monstre" aus dem georg. vešaṗi herzuleiten; als das eigentliche Etymon sah er das georg. gvelešaṗi an, das aus gveli "serpent" und einem Element šaṗi mit "sens obscur" komponiert sei, und das über eine Zwischenform *gvešaṗi zu vešaṗi geführt habe.
Ausgehend von der Schrift Hippolyts über die "Segnungen Jakobs" konstatierte bald darauf auch N. Marr, daß georg. vešaṗ- mit arm. višap zu identifizieren sei (Ipp.Tolk. LXIV); im Gegensatz zu Riabinin ging er jedoch von einer Entlehnung aus dem Armenischen ins Georgische aus. Die lautliche Divergenz der beiden Formen diskutierte Marr dann im Zusammenhang mit den Belegen im Physiologus (Fiziol. XXXV). Dabei postulierte er, daß "die Verschiedenheit der georg. Form ein umso bedeutenderes Indiz für eine armen. Herkunft" sei, "wenn sie uns eine archaische Eigenheit bewahrt, wie z.B. die `Schwächung' von ē (ey) zu e anstelle von i" ("отличіе грузинской формы можетъ быть лишь вящшим доказательствомъ армянскаго происхожденія, когда она сохраняетъ намъ архаическую особенность, напр. архаическое ослабеніе ē (ey) въ e вм. i"); als weitere Beispiele für diese Erscheinung verwies er auf sṗeṭaḳ-i "weiß" gegenüber arm. spitak und verag-i "falsch, böse" gegenüber arm. virag. Im Gefolge Marrs wurde eine armen. Herkunft von georg. vešaṗ- dann bei Kluge, Gr.arm.LWW [WZKM 30], 114 propagiert, und auf Marrs Postulat dürfte auch die kommentarlose Einstufung als "arménisme" bei Garitte, Guland. 424 mit Anm. 3 beruhen.
In einer weiteren Arbeit (Armen.-sir.z. [ZVO 13], 033 f.) versuchte Marr, die Gleichung von georg. vešaṗ- und arm. višap noch um ein syr. Wort zu ergänzen, das in zwei Heiligenviten vorliege und dabei einmal in der Graphie <ywšp՚> (Vita Miletii, ed. Bedjan, Acta 2, 265,13 {72.}), einmal als <nwšp՚> erscheine (Vita Saba Gušn., ed. Assemani, Acta I, 71; n.v.); die für den letzteren Text zu verzeichnenden Varianten <xšp՚> (Hoffmann, Auszüge 77, Anm. 708) und <xšk՚> (Bedjan, Acta II, 678) seien zugunsten der Gleichsetzung von syr. <nwšp՚> mit arm. vešap (sic passim statt višap) zurückzuweisen. Marr bezog damit eine Gegenposition zu G. Hoffmann, der seinerseits bereits (l.c.) für das bei Bedjan edierte <xšk՚>, das soviel wie "Dunkelheit" bedeuten würde, auf die bei Assemani erscheinende Lesart <nwšp՚> verwiesen und eine Konjektur zu *nšp՚ vorgeschlagen hatte; Ausgangspunkt war dabei die Anknüpfungsmöglichkeit an aram. nyšwp gewesen, das im babyl. Talmud das "Zischen" von Schlangen bezeichnet (ןיפושׁינב bnyšwpyn, wtl. "bei ihrem Zischen"; ed. Goldschmidt, 615,16 {74.}). Entsprechend werden auch im Wörterbuch Brockelmanns (Lex.syr. 311a bzw. 451b) die beiden Graphien ܝܘܫܦܐ <ywšp՚> und ܢܫܦܐ <nwšp՚> miteinander identifiziert und unter der Form ܢܰܫܦܴܐ našpā bzw. ܢܘܽܫܦܴܐ nūšpā als echt-semit. Wortformen auf die in hebr. -nšp- "spiravit" vorliegende Wurzel zurückgeführt. Marr hielt demgegenüber offenbar die Graphie yšwp՚ für die ursprüngliche und nahm eine Ausgangsbedeutung "Drachen, große Schlange" ("дpaкoнъ") an, die sich durch die Umschreibung des Wortes durch tanīnā "draco, aspis" in Allusionen an die genannte Stelle aus der Vita Miletii in anderen syr. Texten erweise (z.B. Vita Dan., ed. Bedjan, Acta III, 497,12 {72a}).
In späteren Werken scheint Marr dann zu der Auffassung gelangt zu sein, daß es sich bei arm. višap und georg. vešaṗ- um autochthone kaukasische Wörter handele; er berief sich dabei auf gewisse "fischähnliche Skulpturen", die an Flußquellen im Gebirge Armeniens zu finden sind, und hinter denen er Darstellungen der als "višapy" bezeichneten "Lokalgottheiten" sah. Diese Theorie findet sich zuerst wohl in Pam.dux. [Izv.AN 1912], 77 f., dann noch einmal in Kavk.mir [ŽMNP NS. 57], 288 ("нeдaвнo oткpытыя нa плocкoгopия близъ Эpивaни культoвыя чудoвищa-pыбы, длинoю oтъ пoлутopы дo двуxъ caжeнeй, изъ кaмня, cъ выцѣчeнными нa иxъ чpeвaxъ фигуpaми изъ живoтнaгo миpa"). Marr spricht zwar von "Erzählungen in der Art von Reminiszenzen" an die "višapy", die sich "im armen. Volksepos bis zum 8.-9. Jh. und später erhalten hätten" (Pam.dux. 77); die etymologische Einstufung wird dabei jedoch nicht näher behandelt.
Eine ausführliche Untersuchung widmete dem arm. višap dann É. Benveniste (Višap [RÉA 7], 7 ff), der auf das in N. 48 {82.} erscheinende avest. višāpa- als Adjektiv "qualifiant le serpent" rekurrierte und für arm. višap (mit "heutiger" Lautung ušap), georg. vešaṗ-i und das von Marr herausgearbeitete syr. <wšp՚> von einem nordiran. "original" *vēšapa- < *vā̆išapa- ausging, dessen "formation d'ailleurs peu claire" sei. Dabei setzte er sich kritisch mit den Ansätzen Darmesteters und Bartholomaes auseinander, die das avest. Wort im Sinne eines Bahuvrīhi-Kompositums "à la bave poisonnée" ("dessen Säfte Gift sind": Bthl. Wb. 1473) aufgefaßt und mit dem Wort für "Gift", avest. vı̄̆ša-, in Verbindung gebracht hatten. Auf der Basis der genannten Stelle aus dem Nirangistan wandte sich Benveniste gegen die Interpretation von višāpa- als eines einfachen qualifizierenden Adjektivs; die Stelle lege vielmehr nahe, in dem neben aži- "Schlange" stehenden Wort nicht das "épithète inutile, plate et par le même suspecte" einer beliebigen Schlange zu sehen, sondern den Eigennamen eines Dämons "le serpent Višāpa", der seinen eigenen Platz in der "démonologie mazdéenne" gehabt habe. Nur auf dieser Basis sei es verständlich, daß der višap in dem auch von Marr behandelten Bereich der armen. Folklore eine dominierende Stellung erlangt habe; das Armenische habe hier die Reminiszenz an "un ensemble de croyances" bewahrt, dessen "centre" der Višāpa gebildet habe und das innerhalb des arsakidischen Iran des 1. Jhs. v.Chr. zirkuliert habe.
Ausführlich äußerte sich zu georg. vešaṗ- letztlich noch einmal M. Androniḳašvili, die für das Wort ebenfalls von dem avest. višāpa- ausging und ein miran. *vēšap als unmittelbaren Vorläufer der georg. und der armen. Form annahm (Narḳv. 171 bzw. 238 f.). Über die früheren Untersuchungen hinaus führte dabei ihr Vorschlag, in dem georg. Kompositum guel-vešaṗ-, dessen VG mit dem Wort guel- "Schlange" identisch sei, eine "wörtliche Übersetzung" ("სიტყვასიტყვით თარგმანს წარმოადგენს") des avest. aži- višāpa- zu sehen; beachtenswert bleibt ferner Androniḳašvilis inneriran. Etymologie für avest. višāpa-, in dessen HG sie im Gegensatz zu Bartholomae (Wb., l.c. sowie Grdr.Iran.Phil. 1/1, 149, §264 Anm. 1) nicht ein mit dt. "Saft" verwandtes *sāpa-, sondern das Wort *āpa- (sic) "Wasser, Flüssigkeit" sehen wollte.

Androniḳašvilis Ausführungen werden durch die hier untersuchte Beleglage weitgehend bestätigt. Das betrifft zunächst den Zusammenhang zwischen vešaṗ- und dem Wort für die Schlange, guel-, das in der Bibelübersetzung ohne Ausnahme griech. ὄϕις vertritt (z.B. Mt. 7,10 mit Xanmeṭi-Beleg X). Zwar kann für das Kompositum guel-vešaṗ-, das Riabinin lediglich in seiner jüngeren Form gvelešaṗ- kannte, hier kein alter Beleg vorgelegt werden; man wird sich dafür einstweilen auf das Zeugnis des Sabaschen Lexikons verlassen müssen, der das Wort als Bezeichnung eines "Kriechtiers" ("mʒrom[eli]": ZAB) anführt. Immerhin kann zur Illustration der Bildung auf eine Stelle im Hexaemeron des Basilius von Caesarea verwiesen werden, wo unter verschiedenen "Mollusken" δράκοντες (was für ein "Weichtier" damit gemeint ist, bleibt offen), Muränen (μύραιναι) und Aale (ἐγχέλυες) erwähnt werden; der georg. Text stellt dem die drei Termini guel-tevz-i, vešaṗ-ni und smorene- entgegen (8.: 96,21-27 {42.}), wobei die sicheren Gleichungen vešaṗ-ni ≈ δράκοντες und smorene- ≈ μύραιναι für das Kompositum guel-tevz- die Bedeutung "Aal" übriglassen. guel-tevz- kann in diesem Fall als ein Kompositum im Sinne von "Schlangen-Fisch" gedeutet werden, was für die parallele Bildung guel-vešaṗ- eine ähnliche Struktur annehmen läßt (vgl. dt. Lindwurm). Auch die hier vorgestellten, zumeist biblischen Belege zeigen eine deutliche Affinität zwischen guel- und vešaṗ-, die mit der von gr. ὄϕις und δράκων einhergeht, und die eine besondere semantische Nähe der beiden georg. Termini voraussetzt; man vgl. z.B. Ap.Jo. 20,2 {12.}, wo ein visionärer "Drache" mit der "Schlange" der Genesis identifiziert wird, oder das Traktat über den Ichneumon im Physiologus, wo die vom Ichneumon getötete Schlange mit dem von Christus besiegten "Drachen Teufel" identifiziert ist (Physiol. 188,29-33 {16.}; ähnlich 189,5-26 {20.} im Traktat über den Baum περιδέξιον sowie 190,28-36 {17.} im Kapitel über den Hirsch).

Daß die Ausgangsbedeutung von georg. vešaṗ- und arm. višap tatsächlich in der Nähe der "Schlange" zu suchen ist und nicht etwa im Bereich des "Walfischs"7, läßt sich nicht nur dadurch untermauern, daß arm. višap in letzterer Bedeutung nur ausnahmsweise gebraucht wird, sondern auch durch die Verwendung der Bildung

vešaṗaḳ-:
Dieses Wort wird im Lexikon von I. Abulaʒe durch eine Textstelle aus der Vita der georg. Athoniten Ioane und Eptwme belegt, wo es im Gen. Pl. (-ta) in einer Aufzählung von für das Kloster anzuschaffenden Gegenständen auftritt (Io.Ep. 53,20-23 {76.}). Eine erste Erklärung des Wortes ist P. Peeters zu verdanken, der anläßlich seiner Übersetzung der Vita (Hist.mon. [An.Boll. 36-37] 27, Anm. 13) ein genau identisches vešaṗaḳ-ta aus Ex. 28,13 {75.} beibringt, wobei er sich offensichtlich auf die Bakar-Bibel beruft; hier stehe das Wort an der Stelle von arm. vahanaks und gr. ἀσπιδίσκας und sei gemäß dem Text der (lat.) Vulgata durch uncinos wiederzugeben. Peeters versuchte das Wort weiter auch etymologisch einzuordnen, indem er das georg. vešaṗaḳi "spectata origine verbi" auf das arm. višapak "dracunculus" zurückführte ("armenium est"). Ob für georg. vešaṗaḳ- eine Herleitung aus dem arm. višapak wahrscheinlich ist, das das Ven.Wb. lediglich aus dem Werk des Philo Judaeus (und einem Kommentar dazu) nachweist, mag zunächst dahingestellt bleiben; wichtig ist für unsere Fragestellung hingegen die Gleichsetzung mit gr. ἀσπιδίσκος und arm. vahanak in der Bibelübersetzung. Tatsächlich erscheint für das gr. Wort, das in der genannten Stelle aus Exodus (28,13-14 {75.}) ein Art Schmuck am Rock des Priesters bezeichnet, das Wort vešaṗaḳ-ta nur in der Bakar-Bibel; die übrigen verfügbaren Hss. (AKCM) haben hier wie auch in Ex. 28,30 {75a} die Bildung paris-saxe-, die als Zusammenrückung des Genetivs von par- "Schild" mit saxe- "Form, Gestalt" wie ein Kompositum der Bedeutung "schildartig" verwendet ist (der Bakar-Bibel fehlt die entsprechende Aussage in Ex. 28,30). Diese Zusammenrückung kann ohne weiteres als Äquivalent des arm. vahanak gesehen werden, insofern sich par- und vahan als Wörter der Bedeutung "Schild, Panzer" in der Wiedergabe von gr. ἀσπίς "id." treffen (z.B. 1.Kön. 17,6 M {78.}); das setzt voraus, daß ἀσπιδίσκος als ein "schildähnlicher Gegenstand" aufgefaßt wurde, und daß vahanak als Ableitung von vahan mit einem Bildungssuffix -ak aufzufassen ist, das dem gr. -ίσκος funktional entspricht. Eine vergleichbare Analyse setzt weiter das von Peeters herangezogene višapak voraus, das als Äquivalent zu gr. δρακόντιον bzw. lat. dracunculus (so nach Ven.Wb. s.v.) mit demselben -ak-Suffix von višap "Drachen" abgeleitet sein dürfte. Nach demselben Schema kann auch georg. vešaṗ-aḳ- als Ableitung des Wortes für den "Drachen" aufgefaßt werden, und zwar mit einem dem arm. -ak- genau entsprechenden Suffix -aḳ-. Nun weicht das Wort bei einer solchen Analyse natürlich weit von der Bedeutung seiner Äquivalente vahanak und paris-saxe- in Exodus ab. Erklärbar wird diese Abweichung jedoch, wenn man dem Übersetzer der Bakar-Bibel zugesteht, gr. ἀσπιδίσκος anders aufgefaßt zu haben, nämlich als Ableitung von ἀσπίς "Natter"; dann wäre vešaṗ- hier als Entsprechung einer Schlangenbezeichnung eingesetzt, was völlig mit der oben behandelten Affinität zu guel- "Schlange" in Einklang steht. Dagegen spricht nicht, daß gr. ἀσπίς, wo es eine Schlange meint, in der georg. Bibelübersetzung ausnahmslos durch das Wort asṗid- oder seine Variante asṗiṭ- wiedergegeben wird (z.B. Röm. 13,3 {77.} ≈ Ps. 139,4 {77a}), die natürlich unmittelbare Entlehnungen des gr. ἀσπίς selbst darstellen. Vielmehr ergibt sich aus dieser Gleichsetzung ein weiteres Indiz für die hier vorgeschlagene Interpretation von vešaṗaḳ-. In Ex. 36,23-25 {75b-c}, wo die Beschreibung des Rockschmucks ein zweites Mal ausgeführt wird, verwendet die Bakar-Bibel an der Stelle der gr. ἀσπιδίσκοι nämlich das Wort asṗiṭaḳ-, das als parallele Bildung zu vešaṗ-aḳ- auf der Basis von asṗiṭ- "Schlange" aufzufassen ist; die Lesart asṭaḳani in Ex. 36,23 {75b} kann dabei aufgrund der Form asṗiṭaḳ-ta, die in Ex. 36,25 {75c} auch in der Mcxeta-Bibel erscheint, bedenkenlos in *asṗiṭaḳ-ni (Nom.Pl.) korrigiert werden. Zwingend wird diese Auffassung dadurch, daß gr. ἀσπίς nur in der Bedeutung "Natter" durch das georg. asṗid-/-ṭ- dupliziert wurde, nicht jedoch in der Bedeutung "Schild, Panzer", wofür außer par- noch sač̣urvel- (z.B. 1.Chr. 5,18 M {80.}) und torne- (Weish.Sal. 5,19 O {81.}) eintreten konnten.
Indem auf diese Weise vešaṗ- (als Grundlage des weitergebildeten vešaṗ-aḳ-) in einem ganz anderen Kontext als Schlangenbezeichnung hervortritt, wird die primäre Gleichsetzung mit guel- "Schlange" untermauert; zugleich erhält der zuletzt von Androniḳašvili hergestellte Zusammenhang mit dem avest. aži- višāpa- eine zusätzliche Basis. Fraglich bleibt dabei jedoch das morphologische Verhältnis zwischen arm. višap und georg. vešaṗ- auf der einen und der avest. Form auf der anderen Seite. Hier besteht das ja bereits von Hübschmann angesprochene Problem, daß schon das arm. višap mit dem avest. Stamm, der gemeinhin als višāpa- angesetzt wird, schwerlich zu identifizieren ist, da ein miran. *višāp im Armenischen zu *všap hätte führen müssen. Der von Benveniste erwogene Ansatz eines nordmiran. *vēšap (besser *vēšāp) würde dieses lautliche Mißverhältnis beseitigen, wobei das georg. vešaṗ- mit seinem -e- als Kronzeuge für das vorausgesetzte iran. -ē- gewertet werden könnte. Gleichzeitig bleibt jedoch Benvenistes eigener Einwand zu unterstreichen, wie sich die "formation d'ailleurs peu claire" eines miran. *vēšap ihrerseits zu dem avest. višāpa- verhalten soll.
Nun ist die Lesung des avest. Wortes an der einzigen bisher dafür beanspruchten Belegstelle, N. 48 {82.}, durchaus nicht gesichert8. Die beiden einzigen älteren Hss., die den Text enthalten (HJ / TD), schreiben das Wort (im Gen.Sg. neben ažōiš) zunächst in der Form <vṣ̌āpahe>, und nur in TD ist zwischen dem v und dem š ein i übergeschrieben; es dürfte sich um eine sekundäre Korrektur desselben Schreibers handeln, die eventuell auf einer selbst nicht mehr erhaltenen Quelle basiert9. Die auf HJ beruhende jüngere Abschrift T58 liest statt dessen <vaṣ̌āpahe>, dessen erstes -a- sich als Sproßvokal innerhalb des in HJ vorliegenden Anlautsclusters <vṣ̌-> erklärt. Es wäre also denkbar, daß das überlieferte <vṣ̌āpa-> nicht, wie allgemein angenommen, ein *višāpa- vertritt, sondern statt dessen für einen Stamm *vaēšāpa- als avest. Form eines altiran. *u̯aišāpa- steht, das selbst den Vorläufer des anzusetzenden miran. *vēšāp gebildet hätte. Daß diese Annahme zutrifft, läßt sich eventuell durch ein weiteres Indiz stützen.
In der Pahlavī-Übersetzung von N. 48 erscheint an der Stelle des fraglichen ažōiš višāpahe die ideographische Wendung MY՚ ZY ŠPYR, die normalerweise als āb-i veh, i.e. "gutes Wasser" aufzulösen wäre. Wie bereits Waag, Nirang. 109 Anm. 10 richtig gesehen hat, liegt dieser im Kontext nicht begründbaren Lesart ein mpers. שׁנ פע <՚p(-y) vyh> zugrunde, das selbst aus (graphisch identischem) שׁנ פע <՚č(-y) vš> verlesen ist; dieses ist als až-i viš "Giftschlange" und somit als Wiedergabe des avest. ažōiš višāpahe aufzufassen10. Dieselbe Iḍāfat-Verbindung ist innerhalb der Pahlavī-Übersetzung des Avesta noch ein zweites Mal zu belegen, nämlich in Y. 9,30 {82a}. Auch hier geht es im Avestatext um eine Schlange (ažōiš), als deren Attribute jedoch zunächst zairitahe "gelblich" ≈ mpers. zarrēn und simahe "widerlich (?)" ≈ mpers. sahmgēn erscheinen; an der Stelle des mpers. viš steht dann das Kompositum vīšō.vaēpahe, das von Bartholomae als "Gift ausspritzend" interpretiert wurde (Wb. 1473) und in seinem VG das dem mpers. viš genau entsprechende vı̄̆ša- "Gift" zu enthalten scheint. Allerdings steht im PÜ-Text viš als Wiedergabe des avest. višō.vaēpa- nicht allein da. Die Verbindung až-i viš ist hier vielmehr um ein Attribut erweitert, das Bartholomae (l.c.) als apē āšift mit zusätzlicher "Erl(äuterung)" kēš viš ō tan apē āšift ēstēt las; das ansonsten unbezeugte āšift setzte er dabei offensichtlich als Äquivalent des HGs -vaēpa- an, das er mit der Verbalwurzel vaēp- "pedicare" in Verbindung brachte, indem er zu deren Ausgangsbedeutung "prosternere" auf der Grundlage von aind. kṣipáti "werfen" einen Bezug herzustellen versuchte.
Nun hat die Fügung *až-i viš auch in N. 48 ein weiteres Attribut neben sich; dieses wurde von Waag als bē ayāft gelesen und im Sinne von "die (sc. Schlange, die) er gefunden hat" als sekundärer Zusatz aufgefaßt (l.c. mit Anm. 2 der Üb.). Als Verbalform der Bedeutung "hat erreicht, erlangt" (zu ayāftan "erlangen, erreichen") wäre bē ayāft aber auch die normale Lesung der Wendung, die Bartholomae in Y. 9,30 als apē āšift interpretiert hatte; so wird der PÜ-Text bei Unvala in seiner Ausgabe des 9. Yasna (Hōm Yašt, 47 {82b}) durch až .. i viš-bē-ayāft kē-š viš ō tan bē ayāft ēstēt wiedergegeben11. Unvalas Hintergrund dürfte dabei die Sanskrit-Übersetzung Neryosanghs abgegeben haben, der das avest. višō.vaēpahe durch viṣāvāpte wiedergab12; als kompositale Verbindung von viṣá- "Gift" mit ava-āpta-, PPP zu ava-āp- "erlangen", würde dieses genau einem mpers. viš-bē-ayāft entsprechen. Nun ist Neryosanghs Sanskrit-Form als Wiedergabe eines avest. višō.vaēpa- aber ebenso wenig motivierbar wie das Pahlavī-Äquivalent bē-ayāft, wenn man für das HG -vaēpa- von der bei Bartholomae angesetzten Bedeutungssphäre ausgeht. Verständlich würden beide hingegen als Vertreter des in N. 48 erscheinenden avest. višāpa-, wenn dieses selbst als ein Kompositum aus viša- "Gift" und āp- "erreichen, erlangen" interpretiert wurde.
Daß diese Interpretation tatsächlich bei der PÜ im Hintergrund stand, läßt sich an der gegebenen Stelle eventuell noch durch ein zusätzliches Argument stützen. Vor dem den fraglichen Nebensatz beschließenden avest. karšōit̰ steht in den Hss. HJ und TD ein offensichtlich entstelltes <paitiipta>, das in TD (fol. 67v, l. 7) durch ein übergeschriebenes <ā> zu paitiiāpta korrigiert ist. Waag liest hieraus eine Folge der beiden Adverbien paiti und apa, wobei er offenbar unter dem Eindruck der PÜ steht, die mit abar "(dar)über" und abāg "(da)mit" ebenfalls zwei geläufige Adverbien bietet. Er unterschlägt dabei, daß in den Hss. vor dem fraglichen paitii(ā)pta noch die Zeichenfolge <mn> erscheint, die gemeinhin als ideographische Schreibung das mpers. az "von" vertritt. Auf dem Hintergrund der irrigen "Ideographisierung" von ursprünglichem *až-i viš im selben Kontext fragt sich jedoch, ob nicht auch hier eine Entstellung vorliegen könnte, die in <mn> ≈ az einen Reflex von mpers. "Schlange" und in paitii(ā)pta einen Reflex des mpers. bē ayāft zeigen würde (als künstliche "Avestisierung" ?).
So bleibt angesichts der übereinstimmenden PÜ zu erwägen, ob sich hinter dem überlieferten avest. višō.vaēpa- in Y. 9,30 nicht dasselbe Wort verbergen könnte wie hinter dem durch das Pahlavī gestützten v(i)šāpahe in N. 48. Die über Geldners Apparat verfügbaren hs. Varianten, nach denen das VG eine Nebenform vīsō und das HG die Lesungen vīpahe und vipahe kennt, geben dazu keine Hilfestellung; v.a. lassen sie keinen Grund erkennen, wodurch die anzunehmende Entstellung bedingt gewesen sein könnte. Wenn man die auch bei Geldner bevorzugte Graphie mit dem Diphthong -aē- als lectio difficilior anerkennt, erscheint jedoch eine Lösung denkbar, die von dem oben versuchsweise angesetzten avest. *vaēšāpa- als Entsprechung von georg. vešaṗ- und arm. višap ausgeht: Während die überlieferte Form in N. 48, wie oben festgestellt wurde, unmittelbar ein ursprüngliches *vaēšāpa- repräsentieren kann, könnte man die in Y. 9,30 erscheinende Form zunächst auf ein Kompositum *višō.vaēšāpahe zurückführen, das dann im Laufe der Überlieferung gleichsam haplologisch zu višō.vaēpahe vereinfacht worden wäre (man vgl. dazu die Avestabuchstaben ֵ <ē> und שׁ <š>). Die identische PÜ-Übersetzung der beiden Stellen läßt dabei letztlich das Kompositum *višō.vaēšāpahe verdächtig erscheinen: Da das von N. 48 vorausgesetzte einfache *vaēšāpahe selbst bereits als "who has acquired poison" aufgefaßt werden konnte, sieht das višō- in Y. 9,30 wie ein tautologischer Zusatz aus. Ein solcher Zusatz wäre jedoch unter dem Aspekt zu rechtfertigen, daß die Form *vaēšāpahe zwar aufgrund ihrer Bedeutung mit vı̄̆ša- "Gift" assoziierbar war, diesen Bezug morphologisch jedoch nicht (mehr) ohne weiteres erkennen ließ13.
Dies führt zurück zu der Frage, wie das altiran. *u̯aišāpa- seinerseits erklärt werden kann. Nimmt man die sich aus der PÜ der genannten Stellen ergebende mpers. Interpretation ernst, so müßte es sich tatsächlich um eine Bildung auf der Grundlage von *u̯iša- "Gift" handeln; für das HG wäre von der Verbalwurzel *āp- "erreichen, erlangen" auszugehen. *u̯aišāpa- könnte dann eine durch Vṛddhierung und Thematisierung gekennzeichnete Weiterbildung eines ursprünglichen Kompositums *u̯išāp- < *u̯iša-āp- darstellen, das die Schlange entweder als "die Gift erlangende" oder, besser, "die durch Gift erlangende" bezeichnet hätte; die in der Weiterbildung *u̯aišāpa- vorliegende Vṛddhierung (und Thematisierung) könnte ursprünglich zur Substantivierung gedient haben, wie sie sich nicht zuletzt in der Mehrzahl der Belege von arm. višap und georg. vešaṗ- manifestiert.
Unter den gleichen Annahmen bleiben jedoch auch die von Bartholomae und Androniḳašvili vorgeschlagenen Etymologien erwägenswert, die eine Ausgangsform *u̯išāpa- oder *u̯išāp- als Bahuvrīhi-Kompositum der Bedeutung "deren Saft (*sāpa-) oder Wasser (āp-) Gift ist" anzusetzen gestatten. Unter der Bedingung, das die im Avesta bezeugte Form tatsächlich die vṛddhierte Bildung *vaēšāpa- ist, gewinnt der letztere Vorschlag an Wahrscheinlichkeit, da eine solche Bildung ohne weiteres von einem athematischen Stamm *u̯išāp- < *u̯iša-āp- gebildet sein kann und somit die Annahme eines im Indoiran. sonst nicht bezeugten thematischen *sāpa- "Saft" unnötig macht. Weniger wahrscheinlich wird demgegenüber die bei Gershevitch, Višāpa vorgeschlagene Verbindung mit dem osset. Verbum iron. safı̊n / digor. isafun "to destroy" sowie dem damit verwandten iron. sæfı̊n / digor. isæfun "to perish", die ein altiran. *wi-šā̆p- mit der Grundbedeutung "auswischen" voraussetzt; eine solche Verbindung läßt sich nach dem oben gesagten semantisch nicht untermauern, und die anzunehmende Vṛddhi-Bildung (Gershevitch geht für das Avest. allerdings ausschließlich von nicht-vṛddhiertem višāpa- aus) wäre kaum motivierbar.
Auf der Grundlage der hier vorgestellten Erwägungen lassen sich also arm. višap und georg. vešaṗ- als Entlehnungen eines miran. *vēšāp festhalten, dessen avest. Entsprechung *vaēšāpa- in N. 48 und Y. 9,30 vorzuliegen scheint; dieses dürfte die durch Vṛddhierung und Thematisierung substantivierte Variante eines die Giftschlange bezeichnenden Kompositums *u̯išāp- < *u̯iša-āp- darstellen, das selbst soviel wie "durch Gift erlangend" oder "das Gift zum Wasser habend" bedeutete. Die zuletzt bei Bolognesi, Ricerche [RLL 3], 132 aufgestellte Behauptung, georg. vešaṗ- "deriva senza dubbio .. da arm. višap", wird dabei allein schon durch die Beleglage nicht bestätigt. Da das georg. vešaṗ- mit seinem -e- der miran. Ausgangsform näher steht als das arm. višap, bei dem das ursprüngliche -ē- durch die Vokalreduktion in vortoniger Silbe zu -i- wurde, ist die Übernahme des Wortes aus dem Armenischen zumindest für die historische Zeit auch aus lautlichen Gründen auszuschließen; eine Übernahme aus einer "vorarmenischen" Sprachstufe, die die Vokalreduktion noch nicht gekannt habe (so Bolognesi, l.c.), bleibt spekulativ14. Ob entsprechend dem Vorschlag Marrs auch das Syrische an der Entlehnung des miran. Wortes teilhatte, muß angesichts der geringen Materialdecke für eine Wortform, die in der Form *wšp՚ oder *wyšp՚ zu erwarten wäre, offenbleiben.
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>


Achtung: Dieser Text ist mit Unicode / UTF8 kodiert. Um die in ihm erscheinenden Sonderzeichen auf Bildschirm und Drucker sichtbar zu machen, muß ein Font installiert sein, der Unicode abdeckt wie z.B. der TITUS-Font Titus Cyberbit Unicode. Attention: This text is encoded using Unicode / UTF8. The special characters as contained in it can only be displayed and printed by installing a font that covers Unicode such as the TITUS font Titus Cyberbit Unicode.



Copyright Jost Gippert, Frankfurt a/M 7. 1.2003. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.