Thesaurus Indogermanischer Text- und Sprachmaterialien
TITUS BIBLIOGRAPHIA
REZENSIONEN / REVIEWS

Bardhyl Demiraj: Albanische Etymologien (Untersuchungen zum albanischen Erbwortschatz). Leiden Studies in Indo-European 7. Rodopi. Amsterdam - Atlanta, GA 1997. 484 S.

In der Arbeit "ist die etymologische Erforschung des Wortcorpus der albanischen Sprache", das "sich im Rahmen der Albanologie in den gängigen Wörterbüchern und anderen Nachschlagewerken" -- darunter das Manuskript von Klingenschmitts The Albanian Numerals -- der Indogermanistik als altererbtes Wortgut bewährt hat" (5) in 572 Wortartikeln zusammengefaßt. Den Lemmata geht eine "kurzgefaßte" Darstellung der Vertretungen der urindogermanischen Phoneme im Albanischen voraus (41-67).

Die Lemmatisierung ist sehr sparsam gehandhabt, so findet man die Etymologie der "Zusammensetzung bzw. Wortverschmelzung relativ frühen Datums" sónte "(< só-nate *`diese Abend/Nacht [sic!])" nur über den Index (s.v. natë `Nacht'), ebenso wie die von sot `heute', dem l.c. mit Zweifel ein *só-dit `diesen Tag' zugrunde gelegt wird, das indessen als "só dit- wörtl. `(von) diesem Tag' eine sichere lautliche Parallele für eine neue Herleitung von zot `Gott' abgeben soll (s.v.).

Auffallend ist der abundante Gebrauch eines in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft nicht gerade häufigen Terminus. Beispielsweise wird s.v váth/ë `Pferch, Hürde' festgestellt: "Semantisch nichtssagend ist auch sein innersprachlicher Zusammenhang mit (t.) varr, g. vorr `Grab-(mal)". Tatsächlich besteht ein solcher gar nicht, wie man s.v. varr erfährt, bestünde er, wäre er aber sehr vielsagend! S.v. mërkósh heißt es: "Die Herleitung Çabejs (...) aus bulg. mrku "elend, zerschlagen" ist nichtssagend. Eine fremde Herkunft der Bezeichnung ist jedenfalls vorzuziehen (d.h. der Zusammenstellung mit *mero- `junger Mann' )". Einem fällt einiges ein, was die genannte Herleitung sein kann, aber was soll hier "nichtssagend" bedeuten? Ebensowenig verständlich ist, warum Ölbergs "Ansatz eines altertümlichen (fem.) C-Stammes" für alb. end `blühend, sprießend' ohne Argumentation mit "nichtssagend" abqualifiziert wird (s.v.).

Bei den Laryngalen findet sich eine kunterbunte Notation, die dadurch bedingt ist, daß die Daten aus der Literatur ohne Normierung übernommen werden: S. 160: *(H)a-íeh2- mit wurzelhaftem a? Und wenn nicht, warum dann nicht h2? Vgl. auch S. 271: mjégull/ë,-a `Nebel, Wolke', *O1miGh-leA2. Im Kapitel über die Vertretung der urindogermanischen Phoneme im Albanischen freilich werden für die Laryngale neben h1 usw. nur H und seine "silbische Realisierung" -- deren Bezeichnung fehlt in der Überschrift zu dem Passus für h1 usw., obwohl sie im Text verwendet werden -- vermerkt.

Auf die Pluralität der Meinungen ist nicht immer Rücksicht genommen worden, vgl. S. 344: *h1regwo- mit Laryngal gegenüber Klingenschmitt, Das altarmenische Verbum. Wiesbaden 1982, S. 105, Anm. 27; Mayrhofer in "Serta Indogermanica". Innsbruck 1982, S. 186, Anm. 30; Peters in "Die Sprache" 32, 2 (1986), S. 370, Anm. 20.

Gelegentlich hapert es bei der "Vernetzung" der Lemmata, z.B. im Falle bírë, brimë `Loch, Öffnung' (103): Für diese "empfiehlt es sich, von einer gemeinsamen Basis *bri-(m) auszugehen". Diese "läßt sich dann unschwer als deverbative Bildung aus brij v. `nagen' herleiten. Dieses wiederum wird (s.v. brej) unbeschadet der Tatsache, daß "bestimmte Einzelheiten bzw. die Feststellung der alb. Grundform ... immer noch umstritten" sind, wie bírë zur "Wz. uridg. *bher()- `ritzen, schneiden, reiben'" gestellt, die auch mit dem Hinweis auf arm. beran, lit. burnà `Mund' als eine Möglichkeit für die Etymologie von búzë `Lippe, Rand, Felsbrocken' in Anspruch genommen wird (115). Ein Hinweis von bírë oder brej auf buzë und umgekehrt fehlt indessen, was um so schwerer wiegt, als die Zusammenstellung von arm. beran und lit. burnà mit alb. brimë seit Persson (KZ 33 [1895], 292) Gemeingut der etymologischen Handbücher ist.

Alles in allem informiert aber das Werk hinreichend über den albanischen Erbwortschatz und gibt im Falle von umstrittenen Etymologien brauchbare Entscheidungshilfen.
R.-P. Ritter

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27.06.03

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