"Exotische Fächer" wollen nicht zu BWL-Dienstleistern verkommen

Die kleinen Fachbereiche 9 und 11 haben sich zusammengeschlossen und fürchten dennoch, "ausgehungert" zu werden

Von Peter Steinke

Die Fusionitis grassiert auch an der Frankfurter Uni. Aus den einst 21 Fachbereichen sollen bald 15 werden. Die Campus-Seite berichtet in einer Serie über die Erfahrungen und Perspektiven der Fachbereichs-Fusionen. Die Fachbereiche 9 und 11 mit einer Vielzahl von Instituten und Fächern haben sich gerade erst zusammengetan.

Von der Archäologie bis zur Vergleichenden Sprachwissenschaft reicht das Angebot an Studienfächern des neuen Fachbereichs "Sprach- und Kulturwissenschaften". Der neue Fachbereich 9, der aus der Fusion von Klassischen Philologien und Kunstwissenschaften (Fachbereich 9) sowie Ost- und außereuropäischen Sprach- und Kulturwissenschaften (Fachbereich 11) hervorgegangen ist, besteht seit dem 1. April.

Als "exotischen Fächer" werden die kleinen Institute beider Fachbereiche oft bezeichnet: Klassische Philologie (Latein und Griechisch), Archäologie, Kunstgeschichte, Kulturanthropologie, Musikwissenschaft, Orientalistik, Turkologie, Slavische Philologie, Judaistik, Afrikanische Sprachwissenschaften, Vergleichende Sprachwissenschaften, Sinologie, Japanologie und Phonetik heißen die Studiengänge des neuen Fachbereichs. Mehr als 2000 Studierende (davon über 60 Prozent Studentinnen) nutzen das vielfältige Studienangebot. Hinzu kommen noch etliche Studierende, die Sprach- und Kulturwissenschaften im Nebenfach studieren.

"Einsparpotentiale" sieht der Dekan des neuen Fachbereichs, der Archäologe Professor Wulf Raeck keine. "So kleine Budgets hätte ich gar nicht für möglich gehalten", sagt er mit Blick auf die kleinen Studienfächer des ehemaligen Fachbereichs 11. Auf die zusammen gelegte Fachbereichsverwaltung komme zudem, wie der Dekan sagt, ein "größerer Arbeitsaufwand" zu: Von dem Jahr 2003 Jahr an werden die Fachbereiche der Frankfurter Universität ihre Budgets selbst verwalten.

"Unsere Wahl war gut. Wir hätten aber auch keine andere gehabt", beschreibt die Slavistik-Professorin Gudrun Langer, Prodekanin und ehemalige Dekanin des Fachbereichs 11, den "Fusionsdruck". Eine "strukturelle Nähe" der fusionierten Fachbereiche sei gegeben, sagt sie und sieht, ähnlich wie ihr Kollege Raeck, "Verbindungsmöglichkeiten, die sich entwickeln werden".

Viele Studierende und Mitarbeiter befürchten dagegen, dass gerade die kleinen Studienfächer weiter "ausgehungert" werden könnten. So gefährde etwa die Verzögerung von Berufungsverfahren für frei gewordene Professuren, vor allem den Bestand der kleinen Studienfächer, die nur mit einer Professur ausgestattet seien, berichten Institutsmitarbeiter. Zumal sich diese schon heute am "Rande des Existenzminimums bewegen", räumt auch Prodekanin Langer ein.

"Im Zuge von Berufungsverfahren können Vakanzen auftreten", bestätigt die Prodekanin solche Verzögerungen. So geschehen bei der Neubesetzung der Sinologie-Professur: Das Hessische Wissenschaftsministerium hat die Berufung angehalten und fordert die Vorlage eines Gesamtkonzepts für die Fächer Sinologie und Japanologie. Das Konzept soll "dem Profil des Fachbereiches, der Verknüpfung von Kultur und Sprache entsprechen", sagt Langer. Zur reinen sprachvermittelnden Dienstleistung etwa für interessierte Juristen und Betriebswirtschaftler sollten die Ostasiatischen Fächer nicht verkommen, findet sie. Die "Vielfalt und Substanz" des Fachbereichs in Frage zu stellen bezeichnet sie als "fatal für den Universitätsstandort Frankfurt".

Zunächst sind allerdings noch keine großen Veränderungen zu erwarten: Die Haushaltsmittel wurde wie bisher verteilt, "damit es nicht gleich zu Konflikten kommt", sagt Langer. Von der "guten Atmosphäre der ersten gemeinsamen Fachbereichratssitzung berichten Langer und Raeck übereinstimmend.

In der "Vereinbarung über die Zusammenlegung der Fachbereiche", dem so genannte "Fusionsvertrag", versichern sich dann auch die beiden Fachbereiche wechselseitig, "ihren Fächerbestand zu erhalten und gemeinsam fortzuentwickeln." Ob sich daran allerdings auch das Wissenschaftsministerium in Wiesbaden halten wird, ist ungewiss.

 

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Dokument erstellt am 02.05.2000 um 23:54:59 Uhr
Erscheinungsdatum 03.05.2000

 

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