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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.

Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition, published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.



Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.

Jost Gippert



Iranica

Armeno-Iberica



Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen






vazr-:

1. Einmal etwa "Schlagstock" als Übersetzung von griech. ϱόπαλον an dessen einziger Belegstelle in der Septuaginta (Spr.Sal. 25,18 {1.}) in der Ošḳi-Hs. (die Stelle ist M. Šaniʒe, Leksiḳa 56 zu entnehmen); die Bakar-Bibel hat statt dessen šub- "Lanze, Speer", während die Mcxeta-Hs. die betreffende Stelle nicht enthält. Die armen. Version steht hier abseits, insofern sie den im griech. Text aufgezählten drei Waffen ϱόπαλον, μάχαιρα und τόξευμα nur sowser und slakՙ gegenüberstellt, die aufgrund ihrer sonstigen Bezeugung mit μάχαιρα bzw. τόξευμα zu identifizieren sind; gerade die Entsprechung der erstgenannten Waffe fehlt also.

2. Mit dem Epithet rḳin-is-a- "aus Eisen" ist vazr- noch ein zweites Mal die Bezeichnung einer Schlagwaffe, wobei es, wiederum in der Ošḳi-Bibel, in 2.Kön. 12,31 {2.} (12-71 ist Druckfehler in Čubinašvilis Wb.) die griech. Wendung gr. ἐν τοῖς τριβόλοις τοῖς σιδηροῖς zu übersetzen scheint (in diesem Sinne wieederum M. Šaniʒe, Leksiḳa 56); der edierte Text der Mcxeta-Hs. liest vazir-, was jedoch auf einem Druckfehler beruhen mag (bei Šaniʒe, o.c. 57 wird der Wortlaut der damals noch unpublizierten Hs. mit vazr- zitiert; s. dazu weiter unten). Die georg. Version weicht jedoch insofern von dem gedruckten Text der Septuaginta wie auch dem der armen. Bibel ab, wo τριβόλοις .. σιδηροῖς durch kՙeranōkՙ erkatՙeōkՙ wiedergegeben ist1, als hier vazr- mit einem zweiten Terminus, nämlich ṭaṗaraḳ- kopulativ verbunden ist; sie rückt damit in die Nähe des Origenischen Septuaginta-Texts, der nach τριβόλοις .. σιδηροῖς ein καὶ ὑποτομεῦσιν σιδηροῖς einschiebt, oder der Lukianischen Bearbeitung mit hinzugefügtem καὶ σκεπάρνοις σιδηροῖς. Legt man die gegebene Reihenfolge der jeweiligen Termini zugrunde, so ist τρίβολος eindeutig durch ṭaṗaraḳ- vertreten, während vazr- einem der beiden zusätzlichen Termini entsprechen muß. Ein ähnlicher Sachverhalt zeigt sich auch in der Bakar-Bibel, die die Wendung ḳuro-s-tavta rḳinisata da culta rḳinisata hat, wobei mit ḳuro-(y)s-tav-, wtl. "Stierkopf", die regelmäßige Entsprechung von gr. τρίβολος gewählt ist2; in der Position von vazr- steht hier cul- "Axt". Für die durch die Ošḳi-Bibel vertretene Redaktion der georg. AT-Übersetzung läßt sich nun ein engerer Zusammenhang mit dem Lukianischen Septuaginta-Text beweisen, da nur dieser im folgenden Satz mit ἐν μαδεββαν (< hebr. בַּמַּלְבֵּן ba-mmaləbbēn) eine Grundlage für das georg. hapax legomenon madibad- "Ziegelbrennerei" bietet; andere Textzeugen könnten allenfalls konsultiert worden sein, so daß die Glossierung von madibad- durch romel ars alizis-mokmedtay, wtl. "was die (Werkstatt) der Ziegel-Macher ist", möglich wurde (die armen. Version hat einfaches ałiwsov, Instr.Sg. von ałiws "Ziegel" für διὰ τοῦ πλινϑείου der Septuaginta). Es ist also mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß vazr- an der gegebenen Stelle nicht das ὑποτομεύς des Origenischen Texts, das in der Septuaginta selbst ein hapax legomenon ist, sondern das Lukianische σκέπαρνον "Zimmerbeil" übersetzt. Letzte Sicherheit wäre zu erlangen, wenn das Wort auch an der Parallelstelle 1.Chr. 20,3 {2a}, auf den offenbar der Zusatz σκεπάρνοις σιδηροῖς zurückgeht, nachgewiesen werden könnte; dem Text der Mcxeta-Hs., der hier allein greifbar ist, fehlt die entsprechende Wendung jedoch. In Jes. 44,12 {19.}, der einzigen weiteren Belegstelle von σκέπαρνον, wird dieses durch ečue- "Beil" wiedergegeben (ečuh in der Edition der älteren Redaktion ist Druckfehler für nom.-akk. ečuē neben dem Aorist aġ-i-les-a "er wetzt(e) sich das Beil").
3. Eine Art "Knüppel" dürfte das Wort in dem unedierten Martyrium des hl. Varus (und seiner Gefährten) bezeichnen, wo es mit den Verben da-č̣r-a- "(zer-)schlagen, hauen" bzw. cem-a- "schlagen, prügeln" verbunden ist ([H 341] 809 f. {4.}). Die armen. Version der Legende, in der allerdings nur eine der beiden Textstellen verifiziert werden kann (810,25 {3.}), verwendet bir "Knüppel", das in der Bibelübersetzung regelmäßig für gr. ξύλον im Sinne von "Stock" (NT: Mt. 26,47 {21.} u.a.) sowie einmal für gr. ϱάβδος "Stab" auftritt (1.Chr. 11,23 {20.}); letzteres ist üblicherweise durch gawazan übersetzt (z.B. Gen. 30,37ff. {22.}). Im georg. Text ist das erstere Wort ebenso regelmäßig durch c̣ate- wiedergegeben, für ϱάβδος hat die Mcxeta-Bibel in 1.Chr. 11,23 {20.} wie auch sonst ḳuertx-. M. Šaniʒe (o.c., 58), die weder die armen. Version noch den Beleg mit vazr- + cema- berücksichtigt, folgert offenbar aus der Verbindung von vazr- mit da-č̣r-a-, daß das Wort gerade im vorliegenden Text eine "scharfspitzige" (mč̣relṗiriani) Waffe bezeichnet haben müsse (m-č̣r-el- "scharf" ist Partizip zur selben Wz. -č̣r-); dies wird jedoch durch die armen. Entsprechung brōkՙ cecel eindeutig widerraten, und die armen. Fassung zeigt auch, daß otxganve da-č̣r-a- nicht etwa "in vier (Stücke) zerhauen", sondern "von (allen) vier (Seiten her) prügeln" bedeutet, was allein schon die Verwendung der Postposition -gan nahelegt.

Im Zusammenhang mit vazr- sind weiter einige Wortformen zu betrachten, die wie lautliche Varianten dazu aussehen. Es handelt sich zunächst um     
vazir-:
Dieser Stamm kann bisher nur in 2.Kön. 12,31 {2.} im edierten Text der Mcxeta-Hs. belegt werden, wo er "regulärem" vazr-(-it-a) der Ošḳi-Bibel gegenübersteht; s. dazu bereits oben (2.). Ob es sich um eine sprachwirkliche Nebenform oder lediglich um eine fehlerhafte Schreibung handelt, kann an der gegebenen Stelle nicht entscheiden werden. — Eine zweite anklingende und semantisch nahestehende Wortform ist

varz-:
Ebenfalls als hapax legomenon dient varz- zur Bezeichnung einer Waffe als Übersetzung von gr. ἐγχειρίδιον im apokryphen Jeremias-Brief in der Gelati-Bibel, der sich die Mcxeta-Hs. anschließt (Ep.Jer. 14 = Bar. 6,14 {6.}; dieselbe Stelle meint auch die Angabe "Ierem. 6-14" in Čubinašvilis Wb.). Die Ošḳi- und die Jerusalemer Bibel haben statt dessen laxuar-, das in dieser Funktion auch in Jer. 50,42 (= 27,42 LXX {8.}) vorliegt, normalerweise jedoch gr. ζιβύνη (z.B. Jes. 2,4 I {24.}), λόγχη (z.B. Ez. 26,8 I {26.}), σειρομάστης (z.B. Joel 3,10 I {10.}) oder δόρυ (z.B. Mi. 4,3 I {28.}) übersetzt, wobei es v.a. mit dem fast ebenso häufigen (h)orol- konkurriert (z.B. Jer. 46,4 I {29.}). Da für die beiden letztgenannten Wörter eine Bedeutung "Lanze, Speer" als gesichert gelten kann, stellt sich die Frage, ob varz- an der einen gegebenen Stelle tatsächlich entsprechend dem gr. ἐγχειρίδιον als "Dolch" aufzufassen ist. Keinen Beitrag zur Klärung leisten die übrigen Belegstellen von ἐγχειρίδιον, wo dieses durch qelis-saṗq̇robel-, wtl. etwa "Hand-Greifwerkzeug" (Ez. 21,3-5 IM {30.}), qelit kandaḳebuloba-, wtl. etwa "Handschnitzerei" (Ex. 20,25 M {31.}) oder sogar einfaches qel- "Hand" (Ex. 20,25 O {31.}) wiedergegeben wird; letzteres dürfte auf einer Fehldeutung oder -lesung beruhen, wie sie etwa durch das an selber Stelle erscheinende arm. jer̄in gorci "Werkzeug der Hand" suggeriert wird. Aufschlußreich ist hingegen das Zeugnis der Mcxeta-Hs. an der Stelle Jer. 50,42 {8.}. Hier erscheint für das laxuar- der Ošḳi-Bibel das Wort

mazraḳ-:
1. Dieses Wort scheint also ebenfalls mit gr. ἐγχειρίδιον gleichzusetzen zu sein. Darüber hinaus tritt mazraḳ- noch an zwei weiteren Stellen in der Mcxeta-Hs. auf, wo die Ošḳi-Bibel laxuar- hat, nämlich in Jer. 6,23 {7.} sowie in Joel 3,10 {10.}; dabei entspricht es gr. ζιβύνη bzw. σειρομάστης, so daß eine Grundbedeutung "Lanze, Speer" für mazraḳ- durchaus in Betracht kommt (in genau diesem Sinne, nämlich durch šubi "Lanze", wird das Wort bei Saba glossiert). Allerdings ist der letztgenannte Beleg für eine Bedeutungsbestimmung kaum zu verwerten, da das in der Septuaginta überhaupt nur viermal auftretende gr. σειρομάστης in der Mcxeta-Bibel an allen drei übrigen Stellen anders übersetzt ist, nämlich durch laxuar- (Num. 25,7), orol- (4.Kön. 11,10) sowie danaḳ- (3.Kön. 18,28); es ist deshalb mehr als fraglich, ob der oder die georg. Übersetzer das seltene gr. Wort überhaupt kannten (s. dazu weiter unter danaḳ-, 2. {53., 54., 8.}). Bei den beiden Belegen aus Jeremias ist zu beachten, daß sie in der hebr. und auch in der syr. Bibel wortgleich lauten, und daß diese Tradition auch hinter dem georg. Text vermutet werden kann. Da ein direkter Einfluß des syr. auf den georg. AT-Text aber wohl auszuschließen ist, ist ein Blick auf die armen. AT-Übersetzung geboten. Diese verhält sich wiederum nicht deckungsgleich, insofern sie in Jer. 6,23 {7.} und 50,42 {8.} einen weitgehend unterschiedlichen Wortlaut bietet, wobei im ersten Fall für gr. ζιβύνην κρατήσουσιν tigawor "Lanzenträger" erscheint, während ἐγχειρίδιον in 50,42 durch vałakawor übersetzt ist. Da dieses Wort andererseits auch an den übrigen Stellen (Ez. 21,3-5 {30.}) gr. ἐγχειρίδιον vertritt (Ep.Jer. 14 = Bar. 6,14 {6.} ist in der Zohrab-Bibel nicht enthalten, die Stelle wird aber bei Ačar̄yan, AEW 4 297, s.v. für vałakawor beansprucht) und ausschließlich für dieses steht, ist zu erwägen, ob es mit georg. varz- und mazraḳ- in der AT-Übersetzung in direktem Zusammenhang stehen könnte. Von Bedeutung ist dabei noch die Feststellung, daß vałakawor auch in den exegetischen Schriften Ephrems des Syrers erscheint, und zwar an zwei Stellen, deren zugrundeliegende AT-Passagen in der armen. Vulgata sowr für gr. μάχαιρα haben (I,57,29 {32.} ≈ Gen. 22,6 {32a}; I,391,7 {33.} ≈ 2.Kön. 2,16 {33a}). Hier könnte ein älterer Sprachgebrauch durchschimmern, der im Vulgatatext bereinigt worden wäre, bei der Erstellung des georg. Bibeltextes aber noch zur Verfügung gestanden haben könnte. Zur endgültigen Beurteilung dieser Hypothese bedarf es aber noch einer vollständigen Auswertung der Bibelzitate bei Ephrem.

Während georg. varz- ein hapax legomenon innerhalb der AT-Übersetzung bleibt, begegnet mazraḳ- auch außerhalb derselben, und zwar:


2. Einmal in der georg. Chronik als Bezeichnung einer Waffe, durch die der König Mihr (7. Jh.) im Kampf gegen die Sarazenen "an der Seite" (perdsa) verletzt wurde (Ǯš. 237,20 {9.}: -it-a); die jüngeren Hss. (alle außer CMm) haben statt mazraḳ- die Lesart marzaḳ-. Der Kontext läßt keine weiterreichenden Schlüsse auf die Art der Waffe zu. Das gleiche gilt zunächst auch für die Stammvariante

mazaraḳ-:
Dieses Wort ist einmal im Visramiani belegt (290,24 {11.}: -it-a), wo es ein Gerät bezeichnet, mit dem die Leute von Gelan und Delam imstande gewesen sein sollen, Haare zu spalten. Im gleichen Kontext erscheinen neben gurdeml- "Amboß" und daraḳ- "Schild" auch die nahestehenden Begriffe šub- "Lanze" und navak- "Pfeil". Während letzteres sein exaktes Gegenstück, wahrscheinlich sogar Entlehnungsmodell in dem zweimaligen nāwak der entsprechenden npers. Textstelle hat3, ist ein solches für mazaraḳ- und die damit operierende Aussage nicht vorhanden; das zweimalige žōpīn im npers. Text scheint sich wiederum eher mit dem georg. šub-sa "Lanze" zu decken. Offen bleibt auch die Frage, ob die Graphie mazaraḳ- für das vorliegende Wort authentisch ist, oder ob es sich nicht vielmehr um eine (durch pleonastische Auffüllung einer vermeintlichen Abkürzung entstandene?) entstellte Form des oben behandelten mazraḳ- handelt, wofür etymologische Erwägungen sprechen würden; s. dazu weiter unten. — Ähnlich unsicher bleibt auch die Beurteilung des -a-Stamms

mazraḳa-:
Dieser Stamm begegnet einmal in dem Preisgedicht "Abdulmesiani" des Dichters Šavteli (19,3a {12.}) im nicht (mehr) gekennzeichneten Nominativ (o. Varr.) und reimt sich an der gegebenen Stelle auf das Wort raḳa, das im Georgischen selbst nicht verankert ist. Der Versuch Marrs, dieses letztere als ein arab. Fremdwort der Bedeutung "Schlag" zu erklären (Odopiscy, ry: arab. rqՙ), erscheint deshalb zunächst ebenso gerechtfertigt wie der Hinweis Lolašvilis (Ed., 178 f.; zuvor bereits Čveni Saunǯe 2, 554) auf das in Mt. 5,22 {34.} erscheinende Schimpfwort raḳa = gr. ϱακά, das der Autor allerdings selbst als im gegebenen Kontext nicht passend bezeichnet (im gleichen Sinne äußerte sich zuvor offenbar bereits M. Ǯanašvili 1920; n.v.). Angesichts dessen, daß mazraḳa- als -a-Stamm ebenso wie das aus der NT-Stelle nicht zu rechtfertigende raḳa- nur hier begegnet, fragt sich also, ob eventuell in beiden Reimgliedern das auslautende -a zu -i zu korrigieren ist, was für *mazraḳ-i den Anschluß an die bisher behandelten Formen gestatten würde; raḳi könnte so als ein früher Beleg der gleichlautenden ngeorg. Konjunktion in der Bedeutung "sobald, wenn (immer)" (ra-ḳi, wtl. "was sogar"; cf. z.B. Ganm.Leks. 6,360) aufgefaßt werden (der aus dem ausgehenden 12. Jh. stammende Text ist ausschließlich in Handschriften ab dem 18. Jh. überliefert, cf. Lolašvili, Ed., 23 ff.). Auf eine solche Lösung weist die Feststellung, daß an der gegebenen Textstelle die o.g. Bibelzitate Jer. 6,23 {7.} und 50,42 {8.} im Hintergrund gestanden haben könnten, wofür nicht nur das danebenstehende mšwld- "Bogen", sondern auch das im nächsten Halbvers erscheinenden u-c̣q̇al-o- "erbarmungslos" spricht, dem in Jeremias (in M) die Verbalformen še-i-c̣q̇al-eb-nen bzw. še-i-c̣q̇al-o-s für gr. οὐ μὴ ἐλεήσῃ bzw. οὐκ ἐλεήσει entsprechen. Dabei ist weiter zu erwägen, ob anstelle von mšwldta eher mšwld da gelesen werden sollte; damit würde sich anstelle eines Genetivsyntagmas "den mazraḳ- der Bögen", das Marr für mazraḳa zu der ansonsten nicht begründeten Übersetzung "Pfeil (des Bogenschützen)" ("cтpѣлa (лукoнocцa)") führte (Odop., rnz), eine koordinative Gruppe entsprechend dem Bibeltext ergeben. Problematisch bliebe bei dieser Textherstellung allerdings, daß *mšwld im endungslosen Kasus stünde, während *mazraḳ-i als Nominativ charakterisiert wäre; beide sind zwar für sich als Kasus des dir. Objekts zu dem Aorist u-kmn-a "er machte, bereitete jdm. etw., tat jdm. etw. an" berechtigt, eine "gruppenflexivische" Verbindung beider wie hier kann ich jedoch sonst nicht belegen. — Wenn der hier angenommene Zusammenhang mit Jer. 6,23 bzw. 50,42 tatsächlich besteht, liefert der Beleg einen interessanten Hinweis auf die vulgate Textgestalt des georg. AT-Textes im ausgehenden 12. Jh.

Die erste ausführliche Behandlung der hier gemeinsam behandelten Wortformen ist der bereits oben erwähnte Aufsatz von M. Šaniʒe (Leksiḳa [Xeln.I.M. 2], 56-58), wo einerseits das Verhältnis der Formen vazr- und varz-, andererseits ihr Zusammenhang mit dem iran. Wort für die "Keule" diskutiert werden, das sich in mpers. vazr bzw. arm. varz manifestiert. Die Autorin spricht sich darin für eine Identifikation von georg. vazr- und varz- aus, wobei die letztere Form jünger sei und eine "auf georg. Boden erfolgte Metathese" zeige ("გვიანდელი ფორმაა, სადაც მეტათესისი საკუთრივ ქართულ ნიადაგზეა მომხდარა": o.c., 57). Die etymologische Verknüpfung mit dem iran.-armen. Wort für "Keule" wird als problematisch hingestellt, da sowohl vazr- als auch varz- ("შესაძლოა": "möglicherweise") eher als Bezeichnungen "scharfspitziger Waffen" dienten und damit semantisch abseits stünden ("vazri ქართულში იმას არ უნდა ნიშნავდეს, რასაც ფალაური და სომხური vazr resp. varz", d.h. "vazri dürfte im Georgischen nicht das(selbe) bedeutet haben, wie pahl. und arm. vazr bzw. varz": o.c., 57).
Aufgegriffen wurde die Problematik dann von H.W. Bailey, der M. Šaniʒes Identifikation von georg. vazr- und varz- mit dem Argument widersprach, "the 10th century date seems .. rather early to suspect confusion of vazr- to varz-" (zvara, 23; der georg. Aufsatz wird von Bailey irrtümlich dem Vater der Autorin, A. Šaniʒe, zugeschrieben). Nach Baileys Ansicht ist nur die erstere Form mit avest. vazra- "a weapon with 100 edges" zu verbinden, während er varz-i mit osset. gärz / gärzä "tool" (> čeč./ing. gerz "weapon") und weiter mit khot. valys- zusammenstellt, die sämtlich die Wz. varz- "to work" repräsentieren sollen (ähnlich auch zu armen. *vazr und varz in Iran.Infl. [Enc.Iran.], 464 b; s.u.).
Sowohl die Schlußfolgerungen M. Šaniʒes als auch die Baileys bedürfen der Überprüfung. Dies betrifft zunächst die von M. Šaniʒe für vazr- vorgeschlagene Grundbedeutung "scharfspitzige Waffe", die so nicht aufrechterhalten bleiben kann. Tatsächlich weisen die unter 1. und 3. aufgeführten Belege eher auf ein stumpfes, stockähnliches Schlaginstrument, wovon auch die Verwendung in 2.Kön. 12,31 {2.} nicht weit abweicht. Entgegen steht einer solchen Interpretation v.a. die Bedeutungsangabe in Sabas Lexikon, wonach vazr-i ein "kurzes Schwert wie eine Sense" (maxvilia celivit) oder aber "ähnlich einer Axt" sei (ars maxvili msgavsi culisa; v.l. C). Dabei ist zu berücksichtigen, daß vazr- bei Saba eindeutig mit varz- identifiziert ist; letzteres wird als eigenes Lemma durch vazri glossiert (die Redaktion C hat sogar nur das eine Lemma vazri tu ["oder"] varzi) und mit der gleichen, allerdings erweiterten Bedeutungsbestimmung maxvili celivit gina ṭq̇avis sapxeḳi "ein kurzes Schwert wie eine Sense, oder ein Fellschabemesser" versehen. Es stellt sich also erneut die Frage, ob vazr- und varz- tatsächlich als Varianten eines Wortes angesehen werden können, und wieviel Vertrauen Sabas Bedeutungsangabe verdient.
Zunächst scheint die erweiterte Definition von varz-i als eines "Fellschabemessers", die aus dem (auch von Saba selbst angeführten) einzigen Textbeleg in Ep.Jer. nicht hervorgeht, zu suggerieren, daß der Lexikograph dieses Wort noch aus eigener Anschauung kannte. Gewisse Indizien lassen jedoch darauf schließen, daß Saba seine Bedeutungsbestimmung lediglich aus dem Kontext der Belegstellen geschöpft hat: Sowohl neben varz- als auch neben vazr- ist in den AT-Belegen jeweils mindestens eine weitere Waffe genannt, nämlich zweimal (Ep.Jer. 14 {6.} / Spr.Sal. 25,18 {1.}) maxwl- "Schwert", also gerade das Wort, das Saba in seiner Definition benutzt, einmal (2.Kön. 12,31 {2.}) hingegen xerx- "Säge" und ṭaṗaraḳ-, das Saba wiederum als eigenes Lemma in sein Lexikon aufgenommen hat (in der Form ṭabaraḳi, die auch in der Mcxeta-Hs. an der gegebenen Stelle zu lesen ist). Dieses wird nun aber wie folgt glossiert: vietta xerxi mitxres, vietta sapxeḳi "(ṭ.) haben mir manche als `Säge', manche als `Schabemesser' genannt". Hier erscheint einerseits wieder die durch den angeführten Beleg nicht motivierte Bedeutungsangabe "Schabemesser"; andererseits läßt die Identifikation mit xerxi "Säge" deutlich das Prinzip erkennen, ein unbekanntes Wort durch ein im Kontext danebenstehendes, der gleichen Bedeutungssphäre zugerechnetes Wort zu glossieren. Daß Saba die Bedeutung von varz- (oder gar vazr-) selbst noch geläufig gewesen wäre, läßt sich also mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen. Alle jüngeren Lexika, soweit sie varz- nennen, fußen ausdrücklich oder erkennbar auf Saba (z.B. Ganm.Leks. 4,28 bzw. 29 mit der Notation variz-i, die eine Parallele zu der fragwürdigen Graphie vazir-i in 2.Kön. 12,31 M darstellt und auf einer handschriftlichen Variante des Sabaschen Lexikons beruhen dürfte; Tschenkéli, Wb. 360 bzw. 368 notiert nebeneinander vazri, varzi und varizi als "veraltet") und bezeugen damit ebenfalls kein Weiterleben des Wortes.
Für die Frage, ob vazr- und varz- zwei verschiedene Wörter oder aber Varianten eines Wortes darstellen, fällt Saba als Kronzeuge somit aus. Gleichzeitig wird varz- zu einem hapax legomenon reduziert, da sich der Nachweis in der Mcxeta-Hs. als auf einer mechanischen Reproduktion der Vorlage, im gegebenen Fall der Gelati-Bibel, beruhend erweist. In Frage gestellt wird letztlich, ob varz- überhaupt eine sprachwirkliche Form gewesen ist, wovon Šaniʒe und mehr noch Bailey ausgingen (s.o.); nach allem Gesagten könnte es sich auch um eine einfache Verschreibung für vazr- handeln, womit Baileys Argument für eine Trennung beider Wörter (s.o.) entfallen würde. Die gleiche Problematik zeigt sich nämlich auch bei dem nahestehenden mazraḳ-, für das in einigen Hss. der georg. Chronik die Lesart marzaḳ- erscheint (s.o.). Die Annahme einer Identität von varz- und vazr- kann zwar durch die Funktion von varz- an der gegebenen Belegstelle nicht erwiesen werden, zur Unterstützung ist jedoch noch einmal darauf hinzuweisen, daß das Wort in Ep.Jer. 14 {6.} ebenso wie vazr- in Spr.Sal. 25,18 {1.} mit maxwl- kombiniert erscheint (wenn auch nicht in denselben Handschriften).
Auch wenn man die Identität von vazr- und varz- weiterhin bestreiten mag, entfallen mit dem bisher Gesagten doch die von M. Šaniʒe geäußerten semantischen Bedenken hinsichtlich einer Verknüpfung mit mpers. vazr "Keule". Will man varz- als eigenes sprachwirkliches Wort beibehalten und nicht einer innergeorg. Entwicklung, sei sie graphisch oder lautlich, anlasten, so bleibt auch die Möglichkeit zu erwägen, daß dasselbe Wort zweimal ins Georgische entlehnt worden sein könnte: Bereits im Mittelpersischen hat es ja neben der archaischeren, mit avest. vazra- genau übereinstimmenden Form vazr (z.B. als Wiedergabe von avest. vazrō in der PÜ zu Vd. 14,9) eine Variante varz mit der Metathese gegeben, die von georg. varz- vorausgesetzt wird (cf. Nyberg, Manual I s.v. für Belege4), und die sich letztlich auch in dem npers. Fortsetzer des Wortes, gurz, manifestiert. Georg. varz- wäre dann zunächst mit arm. varz zu identifizieren, das die Bedeutung "Keule" beibehalten hat (das Wort ist allerdings in der Bibelübersetzung nicht verwendet; das Ven.Wb. verzeichnet nur einen Beleg aus Łewond). Daß eine "Doppelentlehnung" ein und desselben iran. Wortes ins Georgische möglich war, erweist sich nicht zuletzt daran, daß auch npers. gurz noch einmal übernommen wurde und in der Form gurz-i als Wort für "Keule" im heutigen Georgischen fortlebt (cf. Ganm.Leks. 2, 1529 für moderne Belege; die Übernahme kann nicht sehr früh erfolgt sein, da das Wort weder im Vepxisṭq̇aosani noch im Visramiani oder in den Preisgedichten des Šavteli oder des Čaxruxaʒe vorkommt).
Abzulehnen bleibt auf jeden Fall der Versuch Baileys, der mpers. varz nicht erwähnt, aufgrund des einmal belegten georg. varz- ein iran. *warza- "Werkzeug" als Ableitung von warz- "wirken" anzusetzen, zumal auch die anderen von Bailey angeführten Zeugen zumindest fragwürdig sind: Das von ihm zitierte oss. gærz / gærzæ bedeutet zunächst nicht "tool", sondern, wie die Wörterbücher einhellig feststellen, "Riemen" (Abaev, OEW I, 516; Miller, Oss.Sl. I, 391). Bailey dürfte statt dessen das Wort garz gemeint haben, das u.a. auch "Werkzeug, Waffe" bedeutet (Abaev, o.c. 508; Miller, o.c. 381), und das lediglich im Pl. gærztæ sowie in Komposita regelgerecht mit -æ- erscheint (Abaev bzw. Miller, ib.); dieses Wort enthält aber ursprüngliches -ā-. Ferner sind auch die übrigen von Bailey für eine Entwicklung oss. g- < iran. u̯- beanspruchten Etymologien alles andere als sicher: Die Anknüpfung von iron. gæræn und dig. goren "enclosure" an khot. vara "Hof" scheitert zumindest für die digor. Variante am Vokalismus (vgl. Abaev, o.c. 515, der iron. gæræn und dig. goren ausdrücklich trennt; außerdem ist khot. vara jetzt mit Skjærvø, Khot.v [BSOAS 48], 60 f. vielmehr zu airan. *du̯ar- "Tor" zu stellen), und ein selbständiges Wort guppur als "title of nobility", das Bailey auf *visa(s)-puϑra- "sons of the house" zurückführt, scheint es nicht zu geben; belegbar sind lediglich die Kompp. gwyppyrsar / guppursar und guppurgin (Abaev, o.c., 531; Miller, 407), die in der Tat so etwas wie "vornehm" zu bedeuten scheinen, hinter denen sich aber eher Bahuvrīhi-Komposita des Typs bair. Großkopfet verbergen dürften (vgl. Abaev, l.c.). Daß der spätmpers.-frühnpers. Wandel von *u̯- > g- ein Gegenstück im Osset. findet, muß also erst noch bewiesen werden.
Als ein dritter (bzw. vierter) Vertreter des iran. Etymons *u̯azra- im Georgischen ist auch das oben behandelte, in den Varianten mazraḳ-, marzaḳ-, mazaraḳ- und mazraḳa- bezeugte Wort in die Debatte geworfen worden: Mit den Belegen aus Kartlis Cxovreba (s.o. unter 2. {9.}) und dem Abdulmesiani (s.o. für mazraḳa- {12.}) wird marzaḳ- bei Androniḳašvili, Narḳv. 339 auf die "npers.-arab. Form mrz՚q des mpers. Wortes vazr `Keule'" zurückgeführt ("მარზაკი წარმოადგენს ახ. სპარსულ-არაბულ ფორმას mrz՚q საშ. სპარსული სიტყვისა vazr `გურზი'"5). Androniḳašvili geht davon aus, daß zuerst eine mpers. Erweiterung *vazrak in der Form mizrāk ins Arabische entlehnt wurde, wo sie sich in mizrāq, pl. mazārīq "Speer, Spieß" wiederfinde (so z.B. bei Baranov, Arab.-ru.sl., 412 mit der Bedeutungsangabe "копъе, пика"). Auch diese Zusammenstellung muß jedoch problematisiert werden. Zunächst ist die Beleglage des georg. Wortes durch seinen Nachweis in der Bibelübersetzung insofern entscheidend verändert worden, als sich nunmehr die Variante mit -zr- als die ursprüngliche erweist; das von Androniḳašvili als primär hingestellte marzaḳ- ist auf jeden Fall auf eine innergeorg. Entwicklung zurückzuführen6. Fraglich ist auch die für das Neupersische angeführte Form mrz՚q; belegen kann ich nur ein dem arab. mizrāq genau entsprechendes mzr՚q /mizrāq/ "Wurfspieß" (cf. Junker-Alavi, 711; Rubinčik II, 499 mit der Angabe "veraltet" ("уст."); das von Androniḳašvili benutzte Wörterbuch von N. Jagello [Persidko-arabsko-russkij slovar', Taškent 1909], das die Form mrz՚q bezeugen soll [S.1467: Androniḳašvili, l.c., Anm. 4] liegt mir nicht vor.). Und das arab. Wort selbst ist zumindest synchron als Nomen instrumenti (mifՙāl-Form) der Verbalwz. -zrq- "werfen, schleudern, durchbohren" aufzufassen (vgl. Wehr, Arab.Wb. 341), die sich im Zusammenhang mit hebr. -zrq- "streuen, sprengen", syr. -zrq- "sparsit, dissipavit" usw. (cf. Brockelmann, Lex.Syr. 207 b) als echt semitisch erweist; das Hebräische hat in dem 12x in Num. 7 (13 ff.) erscheinenden מִזְרָק mizrāq eine genau entsprechende Bildung, die jedoch, in Übereinstimmung mit der abweichenden Wurzelbedeutung, ein "Sprenggefäß" bezeichnet (die Septuaginta übersetzt τρύβλιον "Schale"; s. dazu weiter unter ṭaḳuḳ-, 4.) und damit unabhängig von arab. mizrāq gebildet worden sein dürfte.
Dennoch ist nicht auszuschließen, daß zwischen georg. mazraḳ- und arab.-npers. mizrāq ein Zusammenhang besteht. Von Bedeutung ist dabei die bereits oben (s. mazraḳ-, 1.) festgehaltene Tatsache, daß dem georg. mazraḳ- zumindest in einem Beleg in der Bibelübersetzung (Jer. 50,42 {8.}) arm. vałakawor gegenübersteht. Es wäre nun denkbar, daß arm. vałak-, das bisher ohne sichere Etymologie dasteht (der Hinweis auf türk. pala und gr. πέλυξ, πέλεκυς im Ven.Wb. s.v. sowie bei Ačar̄yan, AEW IV, 297 f. führt wegen der Anlautsdivergenz natürlich nicht weiter), tatsächlich ein iran. *u̯azrak- forsetzen könnte, und daß ein mit diesem identisches georg. *vazraḳ- ursprünglich an den Bibelstellen gestanden hätte, wo die durch die Gelati- und Mcxeta-Hs. vertretene Tradition mazraḳ- bietet. Dasselbe könnte auch für Ep.Jer. 14 = Bar. 6,14 {6.} gelten, wo im georg. Text das einmalige varz- erscheint (s.o.). Die Ersetzung von *vazraḳ- durch mazraḳ- könnte dann auf einem sekundären Einfluß des semantisch nahestehenden arab.-npers. mizrāq beruhen, das georg. Sprechern zur gegebenen Zeit geläufiger gewesen sein mag als das miran. Fremdwort *vazraḳ-7. Weniger wahrscheinlich ist demgegenüber die ebenfalls von M. Androniḳašvili erwogene, ihrer oben referierten Auffassung widersprechende Möglichkeit, daß sich der im Verhältnis von vazr- und mazraḳ- zu erkennende Wandel von v- zu m- als Lautentwicklung "auf georg. Boden" vollzogen habe ("შესაძლოა, ქართულ ნიადაგზეა მიგებული": Narḳv. 469; die Autorin bemerkt den inhärenten Widerspruch offenbar nicht). Die Namensformen Vežan, Vezan und Maežan, für deren Identität sie a.a.O. argumentiert, liefern keine Parallele, da eine Identität der gemeinten Personen nicht nachweisbar ist, und auch das neben varsḳulav- "Stern" belegbare masḳulav- "id." hilft nicht weiter, da sich die letztere Form als die ältere erweist (z.B. Ps. 8,4 AB {36.} gegenüber GM) und der Wandel zu varsḳulav- auf einer Fernassimilation an das stammauslautende -v- beruhen wird8.
Die hier vorgestellte Lösung setzt voraus, daß in arm. vałakawor das -ł- ein miran. -zr- vertreten kann. Eine solche Lautvertretung ist m.W. bisher noch nicht postuliert worden, kann aber kaum falsifiziert werden, da inlautendes -zr- im Iranischen nicht gerade häufig ist und im Armenischen möglicherweise ausschließlich in dem Etymon *u̯azra- vorliegen müßte9. Immerhin ist das Fehlen einer das mpers. vazr reflektierenden armen. Entlehnung *vazr neben vorhandenem varz schon seit langem als Auffälligkeit bekannt (s. Hübschmann, AG 245, 610.: "Man sollte arm. vazr erwarten"; vgl. auch Bolognesi, Fonti 50). Zu beachten ist dabei innerhalb des Armenischen auch die Wortform vałr, die dasselbe bedeutet wie vałakawor (cf. z.B. das Ven.Wb., das vałr s.v. gerade durch vałakawor definiert), und die eine Zwischenstufe in der angenommenen Entwicklung darstellen könnte. Problematisch mag dabei erscheinen, daß das Wort nicht als -a-Stamm, sondern als alternierender -r-Stamm flektiert (Instr.Sg. vałerb z.B. bei Movs.Xor. 2,46 [2,43 ist Druckfehler im Ven.Wb. sowie bei Ačar̄yan, AEW s.v.]); dies kann jedoch auf einer Analogie nach den ererbten -r-Stämmen beruhen, die im Nom. mit vałr die Struktur -Cr gemeinsam haben, wie z.B. dowstr "Tochter". Arm. vałr könnte allerdings auch das in avest. vadarə (Y. 32,10; in "gathisierender" Graphie auch Y. 9,30 ff.: cf. Hoffmann, Aufs. 1, 197) enthaltene Etymon reflektieren, das über ein miran. *vaδar- zunächst zu einem armen. *varar-, dann mit derselben Dissimilation wie in sałavart (s.o. Anm.9) zu einem Stamm *vałar- geführt hätte, der gleichfalls nach den alten -r-Stämmen umgestaltet worden wäre (oder sollte hier direkt arm. -er- iran. -ar- vertreten wie z.B. auch in handerj ?). Wenn arm. vałr mit avest. vadarə zusammen hängt10, ergibt sich weiter die Möglichkeit, vałakawor mit avest. vada- (Akk.Sg. vadəm Vd. 14,7; ebenfalls mit "gathisierender" Graphie?) zusammenzustellen, das an seiner Belegstelle offenbar so etwas wie einen "Keil" bezeichnet (cf. Bartholomae, Air.Wb. 1344). Allerdings wäre bei einer Herleitung aus einem miran. *vaδak- > armen. *varak- kein unmittelbarer Grund für eine Dissimilation -r- > -ł- zu erkennen; man müßte in diesem Fall entweder einen Einfluß des bedeutungsnahen vałr annehmen oder aber, daß wie im Falle von sałavart das Kompositum in der Form *varakavar < *vaδaka-ßār als ganzes entlehnt wurde (und im Hinterglied sekundär an die genuin-armen. Komposita mit -wor angeglichen wurde).
Dies wirft gleichzeitig die Frage auf, wie das "Hinterglied" -wor in vałakawor bei der hier vorgestellten Etymologie semantisch zu motivieren ist. Eine mögliches Benennungsmotiv würde sich ergeben, wenn vałakawor tatsächlich "Lanze" bedeutet hat: Diese könnte als "einen Keil (auf dem Schaft) tragend" benannt worden sein. Es fragt sich jedoch, ob mit vałakawor primär nicht vielmehr der "Träger" einer Waffe, z.B. ein "Lanzenträger" gemeint ist. Darauf deutet ein Vergleich der Belegstellen Jer. 6,23 und 50,42 {7.,8.}, wo vermutlich eine Kontamination zweier konkurrierender Ausdrucksweisen vorliegt, bei der die τόξον καὶ ἐγχειρίδιον ἔχοντες bzw. ζιβύνην κρατοῦντες (hebr. beide Male קֶשֶׁת וְכִידיִן יַחֲזִיקוּ qešeṯ wəḵīḏōn yaḥăzīqū "die Pfeil und Speer halten", syr. ܒܩܫـܵـܬܬܐ ܘܒܢـܵـܝܙܟܐ ܡܙܝܢܝܢ bə-qeštāṯā uḇnayzəḵā mazaynīn "mit Pfeil und Lanze bewaffnete") einmal "synthetisch" durch die Komposita ałełnaworkՙ und tigaworkՙ, einmal "analytisch" durch *ałełn ew vałak i jer̄in iwrowm wiedergegeben wurden und letzteres sekundär zu ałełn ew vałakawor 'i jer̄in iwrowm umgestaltet wurde. In diesem Sinne spricht auch der Wortlaut der beiden unterschiedlichen georg. Redaktionen, deren ältere die ebenfalls als "synthetisch" zu bezeichnende Ableitung laxur-osan- "mit Speer versehen" verwendet, während die jüngere das Wort mazraḳ- als Objekt zu einem finiten Verb der Bedeutung "halten" (akundes-q̇e "sie werden bei sich haben") bzw. "ergreifen" (eṗq̇ras-q̇e "sie werden ergriffen haben") stellt. Für eine Deutung als "Lanzenträger" spricht auch das neben vałr existierende Kompositum vałrawor, das bei Faustos Byz. (4,15; 20) eindeutig in einer Aufzählung von Bewaffneten erscheint, deren Bezeichnungen sämtlich das Hinterglied -wor "-träger" enthalten (sowseraworkՙ "Schwertträger", nizakaworkՙ "Lanzenträger", sakraworkՙ "Axtträger"). Ist die Vermutung richtig, so ist vałakawor natürlich eine innerarmen. Bildung; gleichzeitig wird ein Simplex *vałak vorausgesetzt.
Auch wenn man armen. *vałak- nicht auf ein miran. *vazrak-, sondern eher auf *vaδak- zurückführen will, bliebe das Wort mit der Sippe um avest. vazra- doch in etymologischem Zusammenhang, da dieses mit aind. vájra- über eine Vorform *u̯adh-s-ra- zu der in vadar- / aind. vádhar- (z.B. RV 7,25,3 {38.}) und vada- / aind. vadhá- enthaltenen Verbalwz. *u̯adh- "spalten" gestellt werden kann.
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