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Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Buches
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
von Jost Gippert (1990).
Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe, veröffentlicht als
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993,
zu entnehmen.
Attention!
This is a special internet edition of the book
"Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnwörtern im Armenischen und Georgischen [Bd. 1]"
by Jost Gippert (1990).
It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition,
published as
"Österreichische Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische Klasse,
Sitzungsbericht, 606. Band" /
"Veröffentlichungen der Kommission für Iranistik, Nr. 26",
Wien 1993.
Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved:
Jost Gippert, Frankfurt 2002.
Jost Gippert
Iranica
Armeno-Iberica
Studien zu den
iranischen Lehnwörtern
im Armenischen und Georgischen
azraṗeṭ-:
Das Wort ist bisher lediglich in zwei hagiographischen Texten belegbar,
von denen zumindest einer, das Martyrium des hl. Izidbozid, mit Sicherheit
aus dem Armenischen übersetzt ist. Die armen. Vs. hat an der betreffenden
Stelle (116,5 {2.}) das lautlich stark anklingende hazarapet, das in der
Bibelübersetzung in der überwiegenden Zahl der Fälle als Wiedergabe von
gr. χιλιάρχης auftritt und dessen Bedeutung in Übereinstimmung damit
auch für die Izidbozid-Legende als "Kommandeur einer größeren (Heeres-)Einheit, Oberkommandant" (nämlich von Armenien) angesetzt werden
kann. Da azraṗeṭ- in der georg. Bibelübersetzung nicht bezeugt ist (s.u.),
wird zugleich der Schluß nahegelegt, daß das Wort in der Izidbozid-Legende eine textgebundene Entlehnung des arm. hazarapet darstellt.
Auch dem zweiten Belegtext, dem Martyrium des hl. Theodor, dürfte
eine armen. Vorlage zugrunde liegen, wofür allein schon die schwankende
Wiedergabe des Namens der als azraṗeṭ- bezeichneten Person, Brinḳas
(41,7 ff. {1., 3.-5.}; im gr. Text Βρίγκας / Βρίγγας) mit anlautendem B-
und P̣- (s. dazu weiter unten) sowie mit der v.l. P̣risḳa- in der Hs. Sin.62
spricht (vgl. die armen. Majuskeln Ն <N> und Ս <S>). Die dem georg. Text
am nächsten stehende edierte armen. Version in Sopՙerkՙ haykakankՙ 16
(63-80; s. dazu weiter unter ḳaran-) hat allerdings nicht das nach dem
Beispiel des Izidbozid-Martyriums zu erwartende hazarapet, sondern
verwendet durchweg den Titel senekapet1, der normalerweise soviel wie
"Kammerherr" bedeutet (s. dazu weiter unter senaḳ-). Diese Version
weicht jedoch auch in dem Namen des Titelträgers, der hier Berenikē(s)
oder Berenikas genannt wird, so weit von der georg. und der griech.
Fassung ab, daß sie nicht die exakte Vorlage der georg. Übersetzung sein
kann. Auch die in Varkՙ ew vkayabanowtՙiwnkՙ edierte armen. Vs. der
Passio (1, 545 ff.), die dem georg. Text insofern nähersteht, als die betreffende Person hier Brinkas heißt, die ansonsten aber wesentlich verkürzt ist,
spricht von einem senekapet (545,20; 546,5 {1.}); an der Stelle, wo Brinkas
eingeführt wird (545,9 {1.}), wird er darüber hinaus als datawor senekapet
bezeichnet, was etwa mit "Richter (und) Kammerherr" wiederzugeben ist.
Dennoch ist die Annahme gerechtfertigt, daß die georg. Tradition auch in
dieser Legende das Wort azraṗeṭ- dem hazarapet einer armen. Vorlage
verdankt, deren Wortlaut allerdings erheblich von dem der erhaltenen
Fassungen des Textes abgewichen haben müßte; denn die Funktion des
azraṗeṭ- / πρεπόσιτος Brinkas ist, wie aus der Einleitung des georg. und
des griech. Textes hervorgeht (41,7-10 / 127,7-10 {4.}), der Oberbefehl
über eine Legion (λεγεών / gund-), während die erhaltene armen. Version
(SH 16, 63,16-23) dem senekapet Berenikē die Herrschaft (išxanowtՙiwn)
über die Stadt (kՙałakՙ) Amasia zuweist.
Aufgrund des Belegs in der Izidbozid-Legende wurde georg. azraṗeṭ-
bereits bei Abulaʒe, Urt. 086 als "Wort gemeinsamen armenisch-georgischen Gebrauchs" mit arm. hazarapet identifiziert und mit einer mpers.
Etymologie versehen ("pahl. *hazārapat").
Auch wenn Abulaʒes Ansatz in lautlicher Hinsicht korrigiert werden
muß, steht doch zunächst die iran. Herleitung für arm. hazarapet außer
Zweifel: als Etymon ist ein miran. *hazāra-pet < älterem *hazahra-pati-,
wtl. "Herr (über) tausend" anzusetzen, das mit dem primären Gebrauch des
armen. Wortes in der Bibelübersetzung ohne weiteres in Einklang steht (cf.
bereits Hübschmann, AG 174, 328. sowie, zum inneriran. Lautwandel
-ahr- > -ār-, Ps.Stud. 268; ausführlich über das Wort Szemerényi, Iranica V [Mon.Nyberg II], 354 ff.). Zu diskutieren bleibt jedoch das gegenseitige Verhältnis des armen. und des georg. Wortes; das gilt insbesondere
für die Frage, ob georg. azraṗeṭ- eine selbständige Entlehnung aus dem
Mitteliranischen darstellen kann, was Abulaʒe zu meinen scheint, oder ob
sich weitere Hinweise für eine Übernahme aus dem Armenischen finden
lassen.
Keinen Aufschluß gibt in dieser Hinsicht der Sprachgebrauch der georg.
Bibelübersetzung, die im Hinblick auf hazarapet keinerlei Einfluß des
armen. Textes zu erkennen gibt, sondern vielmehr eine außergewöhnliche
Parallelität mit dem griech. Text offenbart. So steht zunächst dem arm.
hazarapet in allen Fällen, wo dieses dem griech. χιλιάρχης entspricht (Mk.
6,21 {8.} u.v.a.), die Fügung atasis-tav- entgegen, die als genetiv. Zusammenrückung der Bedeutung "Kopf (tav-) der (über) tausend (atas-)" als
Lehnbildung für χιλιάρχης aufgefaßt werden kann. hazarapet hat darüber
hinaus aber auch eine `zivile' Bedeutungsnuance, die es von griech.
χιλιάρχης und georg. atasis-tav- abhebt: An drei Stellen in Gen. (43,16
{12.}; 44,1;44) vertritt es ein gr. ὁ ἐπὶ τῆς οἰκίας, das im Georgischen
teils (in der jüngeren Redaktion, CB) durch saxlis(-)zeda- bzw. saxlis(-)uxuces-, wtl. "(der) über dem Haus" bzw. "der Haus-Älteste", teils (in der
älteren Redaktion) durch ezoys-moʒġuar-, wtl. "Anführer des Hofes",
wiedergegeben ist. ezoys-moʒġuar- erscheint auch in Lk. 8,3 {13.} und
Gal. 3,2, wo arm. hazarapet griech. ἐπίτροπος übersetzt, sowie in 3.Kön.
18,3 (M) {14.} u.a., wo der griech. Text οἰκονόμος hat; für dasselbe verwendet die georg. Bibel in 1.Kor. 4,1 {15.} u.ä. sowie in Jes. 36,3
{16.} u.ö. mne-, wtl. etwa "Verwalter", bzw. (in M) gan-mge- "id.".
Darüber hinaus tritt arm. hazarapet noch in 3.Kön. 4,6 {17.} auf, wo es die
griech. Wendung ὁ ἐπὶ τῆς πατρίας wiederzugeben scheint, der im georg.
Text er-sa zeda, wtl. "(der) über dem Volk" entspricht; hier dürfte jedoch
eine Textentstellung vorliegen, die auf der Kontamination zweier divergierender Vorlagen beruht, wie sich deutlich an dem Nebeneinander der beiden Namensformen Sapՙay und Šahap für gr. Σαϕ zeigt, und bei der das ursprünglich wieder als Äquivalent des vorausgehenden οἰκονόμος intendierte
hazarapet durch hramatar verdrängt wurde (möglicherweise unter dem
Einfluß von Jes. 36,3). Da mit der griech. weitgehend auch die syr. Bibel
übereinstimmt, die χιλιάρχης durch das daraus entlehnte ܟܺܠܺܝܰܪܟـܼـܳܐ
kīliyarḵā (NT außer Ap.Jo. 19,182) bzw. das genuine ܪܻܫ ܐܱܠܦـܼـܶܐ rēš
alp̄ǟ, wtl. "Kopf der tausend" (AT und Ap.Jo. 19,18 {19.}), wiedergibt, in
den übrigen Fällen jedoch ܪܱܒܒـ݁ـܝܬܳܐ / ܪܱܒܰܝܬܴܐ ra(ḇ)baytā, wtl. "Herr
des Hauses", verwendet, ist es also das arm. hazarapet, das sich durch seine
`doppelte' Gebrauchssphäre auffällig verhält. Angesichts der unwidersprochenen Etymologie erhebt sich die Frage, woher hazarapet seine zivile
Bedeutungsnuance bezogen hat; dieses Problem kann im gegebenen Kontext
nicht gelöst werden3, ist für die Gleichsetzung von georg. azraṗeṭ- mit arm.
hazarapet in seiner `militärischen' Konnotation jedoch unerheblich.
Für die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis von georg. azraṗeṭ- und
arm. hazarapet in der Bedeutung χιλιάρχης sind aber auch gewisse
lautliche Divergenzen zu berücksichtigen. Daß das georg. Wort im Anlaut
kein h- zeigt, ist dabei nicht aussagekräftig, da anlautendes h- zu der Zeit,
als die vorliegenden Texte niedergeschrieben wurden, generell schon im
Schwinden begriffen war; dies zeigen z.B. die Varianten haer- und aer- bei
dem Wort für "Luft", die bereits in der ältesten datierten georg. Hs., dem
Sinai-Polykephalion von 864, frei miteinander wechseln (73,25 bzw. 66,16).
Von größerer Bedeutung für die Fragestellung ist das Fehlen des zweiten
-a-, für die es mehrere Erklärungsmöglichkeiten gibt: Es könnte sich
zunächst um eine verkürzte Graphie handeln (vgl. dazu die bei Boeder, Abkürz. 51 unter 2.9. angeführten Parallelen wie z.B. aġ(a)srowlenit);
dafür würde die nach Ab.Wb. in der Hs. Q 240,99 vorliegende Variante
azarṗeṭ- sprechen, wenn hier nicht einfach eine Verschreibung des
Fremdworts vorliegt. Es könnte sich weiter aber auch um eine sprachwirkliche Erscheinung handeln, da eine Synkope von -a- auch sonst im
Georgischen festzustellen ist, mit Sicherheit allerdings nur für prädesinentiale (oder präsuffixale) Silben; dies gilt zunächst für genuine Wörter
wie z.B. kmar-i "Gatte" mit Gen. kmr-is-a (cf. z.B. Šaniʒe, Gramaṭiḳa
§43), aber auch für Entlehnungen wie z.B. den Monatsnamen mihraḳan-
mit Gen. mihraḳn-is-a (cf. dazu Verf., Monatsnamen, 131, 3.5.1. mit
Anm. 278). Letztlich ist zu erwägen, ob georg. azraṗeṭ- bereits einen Reflex
der armen. Synkope mittelsilbiger -a- zeigen kann; diese wird zwar
gemeinhin erst der Übergangszeit zum Mittelarmen. (11. Jh.) zugerechnet
(cf. Karst, Kilik.Gr. 41 ff.), es ist aber nicht auszuschließen, daß sich
gewisse lautliche Veränderungen schon in den Jahrhunderten davor herausgebildet haben, ohne gleich graphischen Widerhall zu finden. Auf eine
solche Lösung weist auch die im Anlaut zwischen b- und ṗ- schwankende
Wiedergabe bei dem Namen des im Mart.Theod. auftretenden azraṗeṭ-
Brinḳas; dieses Schwanken kann paläographisch weder im Georgischen
noch im Armenischen erklärt werden (vgl. die Paare ბ / პ, Ⴁ / Ⴎ sowie
բ / պ, Բ / Պ), kann aber durchaus eine Folge der bereits vollzogenen oder
sich vollziehenden westarmen. (zweiten) Lautverschiebung sein (vgl.
Karst, o.c., 85: "Unzweifelhaft .. reicht ihre Entstehungszeit in frühere
Zeit zurück"). Eine endgültige Entscheidung, ob das georg. azraṗeṭ- selbständig aus dem Mitteliranischen entlehnt oder aus dem Armenischen
übernommen wurde, ist aufgrund der lautlichen Gegebenheiten aber nicht
möglich; damit bleibt die oben dargestellte Überlieferungslage die einzige
Entscheidungsgrundlage.
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Copyright Jost Gippert, Frankfurt a/M 7. 1.2003.
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